Oberappellationsgericht München – Aufbewahrung von Nachbier

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Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1875, Nr. 45, Seite 576–578
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Kurzbeschreibung: Befugnis der Gemeindeverwaltungen zum Erlass ortspolizeilicher Vorschriften
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[576]

Mittheilung eines oberstrichterlichen Erkenntnisses.

Der Bierbrauer A. M. von G. wurde durch Urtheil des k. Stadt- und Landgerichtes I. vom 20. Juli 1875 wegen Uebertretung in Bezug auf Leben und Gesundheit zu einer Geldstrafe von 1 Thlr., im Falle der Uneinbringlichkeit zu 1 Tag Haft, sowie zur Tragung der Kosten des Verfahrens und Strafvollzugs verurtheilt, auf seine Berufung jedoch vom k. Bezirksgerichte A. durch Urtheil vom 19. August l. Js. unter Ueberbürdung der Kosten I. und II. Instanz auf das k. Aerar freigesprochen.

Gegen letzteres Urtheil erhob der k. Staatsanwalt die Nichtigkeitsbeschwerde und wurde darauf das Urtheil des k. Bez.-Gerichtes A. vom 19. August 1875 durch oberstrichterliches Erkenntniß vom 27. Sept. l. Js. vernichtet, die Sache zur wiederholten Verhandlung und Entscheidung an einen andern Senat des k. Bez.-Gerichts A. verwiesen und die Eintragung des oberstrichterlichen Erkenntnisses in das bezirksgerichtliche Urtheilsbuch verordnet.

In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt:

Thatsächlich steht fest, daß der Gemeindeausschuß von G. zu Art. 75 Abs. 1 des P.-St.-G.-B. am 15. Juli 1874 eine von der k. Regierung von O. unterm 9. August dess. J. für vollziehbar erklärte ortspolizeiliche Vorschrift erlassen und verkündet hat, wodurch den dortigen schenkberechtigten Bräuern und Wirthen bei Strafe untersagt wurde, in ihren Schenklokalitäten sogenanntes Nachbier aufzubewahren. Es ist ferner unbestritten, daß der Bierbrauer A. M. in G. diesem Verbote zuwider in seinem Schenklokale außer dem an die Gäste zu verabreichenden Sommerbier auch Nachbier aufbewahrt hat.

Das k. Bezirksgericht A. geht in seinem freisprechenden Erkenntnisse zunächst von der Annahme aus, die gemeinsame Lagerung von Schenk- und Nachbier sei niemals geeignet, auf die menschliche Gesundheit einen nachtheiligen Einfluß zu üben und es könne somit die besagte Vorschrift der Ortspolizeibehörde unmöglich die Abwendung einer Gefahr für die Gesundheit bezielen, weshalb dieselbe mit Rücksicht auf den im Art. 75 des P.-St.-G.-B. ausgesprochenen Zweck des Gesetzes keinen Anspruch auf Giltigkeit habe.

Allein mit der Frage, ob die gemeinsame Lagerung von Schenk- und Nachbier in den Bierschenklokalen mit Gefahr für die Gesundheit verbunden sei, haben sich die Gerichte Angesichts der Bestimmung in Art. 15 des P.-St.-G.-B. nicht zu befassen, weil dieselbe mit der Frage über die Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit [577] der ergangenen ortspolizeilichen Vorschrift im innigsten Zusammenhange steht, indem die Verneinung der ersteren implicite den Ausspruch in sich schließt, daß zum Erlaß der ergangenen ortspolizeilichen Vorschrift kein Anlaß bestanden habe, dieselbe sohin unnöthig erscheine.

Ueber die Nothwendigkeit und Zweckmäßigkeit der in Rede stehenden ortspolizeilichen Vorschrift haben vielmehr die Verwaltungsbehörden zu entscheiden, wie denn auch den Betheiligten, so ferne dieselben durch die gedachte Vorschrift sich für beschwert erachten, im Art. 14 des P.-St.-G.-B. das Recht eingeräumt ist, lediglich bei den Verwaltungsstellen im gesetzlichen Instanzenzuge Abhilfe zu suchen. Demnach kann auch alles dasjenige, was von Seite des bevollmächtigten Vertreters des A. M. in den vorliegenden Vertheidigungsschriften darüber vorgebracht wurde, daß die gemeinsame Lagerung von Schenk- und Nachbier auf die Gesundheit einflußlos sei, von dem Richteramte nicht berücksichtigt werden.

Insoferne aber das k. Bezirksgericht A. der Ansicht der Vertheidigung folgend behauptet, daß die ortspolizeiliche Vorschrift vom 15. Juli 1874 nicht auf Verhütung einer Gefahr für die Gesundheit gerichtet sei, beruht diese Aufstellung auf einer willkührlichen Annahme, welche ihre Wiederlegung darin findet, daß besagte Vorschrift ausdrücklich zu Art. 75 Abs. 1 des P.-St.-G.-B. erlassen wurde, diese Gesetzesstelle aber gerade solche Anordnungen im Auge hat, welche die Verhütung von Gefahren für die Gesundheit in Bezug auf die Aufbewahrung von Nahrungsmitteln etc. bezielen.

Nachdem die erwähnte Vorschrift auf den allegirten Art. 75 Abs. 1 sich stützt und die Gemeindeverwaltung G. hienach und im Hinblick auf Art. 1 und 3 des P.-St.-G.-B. zum Erlaß derselben ermächtigt war, so erscheint der Vorwurf, als liege hier ein gesetzwidriges Verfahren der Polizeigewalt in Mitte, völlig grundlos.

Das Bezirksgericht glaubt sodann im Anschluß an die Vertheidigung, die erlassene Vorschrift habe den Versuch einer Uebertretung im Sinne des § 367 Ziff. 7 des R.-St.-G.-B. mit Strafe bedroht, was mit § 43 ibid. insoferne in Widerspruch stehe, als der bloße Versuch einer Uebertretung vom Gesetze nicht als strafbar erklärt sei.

Allein dieser Aufstellung steht vor allem der Umstand entgegen, daß Art. 75 Abs. 1 des P.-St.-G.-B., welcher der ortspolizeilichen Vorschrift zur Grundlage dient, von seinen Bestimmungen [578] die Fälle des § 367 Ziff. 7 des R.-St.-G.-B. ausdrücklich ausgenommen hat und es läßt sich schon in Anbetracht dessen nicht annehmen, daß die gedachte Vorschrift mit Zusatzbestimmungen zu dem allegirten § 367 Ziff. 7 sich befaßt habe.

In der That macht auch dieselbe weder von der Mischung des Schenk- und Nachbieres noch von dem Verkauf oder der Feilhaltung verfälschten oder verdorbenen Bieres irgend eine Erwähnung, sondern hat sich darauf beschränkt, die gemeinsame Lagerung (Aufbewahrung) von Schenk- und Nachbier zu untersagen und es fehlen daher alle thatsächlichen Anhaltspunkte für die Annahme, daß durch die erwähnte ortspolizeiliche Vorschrift in Bezug auf die im § 367 Ziff. 7 des R.-St.-G.-B. vorgesehene Uebertretung eine Versuchsstrafe statuirt worden sei.

Hat aber die Vorschrift vom 15. Juli 1874 die Bestimmungen des § 367 Ziff. 7 a. a. O. wie gezeigt, unberührt gelassen, dagegen in der gemeinsamen Aufbewahrung von Schenk- und Nachbier eine Gefahr für die Gesundheit erblickt, so läßt sich die Befugniß der Gemeindeverwaltung G. zum Erlaß der bezeichneten ortspolizeilichen Vorschrift mit Grund nicht beanstanden.