Oberlandesgericht München – Eichung von Bierfässern

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Autor: Oberlandesgericht München
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Titel: Mittheilung eines Urtheils des k. Oberlandesgerichtes München
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aus: Amtsblatt des K. Staatsministeriums des Innern, Königreich Bayern, Band 1882, Nr. 10, Seite 95–99
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Kurzbeschreibung: Die Eichung von Hohlmaßen im geschäftlichen Verkehr ist eine ausschließlich hoheitliche Aufgabe
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Mittheilung eines Urtheils des k. Oberlandesgerichtes München.

Das k. Oberlandesgericht München erkannte unter’m 23. Februar 1882 in der Sache der Bierbrauereibesitzer G. W., M. R., B. N., J. K. und J. U., sämmtlich in N., wegen Uebertretung der Kontrolvorschriften über Biereinfuhr zu Recht:

Die Revisionen des G. W., des M. R., der B. N., des J. K. und des J. U. gegen das Urtheil der Strafkammer des k. Landgerichtes N. vom 29. November 1881 werden unter Verurtheilung eines jeden der Beschwerdeführer in die durch seine Revision veranlaßten Kosten verworfen.
Gründe

Die Bierbrauereibesitzer G. W., M. R., B. N., J. K. und J. U., sämmtlich in N., wurden am 6. September 1881 von dem Schöffengerichte bei dem k. Amtsgerichte A. wegen Uebertretung der Vorschriften über die Biereinfuhr in A. in Geldstrafen, und zwar W. und U. je in 15 Mark, N. in 14 Mark, K. in 12 Mark und R. in 5 Mark, welche Geldstrafen für den Fall der Uneinbringlichkeit in Haftstrafen von je einem Tage umgewandelt wurden, sowie jeder zur Tragung der ihn treffenden Kosten des Verfahrens und des Strafvollzugs verurtheilt. [96]

Gegen dieses Urtheil ergriffen sowohl der Amtsanwalt als die Angeklagten die Berufung; allein von der Strafkammer des k. Landgerichtes T. wurden die beiderseitigen Berufungen am 29. November 1881 verworfen und dabei die Angeklagten in die durch ihre Berufungen veranlaßten Kosten verurtheilt, während jene der Berufung des Amtsanwaltes der k. Staatskasse überbürdet wurden.

Von dem Vertheidiger der Angeklagten wurde gegen das landgerichtliche Urtheil rechtzeitig Revision eingelegt und dieselbe rechtzeitig unter dem Antrage, das angefochtene Urtheil aufzuheben und die Angeklagten unter Ueberbürdung der Kosten auf die Staatskasse freizusprechen, damit begründet, daß von der Strafkammer Art. 86 des Malzaufschlaggesetzes vom 16. Mai 1868, Art. 41 der Gemeindeordnung unrichtig angewendet und die Bestimmungen der Eichordnung, insbesondere des Reichsgesetzes vom 26. November 1871 und der bayerischen Maß- und Gewichtsordnung vom 29. April 1869, sowie Art. 12 des bayerischen Polizeistrafgesetzbuches durch Anwendung der ortspolizeilichen Vorschrift der Gemeinde A. vom 12. Mai 1881 verletzt seien.

In der heutigen öffentlichen Sitzung stellte der oberlandesgerichtliche k. Staatsanwalt den Antrag, die Revisionen der Angeklagten zu verwerfen unter Verurtheilung eines jeden der Beschwerdeführer in die durch seine Revision veranlaßten Kosten.

Die Prüfung der Sache ergibt Folgendes:

Nach den thatsächlichen Feststellungen des landgerichtlichen und des in demselben in Bezug genommenen schöffengerichtlichen Urtheiles wurde von den Angeklagten im August 1881 nach A. Bier in Fässern eingeführt und zwar von G. W. am 11. in 17 Fässern, von M. R. am 10. in 6 Fässern, von B. N. am 11. in 16 Fässern, von J. K. am 21. in 14 Fässern und von J. U. am 20. in 17 Fässern, welche Fässer entgegen der den Angeklagten bekannten, von der Verwaltung der Marktgemeinde A. zur Kontrole und Sicherung des dieser Gemeinde am 20. April 1864 bewilligten Lokalmalzaufschlages erlassenen ortspolizeilichen Vorschrift vom 12. Mai 1881, die dahin geht: „Zur Einfuhr von Bier dürfen nur Fässer verwendet werden, welche mit dem Stempel einer organisirten gemeindlichen Faßeichanstalt oder eines Verifikators versehen sind“, weder mit dem Stempel einer solchen Anstalt noch mit dem eines Verifikators versehen waren.

Auf Grund dieser Thatsachen und der ebenbezeichneten vom Gemeinde-Ausschusse erlassenen ortspolizeilichen Vorschrift, welche durch Regierungsentschließung vom 7. Juni 1881 für vollziehbar erklärt und vorschriftgemäß bekannt gemacht wurde, hat die Strafkammer, indem sie in Uebereinstimmung mit dem Schöffengerichte [97] jeden der Angeklagten einer durch Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift begangenen, nach Art. 86 des Malzaufschlaggesetzes strafbaren Uebertretung schuldig fand, die Berufungen der Angeklagten gegen das erstrichterliche Urtheil verworfen.

Hierdurch sollen nach der Ausführung der erhobenen Revisionen der Art. 41 der Gemeindeordnung, der Art. 86 des Malzaufschlaggesetzes, die Bestimmungen der Reichs-Maß- und Gewichtsordnung und des Art. 12 der bayerischen Maß- und Gewichtsordnung vom 29. April 1869, dann der Art. 12 des Polizeistrafgesetzbuches verletzt sein, weil die Gemeindeverwaltung A. bei Erlassung der ortspolizeilichen Vorschrift vom 12. Mai 1881 ihre Zuständigkeit überschritten und in den freien Gewerbsbetrieb sowie in die gesetzlichen Eichvorschriften, durch welche den Bierbrauern gestattet sei, die Größe des Raumgehaltes ihrer Fässer mittels ihrer eigenen Meßapparate zu beglaubigen, beschränkend eingegriffen habe, wählend diese Vorschriften nur im Verordnungswege ergänzt werden könnten. Die hier gerügten Gesetzesverletzungen liegen jedoch nicht vor.

Dem Gemeindeausschuß der Marktgemeinde A. steht nach Art. 41 Abs. 3 und 5, Art. 123 und Art. 140 Absatz 1 der Gemeindeordnung vom 29. April 1869, Art. 86 des Gesetzes vom 16. Mai 1868 über den Malzaufschlag, dann Art. 1 Abs. 1 und Art. 3 Abs. 1 des Polzeistrafgesetzbuches die Befugniß zu, zur Kontrole und Sicherung des dieser Gemeinde bewilligten Lokalmalzaufschlages ortspolizeiliche Vorschriften zu erlassen, und diese Befugniß unterliegt keiner weiteren Beschränkung, als daß diese Vorschriften nach Art. 10 des Polizeistrafgesetzbuches weder mit Gesetzen noch mit den über denselben Gegenstand zulässigen Verordnungen noch mit kompetenzmäßigen Vorschriften einer höheren Behörde in Widerspruch stehen dürfen. In einem solchen Widerspruch befindet sich aber die hier in Frage stehende Vorschrift, daß zur Einfuhr von Bier nach A. nur Fässer verwendet werden dürfen, welche mit dem Stempel einer organisirten gemeindlichen Faßeichanstalt oder eines Verifikators versehen sind, nicht. Insbesondere steht ihr weder die Maaß- und Gewichtsordnung des norddeutschen Bundes vom 17. August 1868, soweit dieselbe durch das Reichsgesetz vom 26. November 1871 in Bayern eingeführt ist, noch die bayerische Maß- und Gewichtsordnung vom 29. April 1869, soweit solche noch dermalen Geltung hat, noch die Reichs-Gewerbeordnung entgegen.

Zwar schreibt die Reichs-Maß- und Gewichtsordnung in Art. 12 lediglich bezüglich der Fässer, in denen Wein zum Verkaufe kommt, vor, daß auf denselben, insoferne nicht ausländischer Wein in den Originalgebinden weiter verkauft wird, die den Raumgehalt [98] bildende Zahl der Liter durch Stempelung beglaubigt sein muß, so daß zu Bierlieferungen auch ungeeichte Fässer oder solche, auf denen der Raumgehalt nur auf Grund einer nicht durch obrigkeitlich bestellte Personen vorgenommenen, unbeglaubigten Messung angegeben ist, verwendet werden dürfen. Allein hiedurch ist den Gemeinden nicht die Befugniß benommen, eine Anordnung zu erlassen, wie sie die ortspolizeiliche Vorschrift vom 12. Mai 1881 enthält, da der Umstand, daß die in Art. 12 der Reichs-Maß- und Gewichtsordnung verordnete Beglaubigung nicht auch für Bierlieferungen allgemein vorgeschrieben ist, keineswegs ausschließt, daß ortspolizeiliche Vorschriften, welche auf Grund des Art. 86 des Malzaufschlaggesetzes zur Kontrole und Sicherung des Lokalmalzaufschlages erlassen werden, für besondere Bierlieferungen eine Bestimmung dahin treffen, daß die Fässer, in denen Bier in den Ort eingeführt wird, woselbst der Lokalmalzaufschlag besteht, durch obrigkeitliche Stempelung beglaubigt sein müssen.

Auch nach keiner anderen Vorschrift der deutschen und der bayerischen Maß- und Gewichtsordnung erscheint die Erlassung einer solchen Bestimmung unzulässig, und nirgends ist den Bierbrauern die von den Beschwerdeführern behauptete Befugniß eingeräumt, den Raumgehalt ihrer Bierfässer selbst beglaubigen zu dürfen; vielmehr hat die Eichung und Stempelung nach Art. 11 der bayerischen Maaß- und Gewichtsordnung vom 29. April 1869 ausschließlich durch obrigkeitlich bestellte Personen zu erfolgen.

Von einem unstatthaften Eingriff in die Freiheit des Gewerbsbetriebes aber kann darum keine Sprache sein, weil Beschränkungen des letzteren, welche auf Steuergesetzen beruhen, nach § 5 der Reichs-Gewerbeordnung durch diese nicht berührt werden und der zum Schutze des Lokalmalzaufschlages als einer Verbrauchssteuer erlassenen ortspolizeilichen Vorschrift vom 12. Mai 1881 die steuergesetzliche Bestimmung des Art. 86 des Malzaufschlaggesetzes zu Grunde liegt.

Es steht daher die eben erwähnte ortspolizeiliche Vorschrift mit keinem Gesetze in Widerspruch, wie denn auch von der Staatsregierung auf Grund des Art. 11 des Malzaufschlaggesetzes bezüglich der Rückvergütung des Malzaufschlages eine gleiche Sicherungsmaßregel getroffen wurde, indem in § 2 der einschlägigen Anweisung vom 5. November 1879 (Gesetz- und Verordnungsblatt Seite 1487) bestimmt ist, daß zur Bierausfuhr mit dem Anspruche auf Rückvergütung des Aufschlages nur solche Fässer verwendet werden dürfen, welche mit der Eiche und Stempelung nach metrischem Maße entweder von Seite eines amtlich bestellten Verifikators oder der Organe der Eichanstalt einer Gemeinde versehen sind.

Daß die bayerische Maß- und Gewichtsordnung in Art. 12 [99] die daselbst bezeichneten Vorschriften der Verordnung vorbehalten hat, ist hier unerheblich, da die Maßregeln zur Kontrole und Sicherung des Lokalmalzaufschlages nicht unter diese Vorschriften fallen, sondern nach Art. 86 des Malzaufschlaggesetzes durch ortspolizeiliche Vorschriften zu treffen sind.

Was endlich die nicht weiter ausgefühlte Beschwerde betrifft, es sei auch der Art. 12 des Polizeistrafgesetzbuches verletzt, welche Beschwerde nach den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urtheiles sich darauf zu stützen scheint, daß die ortspolizeiliche Vorschrift vom 12. Mai 1881 von den Angeklagten auf dem Administrativwege angefochten wird, so ist dieselbe deßhalb unbegründet, weil eine ortspolizeiliche Vorschrift solange fortbesteht und strafrechtlich in Kraft bleibt, bis sie durch Aufhebung oder Einstellung des Vollzuges außer Wirksamkeit gesetzt wird, welcher Fall jedoch hier nicht gegeben ist.

Die eingelegten Revisionen sind hiernach unbegründet, weßhalb unter Anwendung des § 505 Abs. 1 der Strafprozeßordnung, wie geschehen, zu erkennen war.