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Nordamerika und seine Zustände

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Titel: Nordamerika und seine Zustände
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aus: Die Gartenlaube, Heft 10, S. 156, 158, 159
Herausgeber: Ferdinand Stolle
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1861
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
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Nordamerika und seine Zustände.

Zur Aufklärung der jetzigen Krisis.

Bis vor Kurzem war es der Stolz der Vereinigten Staaten, daß jeder der Regierungswechsel, welche alle vier Jahre durch die Wahl eines neuen Präsidenten erfolgen, ohne Erschütterung vorüberging. Die Parteien kämpften bis zum Augenblick der Entscheidung mit einer Erbitterung, in der etwas von der Wuth eines Bürgerkriegs lag, aber kaum war das Ergebniß der Abstimmung bekannt geworden, so schwieg der Sturm plötzlich. Die Sieger bemächtigten sich der höchsten Gewalt einschließlich aller von ihr abhängenden Aemter und Stellen, die Besiegten trösteten sich mit der Aussicht, nach dem Ablauf von vier kurzen Jahren ihren Candidaten auf den Präsidentenstuhl zu führen. Nach der letzten Wahl Abraham Lincoln’s bieten die Vereinigten Staaten dieses erhebende Schauspiel der Selbstunterordnung der unterliegenden Partei unter den Ausspruch des Volkswillens nicht dar. Fast gewinnt es den Anschein, als sollte die verächtliche Gewohnheit der Creolenrepubliken im Süden des Welttheils, die verfassungsmäßige Entscheidung durch einen Bürgerkrieg umzuwerfen, Nachahmung finden. Im Süden ist nichts als wüstes Geschrei und Geheul; man rüstet, man nimmt Bundeseigenthum weg, man begeht gegen Männer aus dem Norden Niederträchtigkeiten. Tausende wiederholen den wahnwitzigen Ruf des Südcaroliners Keitt: „Wir wollen, wie Simson, die Stützpfeiler des ganzen Bundesgebäudes einreißen!“ und die höchste Autorität, James Buchanan, bestätigt in einer Botschaft an den Congreß, daß die Union sich mitten in einer großen Revolution befinde.

Erreichte der Wahnsinn sein Ziel, woran wir aus guten Gründen zweifeln, so wäre es ein stolzes, ja riesiges Gebäude, das, Alles in einen gemeinsamen Untergang verwickelnd, über den Köpfen der Nordamerikaner zusammenbräche. Ueber 129,036 deutsche Geviertmeilen erstreckt sich das heutige Gebiet der Union. Die beiden großen Weltmeere branden an seinen Küsten, in die hier wie dort, auf dem atlantischen wie auf dem pacifischen Abhange, Buchten eingeschnitten sind, welche die prächtigsten Häfen der Welt bilden. Herrliche Wassersysteme dienen dem Verkehr, dem die Natur durch eine fast verwirrende Fülle von Erzeugnissen aller ihrer Reiche eine unvergleichliche Grundlage gegeben hat. Sowohl die Mineralien, denen der rohe Glücksjäger nachtrachtet, Gold und Silber, als jene, denen der stetig vorwärts strebende Arbeiter den Vorzug giebt, Eisen und Steinkohlen, sind in unerschöpflichen Lagern vorhanden. Der Thiere des Waldes und der Grasebenen, der Seen und Flüsse sind so viele, daß man sie wenig achtet. Von den werthvollen Handelspflanzen, die nicht im Gürtel der Tropen heimisch sind, fehlt keine, und einige von ihnen beherrschen den Weltmarkt. Diese Gunst der Natur hat der Nordamerikaner mit einer Klugheit und Energie ohne Gleichen für sich zu benutzen verstanden. Im rastlosen Schaffen ist er zu einer Handelsbewegung gelangt, die für die jährliche Einfuhr und Ausfuhr Werthe im Betrage von 674 Millionen Dollars liefert, zu einer Handelsflotte, die bereits die zweite der Welt ist, zu einem Canal- und Eisenbahnsystem, das wie ein dichtes Netz Thäler und Ebenen bedeckt, zu einer Industrie, welche jene der ältesten Länder in mehr als einer Beziehung überholt hat, und endlich, um mit der rühmlichsten Thätigkeit zu schließen, zu einem Erziehungswesen, dem mit dem Aufwand von Millionen eine immer höhere Vollendung gegeben wird.

Die verhältnißmäßig kurze Zeit, in der unter einem ewigen Kampfe mit der Wildniß diese hohe Stufe erreicht worden ist, darf die Bevölkerung der Union mit Stolz erfüllen. Nicht ganz dritthalb Jahrhunderte verflossen, seit die Pilgerväter, die eigentlichen Ahnherrn der heutigen Republik, den Anker der Maiblume am 11. December 1620 in einer Bucht am Cap Cod fallen ließen. Die sogenannten neuenglischen Staaten, die von ihnen besiedelt wurden, gestalteten sich zum Kern, um den ein Staat nach dem andern sich ansetzte. Schon 1643 wurde zwischen vier Staaten der erste Bund geschlossen, dessen die amerikanische Geschichte erwähnt. Bei dem großen Revolutionskampf standen dreizehn Staaten, seitdem die alten genannt, zu einander. Es waren Georgien, die beiden Carolina’s, Virginien, Maryland, Delaware, Connecticut, Massachusetts, Newyork, Pennsylvanien, Neu-Jersey, Rhode-Island und Neu-Hampshire. Maine und Vermont, Ohio, Indiana, Illinois, Michigan, Kentucky, Tennessee, Alabama und Mississippi wurden als neue Staaten aus dem alten Gebiet der Republik durch Besiedlung gebildet, Florida und Oregon durch Verträge mit Spanien und England, das unter dem Namen Louisiana begriffene, die heutigen Staaten Louisiana, Arkansas, Missouri, Iowa, Wisconsin und Minnesota umfassende Gebiet durch Kauf von Frankreich, Texas und Californien durch Eroberung von Mexico gewonnen.

Die Verfassung, welche die dreizehn alten Staaten nach der glücklichen Beendigung des Kampfes gegen England sich gaben, ist das Ergebniß eines jahrelangen Streites zwischen den Anhängern des Föderalismus und der Centralisation. Wie in Amerika Manches umgekehrt als bei uns sich ereignet, so war es auch bei dieser Gelegenheit. Nicht die Particularisten und Souveränetätsschwindler waren diejenigen, welche am Alten klebten, sondern die Männer des Fortschritts. In dem blinden Wahne, daß eine starke Centralgewalt der Freiheit den Tod bringen werde, wollten sie dem Bunde die nöthigsten Rechte verweigern. Während dieses Streites gab ein Staat des Nordens, Massachusetts, das erste Beispiel einer Drohung mit dem Austritt aus der Union und gebehrdete sich ziemlich eben so unvernünftig, wie wir es heutzutage an den „Feueressern“ des Sclavenstaats Südcarolina erleben.

Weit entfernt, die Freiheit der Einzelstaaten zu beeinträchtigen, hat die Verfassung von 1787 dem Eigenwillen derselben einen bedeutenden Spielraum gelassen. Jeder Staat besitzt eine eigene Verfassung, Volksvertretung und Gesetzgebung, eine eigene Verwaltung und Gerichtsbarkeit. Der Centralgewalt, die durch einen Präsidenten, Vicepräsidenten und Ministerrath wie durch einen in zwei Häuser getheilten Congreß dargestellt wird, sind nur die Rechte und Befugnisse vorbehalten worden, ohne die sie ein Schatten, so eine Art von deutschem Bund, sein würde. Der Congreß erhebt Abgaben, Zölle und Steuern, schließt Verträge mit fremden Staaten, erhält ein Heer und eine Kriegsflotte, nimmt neue Staaten in den Bund auf, macht Anleihen und läßt Geld prägen, erläßt Naturalisationsgesetze und gleichmäßige Bankerottgesetze und errichtet ein Obergericht wie Mittelgerichte, deren Zuständigkeit indessen auf bestimmte Fälle beschränkt ist. Sollte einmal die Gefahr eintreten, daß das Unterhaus (Repräsentantenhaus) aus diesem gesetzlichen Kreise heraustreten und in die Rechte der Staaten eingreifen wollte, so würde das Oberhaus (der Senat), in das die Volksvertretung jedes Einzelstaats, des kleinsten wie des größten, zwei Mitglieder schickt, ein solches Beginnen sofort vereiteln.

In dieser weisen Vertheilung der Gewalt zwischen der Centralregierung und den Einzelstaaten sehen wir den Hauptgrund, daß die Verfassung allen Stürmen der Parteikämpfe Widerstand geleistet hat. Die himmelweit verschiedenen Interessen des Südens, Westens und Nordens haben sich im Ganzen friedlich neben einander entwickeln können. Allerdings sind Erschütterungen vorgekommen, und mehr als einmal hat ein Staat, gewöhnlich Südcarolina, mit dem Austritt aus der Union gedroht, aber immer noch haben die Sturmwogen, so hoch sie auch gehen mochten, sich von selbst geglättet, und wirkliche Conflicte von Interessen durch Vergleiche beizulegen ist nicht ein einziges Mal mißlungen. Angesichts dieser fast hundertjährigen Erfahrung erwarten wir, daß die jetzige Krisis gleich den frühern überwunden werden wird, wenn wir auch nicht verkennen, daß der Gährungsstoff, den wir in diesem Augenblicke an einer Zersetzung des großen Staatenbundes arbeiten sehen, seit langer Zeit sich angesammelt hat.

Wie Jedermann weiß, ist es die Sclaverei, die zum sprengenden Keil zu werden droht. Nicht allgemein bekannt dürfte es sein, daß das „eigenthümliche Institut“ den Nordamerikanern ursprünglich aufgedrungen worden ist. Sealsfield hat eine Reihe von Urkunden veröffentlicht, aus denen hervorgeht, daß die nördlichen wie die südlichen Staaten einschließlich Georgiens und Südcarolina’s fortwährend und immer vergeblich dagegen protestirten, daß die englischen Kaufleute in Ermangelung eines gleich einträglichen Ausfuhrartikels schwarze Sclaven in ganzen Ladungen auf die nordamerikanische Küste warfen. Zur Zeit der Unabhängigkeitserklärung gab es in allen Staaten Sclaven. Die nördlichen beeilten sich, den Schmutzfleck der Sclaverei auf ihrem Gebiet auszutilgen. Maine, Neu-Hampshire, Vermont, Massachusetts, Rhode-Island, Connecticut, Newyork, Neu-Jersey und Pennsylvanien lösten [158] die Ketten aller Schwarzen, Illinois, Indiana und Ohio traten ohne Sclaven in die Union. Die südlichen Staaten weigerten sich, diesem Beispiel zu folgen. Nicht mit Unrecht wiesen sie auf die gänzliche Verschiedenheit der Verhältnisse hin: im Norden sei die Sclaverei, auf eine geringe Anzahl von Schwarzen beschränkt, ein Luxus, denn die gesunde Beschaffenheit des Klima’s und des Bodens legen der an sich weit wohlfeileren Arbeit des Weißen kein Hinderniß in den Weg, während der heiße und zum Theil sumpfige Süden der Schwarzen, von denen ohne Zwang keine Thätigkeit erwartet werden dürfe, nicht entbehren könne, wozu weiter noch komme, daß jede Sicherheit der Person und des Eigenthums sofort aufhören werde, sobald man die rohen Sclavenmassen, d. h. in einzelnen Staaten die Hälfte der gesammten Bevölkerung, des Zügels entledige. Da die Negerfreunde des Nordens diesen Gründen ihre Anerkennung versagten, so kam es zwischen ihnen und den Sclavenhaltern des Südens zu einem Streit, der wohl zu Zeiten schwieg, aber doch immer wiederkehrte und jedesmal eine steigende Aufregung zur Folge hatte. Lange hielten sich beide Theile die Wage und wurden dadurch zu Vergleichen gestimmt. Die bekanntesten der letztern sind der Missouri- und der Columbia-Vergleich. Bei dem ersten bequemten sich die Negerfreunde, Missouri als Sclavenstaat aufzunehmen, und erhielten dafür eine Milderung der strengen Gesetze gegen flüchtige Sclaven. Bei dem zweiten gaben sie dieses Zugeständniß wieder zurück, um das Verbot des Sclavenhandels im Bezirk Columbia, in dem die Hauptstadt Washington liegt, durchzusetzen. Selbst in die äußern Verhältnisse der Union mischte sich die Sclavenfrage bestimmend ein. Wenn der Norden die Annexation von Canada leidenschaftlich betrieb und das Oregongebiet auf die Gefahr eines Kriegs mit England hin in das Gebiet der Union hineinzog, wenn auf der andern Seite der Süden auf dem Eintritt von Texas und dem Krieg gegen Mexico hartnäckig bestand, so hatte jeder Theil kein anderes Motiv, als seiner Partei im Congreß die Oberhand zu verschaffen. Darum wünschte der Norden möglichst viele freie, der Süden möglichst viele Sclavenstaaten in der Union zu haben.

Was das Zahlenverhältniß der beiden Gruppen betrifft, so ist der Norden im Vortheil. Auf achtzehn freie kommen nur funfzehn Sclavenstaaten: Delaware, Maryland, Virginien, Nordcarolina, Südcarolina, Georgien, Florida, Alabama, Mississippi, Louisiana, Texas, Arkansas, Tennessee, Kentucky und Missouri. Trotzdem ist die Sclavenhalterpartei seit einer Reihe von Jahren dergestalt in Vortheil gewesen, daß sie die Union förmlich beherrscht hat. Eine geschlossene, im Süden allmächtige Phalanx, braucht sie blos eine Partei des Nordens für sich zu gewinnen, um die Mehrheit zu erhalten. Diese Partei hat sich in den Demokraten gefunden. Dem Bündniß mit ihnen verdankten die Sclavenhalter außer dem Gesetz gegen flüchtige Sclaven die Duldung, welche ihren durch den Flibustier Walker vollzogenen Angriffen aus Centralamerika, welches neue Sclavenstaaten für die Union liefern sollte, und den aus demselben Motiv unternommenen Versuchen auf Cuba zu Theil wurde. Sie verdankten demselben Bündniß die Aufnahme der Sclaverei in die Verfassungen von Nebraska und Kansas, wie endlich die berüchtigte Entscheidung in dem Proceß des Negers Dred Scott, laut deren Inhalt auch die freien Staaten auf ihrem Gebiet das Eigenthumsrecht eines weißen Menschen an einem schwarzen Menschen als heilig anzuerkennen verpflichtet sind.

Die Macht nach langem Besitz abzugeben, können die Sclavenhalter sich nicht entschließen. Die bloße Thatsache, daß die mit den Negerfreunden verbündeten Republikaner bei der Präsidentenwahl gesiegt haben, reicht hin, sie zur Wuth zu entflammen. In ihrer Parteiwuth beschuldigen sie ihre Gegner auf einen Congreßbeschluß auszugehen, durch den die Sclaverei aufgehoben werden solle. Zum Beweise, daß ein solches Complot der Republikaner bestehe, berufen sie sich auf Dinge, die theils Einzelnen zur Last fallen, theils mit der Aufhebung der Sclaverei in gar keinem Zusammenhang stehen. Die drei großen Verbrechen der Republikaner sind das Buch Helper’s: „Die drohende Krisis des Südens“, der Putsch von Harper’s Ferry und die in Vermont, Neu-Hampshire und Wisconsin zur Wahrung der persönlichen Freiheit erlassenen Gesetze. Helper’s Buch enthält manches Erbitternde, namentlich den Vorschlag, daß alle Sclaven sofort mit Benutzung der sämmtlichen Handelsschiffe der Union nach Afrika geschafft, oder zuerst mit 60, dann mit 80 und 100 Dollars für den Kopf besteuert werden sollen. Wie kann man aber für eine unausführbare, geradezu verrückte Alternative eine ganze Partei verantwortlich machen, selbst wenn diese Partei, wie seitens der Republikaner allerdings geschehen ist, das Buch, das eine solche Alternative stellte, nach Kräften verbreitet hat, nicht um die Sclaverei zu untergraben, sondern um den Demokraten des Nordens, den Verbündeten der Sclavenhalter, in der öffentlichen Meinung zu schaden? In den Vereinigten Staaten und anderswo sind schlimmere Wahlmanöver vorgekommen als die Colportirung eines Pamphlets. Der Putsch von Harper’s Ferry sollte den Sclavenhaltern eher zur Beruhigung als zum Gegentheil dienen. Wenn zu einem Unternehmen, das die Befreiung aller Sclaven zum Zweck hat, nicht mehr als zweiundzwanzig Theilhaber sich finden, so bedarf es keines weitern Beweises, daß der Gedanke keine große Partei zur Stütze hat. Was endlich die Gesetze zur Wahrung der persönlichen Freiheit betrifft, so sind sie in Staaten erlassen worden, in die höchst selten ein entwichener Schwarzer sich verirren wird. Ueberdies richten sie sich nicht gegen das Bundesgesetz über die flüchtigen Sclaven, sondern gegen die parteiische Ausführung desselben und stellen zu Gunsten der Farbigen die beiden uralten Garantien des Rechts her: Geschworenengerichte und Beweis durch unbescholtene Zeugen. Wie das Bundesgesetz gehandhabt wurde, konnte leicht ein freier Farbiger in Sclaverei gerathen, jetzt schlüpft vielleicht einmal ein wirklicher Sclave durch, das ist der ganze Unterschied.

Ungleich mehr als Helper und die übrigen offen eingestandenen Motive treibt die innerliche Ueberzeugung, daß die Tage der Sclaverei gezählt sind, die Sclavenhalter zur Wuth. Die freie Arbeit wächst der Sclavenarbeit hoch über den Kopf empor. Die ganz außerordentliche Verbreitung der Dampfmaschinen im Norden hilft dazu wesentlich. Man benutzt in Nordamerika die Maschinen zu Arbeiten, bei denen wir die Hand des Menschen für unentbehrlich halten, z. B. zum Spalten von Brennholz. Man baut nicht Hunderte, nein Tausende von Maschinen zum Vermiethen ihrer Kräfte und stellt die Preise so niedrig, daß selbst der kleine Handwerker dieses Hülfsmittel benutzen kann. Seit etwa einem Jahre hat die Einführung der calorischen Maschine die Verwendung künstlicher Kräfte im alltäglichen Leben noch allgemeiner gemacht. Je mehr dadurch der Mensch von der rohesten Handarbeit befreit und zum geistigen Lenker und Beherrscher der Naturkraft erhoben wird, um so schöner kann er sich geistig ausbilden und bei seinem Erwerb ein nicht hoch genug anzuschlagendes Capital von Intelligenz zu Hülfe nehmen. So schreitet der Norden, dem der Westen in dieser Beziehung gleich steht, mit Siebenmeilenstiefeln vorwärts, und der Süden bleibt schon deswegen zurück, weil Bildung die Unfreiheit nicht verträgt und unfreie Arbeit folglich nicht im Stande ist, sich die Vortheile der technischen und sittlichen Bildung anzueignen. Ein Beispiel wird zeigen, welcher Unterschied dadurch zwischen dem Süden und Norden entstanden ist. Im Jahre 1810 hatte Virginien 1,066,000, Newyork 959,000 Einwohner. 1851 zählte man in dem freien Staate 3,097,000 Menschen, 693,000 Schulkinder unter 13,600 Lehrern, 11,018 Bibliotheken mit 1,800,000 Bänden und 428 Zeitschriften mit 1,622,000 Exemplaren; in dem Sclavenstaate aber nur 1,422,000 Einwohner, 110,000 Schulkinder unter 3000 Lehrern, 54 Bibliotheken mit 89,000 Bänden und 87 Zeitschriften mit 90,000 Exemplaren. In den Sparkassen der Staaten Massachusetts, Rhode-Island und Newyork, die vorwiegend, wenn nicht ausschließlich, von Arbeitern benutzt werden, lagen am 1. Januar 1861 mehr als hundert Millionen Dollars. Was hat der Süden diesen Ersparnissen der freien Arbeit entgegenzustellen?

Der Wohlstand der Sclavenstaaten nimmt nicht zu, er ist im Sinken begriffen. Der erschöpfte Boden giebt geringere und geringere Ernten. In Texas, wo man noch jungfräulichen Boden zur Verfügung hat, rechnet man auf 750 Pfund Baumwolle vom Acker, in den alten Sclavenstaaten auf 250, 300 oder höchstens 320 Pfund. Um diesen Nachtheil auszugleichen, muß man die Arbeits- und Capitalkräfte steigern und ist zu Anstrengungen gezwungen, welche den Gewinn, der aus den steigenden Preisen des Rohstoffs erwächst, mehr als aufzehren. Da in Folge dieser Verhältnisse der Mangel an Sclaven immer fühlbarer wird, so ist der Preis der menschlichen Waare seit 1830 um das Doppelte gestiegen. So repräsentiren die 3,300,000 Sclaven der Union ein ungeheures Capital, und wer das Züchten und Verkaufen solcher Unglücklichen zu seinem Geschäft macht, der erzielt einen bedeutenden [159] Gewinn. Für Jeden, der mit seinen Sclaven arbeitet, ist das Steigen ihres Preises mit einer Vertheuerung seiner Production gleichbedeutend.

Nicht genug, daß der Norden den Süden überflügelt, bedroht die freie Arbeit die Sclavenhalter in deren eigener Heimath. Bis jetzt übten die etwa 80,000 Menschen, welche als Besitzer von je mehr als fünfzig Sclaven die Aristokratie, die „Cavaliere“ des Südens bilden, in ihren Staaten eine unbestrittene Herrschaft. Sowohl die kleinern Sclavenhalter als die Weißen, welche vom Handel oder von Gewerben leben, gelten neben ihnen nichts. Das wird sich in einer nicht fernen Zeit ändern. Schon arbeiten in mehreren Sclavenstaaten die unterdrückten Classen der Weißen an ihrer Emancipation, und der Norden begünstigt die Auswanderung nach dem Süden, um ihnen Hülfe zu leisten. Besonders hat man Virginien in’s Auge gefaßt, wo wüstliegende Ländereien in Menge zu kaufen sind. Je mehr Weiße ohne Sclaven in’s Land kommen, um so stärker gerathen die Sclavenhalter in’s Gedränge, und zwar nicht blos hinsichtlich ihrer Herrschaft, sondern auch hinsichtlich ihres Erwerbs. Die freie Arbeit ist – wie wir bereits bemerkten – die wohlfeilere; zwei Weiße, das gesteht selbst der Süden zu, arbeiten so viel wie neun Sclaven. Daß diese freie Arbeit gerade bei dem großen Stapelartikel des Südens mit Erfolg Concurrenz machen kann, haben die Deutschen in Texas durch die That bewiesen. Sie widmen sich in Menge dem Baumwollenbau und erzeugen einen Stoff, der in jeder Beziehung höher geschätzt wird als Sclavenbaumwolle. Dennoch beruft sich der Pflanzer hauptsächlich auf seine Baumwolle, wenn er die Unentbehrlichkeit der Sclaverei beweisen will. Thatsache ist, daß die amerikanische Baumwolle, bei deren Erzeugung 800,000 Schwarze, der vierte Theil aller Sclaven, beschäftigt sind, den Weltmarkt beherrscht. England ist von den 3,850,000 Ballen dieser Waare, welche der Süden ihm liefert, im wahren Sinne des Worts abhängig. Darum konnte Senator Hammond, als vor wenigen Jahren ein Krieg mit dem alten Mutterlande zu drohen schien, ausrufen: „Gegen Baumwolle führt Niemand Krieg, Baumwolle ist Herr.“ Diese Herrschaft der amerikanischen Baumwolle und damit auch die Wohlfahrt des Südens ist aber ernstlich bedroht. England fühlt die Nachtheile seiner Abhängigkeit von Nordamerika zu schwer, um nicht die größten Anstrengungen gegen dieses Joch zu machen. Wo immer ein Engländer nahe bei den Tropen seinen Fuß hinsetzt, wird er den Boden prüfen, ob er für Baumwolle taugt. Man ist in Versuchen des Anbaues unermüdlich und hat hie und da schöne Erfolge erzielt. Dies gilt z. B. vom südwestlichen Afrika, und auch die neue australische Colonie Queensland (im Nordosten des Welttheils) scheint viel zu versprechen.

Das größte Gewicht legen die Engländer auf Ostindien, wo der Baumwollenbau seit mehr als zwei Jahrtausenden heimisch ist. Daß die ostindische Baumwolle, wenn auch wohlfeiler, doch schlechter als die amerikanische ist, liegt nicht am Rohstoff, sondern an der schlechten Behandlung und dem Capitalmangel. Diesen beiden Mängeln abzuhelfen, ist der englische Baumwollenversorgungsverein bemüht. Er führt der indischen Baumwollenindustrie englisches Geld zu und verbreitet unentgeltlich Hunderte von Maschinen zur Reinigung der Baumwolle, welche so gebaut sind, daß der indische Bauer sie ohne Mühe handhaben kann. In Indien selbst ist eine Gesellschaft für den Aufkauf von Baumwolle entstanden, an deren Spitze der Fürst Hayder Dschung Bahadur steht. Derselbe Versorgungsverein hat in den wenigen Jahren seines Bestehens außer Maschinen auch sechshundert Fässer Samen in alle Weltgegenden geschickt, um der Cultur einen Sporn zu geben. Daß sich ein Ersatz für die amerikanische Baumwolle finden werde und müsse, ist die Ueberzeugung der besten englischen Autoritäten.

Unter diesen Umständen dürfte die Erwartung der Sclavenhalter, daß die Baumwolle allein als Stütze eines südlichen Sonderbundes ausreichen werde, sich auf die Dauer nicht erfüllen. Auf der andern Seite fiele mit der Trennung der Union die Hauptstütze des Wohlstandes im Süden hinweg. Die Capitalkraft des Nordens hat nicht wenig dazu beigetragen, den südlichen Stapelartikeln ihre Ueberlegenheit zu verschaffen. Der Newyorker Handelsstand ist mit Vorschüssen an die Pflanzer nicht karg und giebt langen Credit auf neun, zwölf, ja auf funfzehn Monate. Daß europäische Kaufleute eben so gefällig sein werden, ist nach den bisherigen Erfahrungen nicht anzunehmen. Seit Jahrzehnten haben sich die südlichen Pflanzer und Handelsvereine abgemüht, einen unmittelbaren Verkehr mit Europa in’s Leben zu rufen, und immer vergebens. Man traut den Cavalieren nicht, weil man sie kennt und weil man nicht vergessen hat, welche ehrlose Bankerotte von Einzelnen und von ganzen Staaten (Alabama und Mississippi) im Süden vorgekommen sind. Daß sie jetzt der ganzen Welt Handelsfreiheit in ihrem Sonderbund versprechen, ist ein eitles Lockmittel. Mit ihren Finanzen ist es so schlecht bestellt, daß sie in kürzester Zeit zu Zöllen, und zwar zu hohen, greifen müßten. Daß eine Trennung auch dem Norden schwere Wunden schlagen würde, bezweifeln wir nicht. Sehen wir doch in diesem Augenblicke, wie verderblich schon die bloße Drohung mit Trennung wirkt. Banken haben ihre Zahlungen eingestellt, die besten Handelspapiere zu 18 % Discont keine Abnehmer gefunden, und sogar die Ausfuhr der zur Verschiffung bereit liegenden Erzeugnisse ist in’s Stocken gerathen. Der reichere Norden wird die Folgen einer Trennung aber leichter tragen können, als der Süden mit seinem ausgesogenen Boden und seinem zahlreichen Proletariat von Weißen und Farbigen.

Sind wir bei unserer Darstellung zu der Ueberzeugung gelangt, daß die Sclaverei nach und nach aufhören wird, so müssen wir jetzt hinzufügen, daß die Trennung der Union diesen unvermeidlichen Ausgang sehr beschleunigen würde. Im Westen und im Norden von freien Staaten eingefaßt, die keine Rücksicht mehr zu nehmen hätten und in denen sogar ein Gefühl bitterer Feindschaft, die Folge jeder Trennung, Wurzel schlagen würde, könnte der Süden weder das Entlaufen seiner Sclaven, noch die gefährlichsten Einwirkungen auf sie von außen her verhindern. So aufgeregt die Leidenschaften augenblicklich sind, wird der Gedanke an eine Zukunft, die den Süden auf lauter Nesseln und Dornen bettete, seine Wirkung üben. Trennte er sich trotzdem, so handelte er wie ein Narr, der, um einer eingebildeten Gefahr zu entgehen, sich selbst den Untergang bereitet. Daß es aber nichts als Einbildung ist, wenn man glaubt, Abraham Lincoln würde durch den Congreß die Aufhebung der Sclaverei beschließen lassen, unterliegt keinem Zweifel. Er hat weder den Willen noch die Macht dazu. Nach der Bundesverfassung sind alle innern Fragen der Einzelstaaten, zu denen die Sclaverei unbedingt gehört, der eigenen Entscheidung derselben überlassen. Sollte diese Bestimmung aufgehoben werden, so müßten erstens zwei Drittheile beider Häuser des Congresses, zweitens drei Viertheile der Landtage der Einzelstaaten dafür stimmen. Nun stehen die Sclavenstaaten gegen die freien wie funfzehn zu achtzehn und können folglich jede Verfassungsveränderung verhindern, die ihnen nicht genehm ist.