Oberlandesgericht München – Öffentliche Gesundheitspflege

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Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 29. September 1885
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1885, Nr. 35, Seite 314–316
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Kurzbeschreibung: Den Auflagen zur Beseitigung unhaltbarer hygienischer Verhältnisse ist unbedingt Folge zu leisten
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Auszug aus einem Urtheile des k. Oberlandesgerichts München vom 29. September 1885.

Nach der Feststellung der Ferienstrafkammer wurden durch Beschluß des Magistrats der Stadt Bamberg vom 23. August v. Js. die Privatierseheleute Jakob und Kunigunde H. von da im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege beauftragt, im Hofraum ihres gemeinschaftlichen häuslichen Anwesens zur Beseitigung des daselbst herrschenden gesundheitswidrigen Zustandes eine gepflasterte Rinne mit einem gemauerten Sickerloch herzustellen. Obwohl dieser Beschluß den Eheleuten H. mehrmals eröffnet und überdies Jakob H. unterm 29. Oktober v. Js. zur Befolgung desselben binnen 14 Tagen bei Strafandrohung aufgefordert wurde, kamen die ebengenannten Eheleute dem Auftrage nicht nach. Vielmehr erklärte Kunigunde H., welche bei der Gebrechlichkeit ihres inzwischen verstorbenen Ehemannes das ganze Hauswesen und alle Geschäfte desselben besorgte, am 9. Februar ds. Js. der Polizeibehörde gegenüber, daß sie weder an der ihrerseits hergestellten, jedoch nicht als genügend erachteten hölzernen Rinne noch an dem das Abfallwasser aufnehmenden Sickerloch irgendwelche Veränderung vornehmen werde.

Auf Grund dieser Feststellungen wurde Kunigunde H. vom Schöffengericht wegen einer Uebertretung nach Art. 73 des Pol.-Str.-Ges.-B. in eine Geldstrafe von 10 Mark verurtheilt und der Polizeibehörde das Recht eingeräumt, den ordnungswidrigen Zustand zu beseitigen.

Die von der Angeklagten hiegegen eingelegte Berufung wurde verworfen, wobei das Berufungsgericht den erstrichterlichen Schuldausspruch um deswillen für gerechtfertigt erklärte, weil Kunigunde H. trotz mehrfacher, richtig geschehener Aufforderung die Befolgung des magistratischen Auftrags vom 23. August v. Js., welcher sich als eine innerhalb der verwaltungsrechtlichen Zuständigkeit des Stadtmagistrates Bamberg erlassene, durch den gesundheitswidrigen Zustand im Hofraume der Angeklagten veranlaßte distriktspolizeiliche Anordnung im Sinne des Art. 73 des Pol.-Str.-Ges.-B. darstelle, verweigert habe. Dem gegenüber rügt die Revision der Angeklagten die Verletzung der Art. 4 Abs. 2. Art. 5, 15 und 73 des Pol.-Str.-Ges.-B., dann der Art. 93 und 94 der Gemeindeordnung für die Landestheile diesseits des Rheins. Die Revision ist jedoch nicht begründet.

Nach Art. 73 Abs. 1 des Pol.-Str.-Ges.-B. wird an Geld bis zu 45 Mark gestraft, wer den Verordnungen, ober- oder ortspolizeilichen Vorschriften oder in Ermangelung der letzteren den distriktspolizeilichen Anordnungen über Anlage, Einrichtung oder Abänderung, sowie über Entleerung und bauliche Instandhaltung von [315] Abtritten, Dung- und Versitzgruben in Wohngebäuden oder in unmittelbarer Nähe von Wohnungen, Brunnen oder Brunnquellen zuwiderhandelt, und gemäß Abs. 3 hat der Richter in diesem Falle zu erkennen, daß die Polizeibehörde berechtigt ist, die Beseitigung des ordnungswidrigen Zustandes zu verfügen. Hiezu bestimmt die kgl. Verordnung vom 19. September 1881, die allgemeine Bauordnung betr., (Ges.- u. Verordn.-Blatt S. 1241) in §§. 6 Abs. 1 und 61 Abs. 2, daß zur Herstellung von Abtritten, Dung- und Versitzgruben baupolizeiliche Genehmigung zu erholen ist, und Dung-und Versitzgruben unter allen Umständen mindestens 1 Meter von den Umfassungsmauern bewohnter Gebäude entfernt hergestellt werden müssen, während sie in §. 61 Abs. 1 im Uebrigen für die Anlage, Einrichtung oder Abänderung, sowie für die Entleerung und bauliche Instandhaltung von Abtritten, Dung- und Versitzgruben in Wohngebäuden oder in unmittelbarer Nähe von Wohnungen, Brunnen oder Brunnquellen die auf Grund des Art. 73 Abs. 1 des Pol.-Str.-Ges.-B. erlassenen oder künftig ergehenden Vorschriften für maßgebend erklärt. Zum Vollzuge der ebenerwähnten Gesetzesbestimmung wurden denn auch vom Magistrate der Stadt Bamberg am 26. Oktober 1883 ortspolizeiliche Vorschriften erlassen, welche in §. 15 Ziff. 4 bestimmen, daß Versitzgruben mit massivem Mauerwerk 0,30 Meter stark aus wetterbeständigem Material herzustellen sind und dieses in wasserdichtem Zustande zu erhalten ist. Außerdem enthält der §. 22 die Vorschrift, daß bereits bestehende Versitzgruben bei sich ergebenden Mißständen auf Anordnung des Stadtmagistrats nach den vorstehenden Bestimmungen und innerhalb der für den einzelnen Fall vorgesetzten Frist abgeändert werden müssen. Diese ortspolizeilichen Vorschriften, gegen deren gesetzliche Giltigkeit, nachdem sie auch durch Entschließung der k. Regierung von Oberfranken, Kammer des Innern, vom 14. Dezember 1883 für vollziehbar erklärt und in Nr. 1 des Bamberger Intelligenzblattes vom 1. Januar 1884 veröffentlicht worden sind, kein Zweifel besteht, haben die Eigenschaft von Ergänzungsvorschriften zu Art. 73 des Pol.-Str.-Ges.-B., und fällt daher ihre Nichtbeachtung unter die Strafbestimmung desselben.

Da nun nach der Feststellung des Berufungsgerichts im Hofraum des H.’schen Wohnhauses ein zur Aufnahme von Abfallwasser dienendes, nicht gemauertes Sickerloch, sohin eine Versitzgrube sich befand, durch welche in Folge ihrer Beschaffenheit ein gesundheitswidriger Zustand in diesem Hofraume herbeigeführt wurde, so war der Stadtmagistrat Bamberg auf Grund der §. 15 Ziff. 4 und 22 der vorerwähnten ortspolizeilichen Vorschriften berechtigt, im Interesse der öffentlichen Gesundheitspflege den Eheleuten H. als den Eigenthümern des Hofraumes den Auftrag zu ertheilen, innerhalb einer bestimmten Frist die Versitzgrube, nachdem dieselbe in dem zum Wohnhause [316] dieser Eheleute gehörigen Hofraume, also auch in unmittelbarer Nähe von Wohnungen gelegen ist, dahin abzuändern, daß sie mit einem Mauerwerk versehen werde. Ebenso war der Magistrat befugt, damit den Auftrag zu verbinden, daß auch die daselbst befindliche Rinne gepflastert werde, da diese, weil durch sie das Abfallwasser in die Versitzgrube geleitet wird, einen nothwendigen Bestandtheil der Letzteren bildet, und ohne diese Anordnung der vom Gesetze beabsichtigte Zweck der Beseitigung des gesundheitswidrigen Zustands nicht vollständig erreicht werden würde.

Der diesen Auftrag enthaltende magistratische Beschluß vom 23. August v. Js. stellt sich sonach nicht als eine unmittelbar auf den Art. 73 des Pol.-Str.-Ges.-B. sich stützende distriktspolizeiliche Anordnung, sondern lediglich als eine die Vollziehung der ortspolizeilichen Vorschriften vom 26. Oktober 1883 bezielende Verfügung dar, womit die Einwendungen der Revision, daß nach dem ebengenannten Art. 73 im vorliegenden Falle die Erlassung einer distriktspolizeilichen Anordnung nicht zulässig gewesen sei, und jedenfalls der Beschluß vom 23. August v. Js., weil er nur an einzelne Personen und nicht auf Grund kollegialer Berathung ergangen sei, nicht als eine solche erachtet werden könne, hinfällig werden.

Die Eheleute H. waren aber auch verpflichtet, dem ihnen vom Stadtmagistrat Bamberg am 23. August 1884 ertheilten Auftrag innerhalb der festgesetzten Frist nachzukommen und bildet die Nichtbefolgung dieses auf Grund der ortspolizeilichen Vorschriften vom 26. Oktober v. Js. ergangenen Auftrags eine Uebertretung nach Art. 73 des Pol.-Str.-Ges.-B. In der Revision wird zwar geltend gemacht, für diese Übertretung könne keinesfalls die Kunigunde H. verantwortlich gemacht werden, da diese nicht der Hausherr gewesen sei, sondern nur die Hausverwaltung in dessen Namen und Auftrag geführt habe. Allein nach der Feststellung der Instanzgerichte war die mit ihrem Ehemanne in Gütergemeinschaft lebende Kunigunde W. Miteigentümerin des fraglichen Wohnhauses mit Hofraum und besorgte wegen Krankheit und Gebrechlichkeit ihres Ehemannes die ganze Verwaltung des Hauses selbständig, wie denn auch nach diesen Feststellungen die als nicht genügend erachtete hölzerne Rinne von ihr hergestellt wurde, und sie am 9. Februar d. Js. vor der Polizeibehörde erklärte, daß sie weder an dieser Rinne noch an dem Sickerloch irgend welche Veränderung vornehmen werde. Deshalb wurde Kunigunde H. von der Ferienstrafkammer mit Recht für die Nichtbefolgung des magistratischen Auftrags strafrechtlich haftbar erklärt.