Notiz über das Vorkommen von Eurypterus Scouleri im Niederschlesischen Steinkohlengebirge
Schon im Jahre 1866 erhielt ich mit einer Sammlung von Pflanzenabdrücken aus dem Steinkohlengebirge der Rubengrube bei Neurode in der Grafschaft Glatz einen auf einer 1½ Quardratfuss grossen Sandsteinplatte in sehr verdrückter und undeutlicher Erhaltung ausgebreitet liegenden grossen thierischen Körper, der bei näherer Prüfung die eigenthümliche, aus zerstreuten Schüppchen bestehende Sculptur der Schalenoberfläche, wie sie für die Gattung Eurypterus und verwandte Geschlechter so bezeichnend ist, erkennen liess. Ein zweites Exemplar desselben Thieres kam mir in diesem Jahre durch Herrn Obersteiger Völkel in Kohlendorf bei Neurode, einen eifrigen Sammler, dem man schon die Auffindung verschiedener neuer Vorkommen von Petrefacten und Mineralien in der Grafschaft Glatz verdankt, mit einer Reihe von pflanzlichen Versteinerungen von demselben Fundorte zu. Die Erhaltungsart ist derjenigen des ersteren Exemplars ganz gleich und offenbar rühren beide genau aus derselben Schicht des Steinkohlengebirges her. In gleicher Weise liegt dasselbe auf der Oberfläche einer zolldicken Platte von feinkörnigem, dunkelgrauem Sandstein ausgebreitet, auf welcher zugleich Blätter verschiedener bekannter Farnkraut-Arten, wie namentlich Neuropteris auriculata und Alethopteris lonchitica liegen. Bei beiden Exemplaren ist es ferner nur die papierdünne schwarzglänzende äussere Schalschicht des Kopfschildes und des Rumpfes und einzelner Glieder der Bewegungsorgane, welche sich erhalten hat.
Obgleich der Erhaltungszustand beider Exemplare sehr unvollkommen ist, so gewann ich bei dem Erscheinen des vierten Theils von Woodward’s Monographie der Merostomata in dem jüngsten Bande der Palaeontographischen Gesellschaft[1], [563] welcher die Beschreibung und Abbildung von Eurypterus Scouleri aus einer Kalkschicht des Steinkohlengebirges von Burdie House bei Edinburg enthält, doch sogleich die Ueberzeugung, dass mit dieser Art des schottischen Steinkohlengebirges das schlesische Fossil identisch oder doch sehr nahe verwandt sein müsse. Die nähere Vergleichung hat in dieser Ueberzeugung noch mehr bestärkt. Die Uebereinstimmung tritt namentlich in der Stellung und Form der beiden Augen auf der Mitte des Kopfschildes und einer zwischen beiden Augen liegenden mittleren Erhabenheit, wie sie bei dem einen der beiden Exemplare deutlich erhalten sind, sowie auch in der auf allen Theilen der äusseren Schalschicht erkennbaren, aus sehr spitzwinkligen Schüppchen bestehenden Sculptur mit Bestimmtheit hervor. Der nachstehende Holzschnitt giebt die Stellung der Augen und der mittleren Erhabenheit nach einem Guttapercha-Abgusse des vorliegenden Hohldruckes wieder.
[564] Der Aussenrand des Kopfschildes ist nicht deutlich erkennbar und in der Zeichnung nach den Figuren der englischen Exemplare ergänzt. Der Verlauf des Hinterrandes des Kopfschildes ist dagegen zum Theil als eine fein crenelirte Linie von gleicher Beschaffenheit wie sie Woodward (a. a. O. t. 26. f. 2. u. 3.) am Hinterrande der Rumpfsegmente zeichnet, zu unterscheiden.
Fig. 3. | Fig. 2. |
Der nach Woodward aus zwölf Segmenten bestehende Rumpf des Thieres ist bei beiden vorliegenden schlesischen Exemplaren durch Quetschung durchaus unkenntlich geworden. Dagegen haben sich Fragmente der Bewegungsorgane erhalten, während sich solche an den schottischen Exemplaren bisher nicht haben nachweisen lassen. Es sind Endglieder der Füsse. Eins derselben (vergl. Fig. 2) ist am Ende zweitheilig. Ein anderes kleineres (vergl. Fig. 3) scheint das bewegliche Endglied einer Scheere zu sein. Es ist leicht gekrümmt und an dem concaven Rande mit einigen kleinen Zähnchen besetzt. Beide Endglieder zeigen in ausgezeichneter Weise die für die ganze Schalenbedeckung des Thieres so bezeichnende aus spitzwinkeligen Schüppchen bestehende Sculptur der Oberfläche und ihre Zugehörigkeit zu demselben Thiere, von welchem das Kopfschild herrührt, kann daher, da sie auch neben dem letzteren auf derselben Gesteinsplatte liegen, nicht zweifelhaft sein. Die Form dieser beiden Endglieder passt übrigens nicht zu der bei den übrigen Arten der Gattung Eurypterus bekannten Form der Bewegungs-Organe, wie sie Woodward in der hypothetisch ergänzten Zeichnung (vergl a. a. O. p. 139) der ganzen Körperform des Eurypterus Scouleri diesem zuschreibt. Da nun auch die genäherte Stellung der Augen und die zwischen ihnen befindliche Erhabenheit, welche vielleicht von Nebenaugen (stemmata) herrührt, bei keiner anderen Art [565] von Eurypterus bekannt ist, so wird es sehr wahrscheinlich, dass das Fossil nicht der Gattung Eurypterus angehört. In diesem Falle müsste die alte Benennung Eidothea, unter welcher Scouler das schottische Fossil schon 1831 beschrieben hat, wiederhergestellt werden. Die Auffindung vollständigerer Exemplare in der Rubengrube[WS 1] wird übrigens hoffentlich bald weitere Aufklärung über das merkwürdige Thier bringen, welches schon durch die bedeutende, gegen zwei Fuss betragende Grösse unter den wenigen aus dem deutschen Steinkohlengebirge bisher bekannten Gliederthieren sich auszeichnet und ausserdem durch den Umstand, dass es das jüngste Glied der in den obersten silurischen Schichten in bedeutender Formenmannichfaltigkeit entwickelten Familie der Eurypteriden darstellt, ein besonderes palaeontologisches Interesse in Anspruch nimmt.
Anmerkungen (Wikisource)
- ↑ Vorlage: Rabengrube