Noch einmal der Vampyr-Schrecken

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Autor: Dr. Petermann
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Titel: Noch einmal der Vampyr-Schrecken
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aus: Die Gartenlaube
Herausgeber: Ernst Keil
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Erscheinungsdatum: 1873
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Blätter und Blüthen.

Noch einmal der Vampyr-Schrecken. Bezugnehmend auf den Artikel „der Vampyr-Schrecken im neunzehnten Jahrhundert“ von Carus Sterne in der Gartenlaube, sei es mir gestattet, Folgendes, das ich selber erlebt und gesehen habe, als Ergänzung zu jenem Aufsatze hier zu veröffentlichen. Carus Sterne sagt, daß dieser Glaube sich nur bis Preußen, worunter er doch jedenfalls nur die Provinz Preußen verstanden wissen will, verbreitet habe; dem ist aber nicht so, man fand diesen Glauben noch vor ungefähr vierzig Jahren auch allgemein in der Provinz Pommern und zwar bis in die Gegend der Stadt Stargard, wie Folgendes, das ich, wie bemerkt, selbst erlebt und gesehen habe, beweist.

Oftmals hatte ich von älteren und auch wohl jüngeren Leuten meines Heimathdorfes, Schöneberg bei Stargard in Pommern, erzählen hören, wie häufig es vorkomme, daß ein verstorbenes Familienglied alle oder doch mehrere Mitglieder der Familie nachfresse. Dies war der allgemein gebräuchliche Ausdruck für die Macht des Verstorbenen, vermöge welcher er seinen vernichtenden Einfluß ausübe; wolle man aber die Kraft eines solchen Nachfressers paralysiren, so müsse des Nachts sein Grab geöffnet, ihm das Haupt mit einem Grabscheit abgestochen und dieses dann zu seinen Füßen gelegt werden. Im Wesentlichen stimmte der Aberglaube in Pommern mit dem überein, was Carus Sterne über ihn in anderen Gegenden sagt. Recht lebhaft hörte ich aber diesen Aberglauben die Landbevölkerung meiner Heimath beschäftigen, als in dem benachbarten Dorfe Brüsewitz ein kräftiger Bauergutsbesitzer starb, dem in kurzen Intervallen zwei robuste erwachsene Söhne folgten. Wahrscheinlich grassirte eine Seuche, aber allgemein sprach man, der Vater fresse die ganze Familie nach, wenn man nicht mit dem Verstorbenen die obengenannte Procedur vornehme.

Mein Onkel, der Lehrer des Dorfes war, äußerte bei Gelegenheit eines Besuches zu meinem Vater, er fürchte, daß er eines schönen Morgens auf dem Kirchhof, der übrigens dicht vor seinem Hause lag, die Spuren vorfinden werde, daß das Grab geöffnet sei, und er fürchte das um so mehr, wenn die jetzt noch schwer krank darniederliegende Tochter auch sterben sollte. Er wollte aber, wenn der Fall eintrete, meinen Vater sofort benachrichtigen, damit er sehe, wie groß die Macht des Aberglaubens noch sei. Nach wenigen Tagen erfuhren wir, daß die Tochter wirklich gestorben sei, und drei Tage nach deren Begräbniß erschien denn auch in aller Frühe ein Bote, der meinen Vater einlud, sofort nach Brüsewitz zum Bruder zu kommen. Ich durfte den Vater begleiten. Wir fanden den Onkel am frisch zugeworfenen Grabe des etwa vor sechs Wochen verstorbenen Bauergutsbesitzers, und die umherliegenden Erdhäufchen, die sich in der Nacht nicht hatten gut beseitigen lassen, dann der in aller Eile hergerichtete Grabhügel ließ uns keinen Zweifel, was da vorgegangen war. Die Sache wurde von meinem Onkel dem Pastor angezeigt (Brüsewitz war damals noch Filial des Dorfes Pansin), derselbe begnügte sich damit, am nächsten Sonntage der Gemeinde von der Kanzel herab über den crassen Aberglauben, der noch in ihr herrsche, Vorstellungen zu machen, unterließ aber die Anzeige an das Landrathsamt, so daß keine weitere Untersuchung erfolgte. Als aber nun wirklich kein Mitglied aus der beregten Familie mehr starb, war man allgemein der Ansicht, daß die vorgenommene Procedur die richtige und helfende gewesen sei

Dr. Petermann.