Oberappellationsgericht München – Ausschank im Lagerkeller

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Autor: Oberappellationsgericht München
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Titel: Mittheilung oberstrichterlicher Erkenntnisse
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1875, Nr. 45, Seite 585–589
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Kurzbeschreibung: Nicht genehmigter Bierausschank durch Dritte
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[585]

Einem oberstrichterlichen Erkenntnisse vom 20. August 1875 ist Folgendes zu entnehmen:

Die Reichsgewerbeordnung bestimmt im § 33, daß derjenige, welcher Gastwirthschaft, Schankwirthschaft oder Kleinhandel mit Branntwein oder Spiritus betreiben wolle, hiezu der Erlaubniß bedürfe.

Das Reichsgesetz vom 12. Juni 1872 über die Einführung der Reichsgewerbeordnung in Bayern gestattet im § 1 Abs. 2 von diesem Grundsatze eine Ausnahme dahin, daß es für den Betrieb der genannten Wirthschaftsgewerbe einer polizeilichen Erlaubniß auch in der Folge nicht bedürfe, in so weit dieser Betrieb bisher in Bayern ohne polizeiliche Erlaubniß statthaft war. [586]

Diese Statthaftigkeit bestand in Bayern nach dem Gewerbs-Gesetze vom 30. Januar 1868 Art. 9 lit. b. Ziff. 1 unter Anderm für den Ausschank des eigenen Erzeugnisses der Brauer in einem hiefür bezeichneten Lokale und auf ihren Lagerkellern.

Bierbrauer G. in E., Bezirksamts B, besitzt in der Nähe von E. einen Lagerkeller mit Kellerhaus, auf welchem ihm demgemäß der Ausschank seines Lagerbieres ohne besondere polizeiliche Bewilligung als Ausfluß seines Brauereigewerbes zustand. Er begnügte sich jedoch mit dieser annexen Gewerbsbefugniß nicht, sondern stellte am 16. Oktober 1874, nachdem sein Kellerhaus auch mit Zimmern und einer Küche eingerichtet war, an das k. Bezirksamt B. das Gesuch um polizeiliche Bewilligung zur Ausübung einer selbstständigen Bierwirthschaft auf seinem Lagerkeller.

Dieses Gesuch wurde durch Beschluß des k. Bezirksamtes B. vom 5. November 1874 und auf eingelegte Berufung dagegen durch Beschluß der k. Regierung, Kammer des Innern, vom 22. Februar 1875 abgewiesen, welche Abweisung damit motivirt ist, daß die Beschaffenheit des Lokales als den polizeilichen Anforderungen zum selbstständigen Betriebe einer Schenkwirthschaft genügend im Sinne des § 33 Abs. 2 Ziff. 2 der Reichsgewerbeordnung nicht erkannt werden könne, – überdieß die Verhältnisse auch der Art gestaltet seien, das Brauer G. das nachgesuchte Wirthschaftsgewerbe nicht persönlich zu betreiben in der Lage sei und, den Bestimmungen der Gewerbeordnung entgegen, dasselbe zu verpachten beabsichtige.

Im Absatze 2 Ziff. 2 des § 33 der R.-G.-O. ist nemlich bestimmt, daß die Erlaubniß zum Betriebe eines Wirthschaftsgewerbes dann versagt werden soll, wenn das zum Betriebe bestimmte Lokal wegen seiner Beschaffenheit oder Lage den polizeilichen Anforderungen nicht genüge.

Brauer G. schritt nun ungeachtet der ihm versagten Erlaubniß zur Ausübung der beabsichtigten Bierwirthschaft mittels eines Stellvertreters in der Person eines gewissen H., was zur Folge hatte, daß ihm auf bezirksamtliche Anordnung am 15. Januar 1875 die Wirthschaftsausübung durch die Gemeindeverwaltung E. eingestellt wurde.

Am 9. April 1875 wurde durch die Gendarmerie zur Anzeige gebracht, daß Brauer E. am Ostermontag den 29. März 1875 durch besagten H. in seinem Kellerhause wieder Bierausschank betrieben habe und es erfolgte unterm 16. Juni 1875 gegen ihn [587] eine Strafverhandlung bei dem k. Landgerichte M. und dessen Verurtheilung in eine Geldstrafe von 12 Thalern eventuell 12tägige Haft und in die Kosten auf Grund des § 147 Ziff. 1 der R.-G.-O., welche Gesetzesvorschrift denjenigen mit Geldstrafe bis zu 100 Thalern und im Unvermögensfalle mit Haft bedroht, wer den selbstständigen Betrieb eines stehenden Gewerbes, zu dessen Beginn eine besondere polizeiliche Genehmigung erforderlich ist, ohne die vorschriftsmäßige Genehmigung unternimmt oder fortsetzt.

Die von Brauer G. gegen das landgerichtliche Urtheil erhobene Berufung wurde durch Urtheil des k. Bezirksgerichts S. vom 12. Juli 1875 verworfen.

Das k. Bezirksgericht fand den Thatbestand der fraglichen Uebertretung in der thatsächlichen Feststellung, „daß mit Wissen und Willen des Brauers G. am Ostermontage 1875 in seinem Kellerhause bei E., auf welchem ihm die Ausübung einer Bierwirthschaft nicht bewilligt wurde, durch den auf demselben wohnenden Metzger H. Gäste gesetzt wurden und das Bier in Fäßchen aus dem Bräuhause dahin verbracht worden ist.“ Zugleich geht aus diesem Urtheile hervor, daß Brauer G. bereits unterm 19. Januar 1875 wegen des gleichen Reates zu einer Geldstrafe von 6 Thalern rechtskräftig verurtheilt worden ist.

Unterm 14. Juli 1875 meldete G. Nichtigkeitsbeschwerde gegen das bezirksgerichtliche Urtheil an.

Die oberstrichterliche Prüfung der Sache hat Folgendes ergeben.

Im Hinblick auf die Vorschriften in § 53 Abs. 2, § 54, § 21 der R.-G.-O., § 1 Abs. 3 des Reichseinführungsgesetzes hiezu und § 18 der bayr. Vollz.-Verord. zur R.-G.-O. vom 4. Dezember 1872 unterliegt es keinem Zweifel, daß durch die zuständigen Verwaltungsbehörden dem Brauer G. auf dessen Lagerkeller bei E. nicht nur die Ausübung eines selbstständigen Wirthschaftsgewerbes versagt, sondern „wegen ungeeignet befundener Beschaffenheit und Lage der betreffenden Lokalität“ sogar die Ausübung jener Ausschankbefugniß untersagt werden konnte, welche einem Brauer auf seinem Lagerleiter als Ausfluß seines Brauereigewerbes ohne besondere Erlaubniß zusteht.

Ebenso wenig unterliegt es aber auch einem Zweifel, daß das dem gegenwärtigen Strafverfahren vorgängige Administrativverfahren nicht die Untersagung der letzterwähnten dem Brauer [588] G. zustehenden Ausschankbefugniß zu ihrem Gegenstande hatte, sondern nur die Versagung des von ihm nachgesuchten selbstständigen Bierwirthschaftsbetriebes auf seinem Lagerkeller, und daß die Verwaltungsbehörden nach dem ausdrücklichen klaren Inhalte des Regierungsbeschlusses vom 22. Februar 1875 die Ungeeignetheit der betreffenden Wirthschaftslokalitäten nur mit Bezug auf den beabsichtigten Betrieb einer selbstständigen Schankwirthschaft in Erwägung zogen, an welchen sehr begreiflich höhere polizeiliche Anforderungen gestellt werden müssen, als an jenen Bierausschanksbetrieb, welcher von den Brauern nur vorübergehend in den Sommermonaten auf ihren Lagerkellern unternommen wird.

Die Frage der Strafbarkeit des vorliegenden Falles knüpft daher allerdings daran, ob in der von den Instanzen-Gerichten festgestellten Handlungsweise des Beschuldigten nur ein demselben ohne Erlaubniß zustehender und nicht untersagter Bierausschank als Ausfluß des Brauereigewerbes zu erkennen sei, oder der Beginn beziehungsweise die Fortsetzung des von ihm beabsichtigten selbstständigen Wirthschaftsbetriebes auf seinem Lagerkeller, wozu ihm die besondere polizeiliche Erlaubniß nothwendig wäre und versagt wurde.

Diese Frage kann aber nur zum Nachtheile des Beschuldigten beantwortet werden, denn die thatsächliche Feststellung läßt deutlich genug erkennen, nicht nur, daß die Thatrichter dabei seine Zuwiderhandlung gegen die polizeiliche Versagung und Einstellung eines selbstständigen Wirthschaftsbetriebes auf dem Lagerkeller im Auge hatten, sondern auch, daß nur diese Zuwiderhandlung und nicht eine erlaubte Ausschankbefugniß des Brauers allen Umständen nach gegeben ist.

Im erstrichterlichen Urtheile ist als feststehend erklärt, daß G. den fraglichen Ausschank in fortgesetzter Ausübung der ihm versagten Bierschenke, ungeachtet bereits erlittener Bestrafung, förmlich zum Trotze neuerdings durch einen gewissen H. ausüben ließ; im zweitrichterlichen Urtheile ist auf diese Feststellung Bezug genommen und des Weiteren angeführt, daß das Bier aus dem Bräuhause in Fäßchen geholt wurde, – während bekanntlich der Ausschank auf den Lagerkellern nach dem Zwecke der hiefür eingeräumten Gewerbsbefugniß den Verschleiß des in den Kellern gelagerten Bieres erleichtern soll; – und in beiden Urtheilen ist ein solcher Zeitpunkt des fraglichen Ausschankes (Ostermontag 29. März 1875) festgestellt, in welchem früheren polizeilichen Anordnungen zufolge ein Bierausschank auf den Lagerkellern noch gar nicht beginnen dürfte, und auch gegenwärtig auf Lagerkellern – [589] soferne nicht selbstständige Wirthschaftsbefugnisse damit verbunden sind – in der Regel nicht begonnen wird.

Demgemäß ist auf die festgestellten Thatsachen, deren Verrückung vor dem Kassationshofe vergeblich versucht wird, das Gesetz mittels Bestrafung des Beschuldigten nach § 147 Ziff. 1 R.-G.-O. richtig angewendet worden.