Ostern (Lavant)
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Ostern.
Von Rudolf Lavant.
Es macht uns jede Stunde freier
Von uns’res Kinderglaubens Rest;
Wir knüpfen uns’re Osterfeier
Nicht länger an ein Kirchenfest,
Wir fühlten es an jenem Tag,
Wo auf der eisbefreiten Erde
Der erste goldne Schimmer lag.
Noch war es kahl und still im Walde
Hat an der herbstlich braunen Halde
Gewürzt die kosend weiche Luft,
Doch wenn nach sanftem, warmen Regen
Der Tag in grauen Schleiern schied,
Der Amsel erstes zages Lied!
Ist es so thöricht, wenn ich wähne,
Von Rührung wunderlich bedrängt,
Daß dann der Freude klare Thräne
Daß dann aus langem Schlaf das Leben,
Das sonnendurst’ge aufersteht,
Daß dann ein tiefgewalt’ges Beben
Durch unsrer Erde Vesten geht?
Kein Hoffen, das vielleicht verfliegt;
Ich weiß, daß sich im Wind die Fahnen
Des Lenzes bläh’n und daß er siegt,
Daß er, ein junger Gott der Rache,
Daß dieser matt für eine Sache,
Die rettungslos verloren, ficht.
Ob mir so tief ins Herz gegangen,
Ob höher meine Freude flog,
Ob junger, grüner Saat Gewog,
Wenn Baum u. Busch beschneit mit Blüthen
Und in der Frühlingssonne Licht
Die ersten Rosen purpurn glühten ―
So nimmt das Herz, das räthselvolle,
Die tiefste Wonne sich voraus
Im Stürzen einer ersten Scholle
Zum Grunde für ein stattlich Haus,
Die lange zögert, lange träumt,
Eh‘ sie ― dafern ich es erlebe ―
Als flüssig Gold im Becher schäumt.
Ob so auch wir, vom starren, blinden
Ihn reiner, tiefer nicht empfinden,
Den mächt‘gen Hauch der neuen Zeit.
Als sie, für welche Ernten reifen,
Und die sich müh’n in ihrem Licht,
Ich frage mich’s und weiß es nicht.