Ostindianische Kriegsdienste/1. Kapitel
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NAchdem Ich im Jahr 1644.Des Autoris Abreise. an dem heiligen Oster-Tag / meines Alters im neunzehenden Jahr / von meinem Hertzgeliebten / nunmehr Seel. Vatter / in fremde Land verschickt worden / und mit dem Ordinari-Botten / damahls / Hansen Buckel / nacher Hamburg Auf Hamburg. glücklich angelanget / und in die zwey Monat Mich aufgehalten / habe Ich von dannen meine Reiß zu beschleunigen / nacher AmsterdamAuf Amsterdam. in Holland gestrebet / daselbst auch auf ein halb Jahr mich umgesehen : Aber meinen Begehren und Willen nach / keine Condition erlangen können / weil dem lieben GOtt ein anders gefiel mit Mir zu machen. Es fügte sich aber eben zur selben Zeit / im December, daß die Flotte aus Ost-Indien / von denen drey Flotten / die Jährlich von der Ost-Indianischen Compagnia verschickt werden / (eine im Monat May / die deßwegen die May-Schiffe heisen : die andere im Monat Augusti / die man die Kirchwey-Schiffe heiset : die dritte um die Neujahrs-Zeit / die man die Neujahr-Schiffe nennet / ) wieder ankam / mit der auch wieder abzugehen mein Hertz / das immer etwas durch Reisen und in fremden Landen / zu versuchen / Belieben trug / vestiglich geneigt war : wie Ich denn darum durch Schreiben meinen lieben Vatter ersuchte / und bald wieder Vätterlichen Consens erlangte. Worauf Ich Mich im Namen GOttes resolviret / für einen Adelpursch der vereinigten Ost-Indianischen Compagnia zu dienen / das Monat für zehen Holländische Gulden : Bin auch den 25. Novemb. des damahlig lauffenden 1644sten Jahrs / zu Amsterdam / von den siebenzehen Principalsten Herren der Kammer / von der Ost-Indianischen Compagnia, nach Ablesung des Articuls-Briefs / daß der Verlust eines rechten Augs / Hand / Arm / Fuß einem mit sechshundert Holländischen Gulden : auf der lincken Seiten aber hundert Gulden weniger ; eines Glieds Verlust aber mit dreissig Gulden compensirt werden solte / und dergleichen / aufgenommen worden / und habe das Gewehr empfangenDer Autor nimmet Dienst bey der Ost-Indianischen Compagnia. : auf die Hand aber zwey Monat-Sold / und so lang Wir da still ligen würden / welches nur vier Tag wärete / alle Tag einen Holländischen [2] Schilling / unsers Gelds ungefehr drey Batzen : Folgends den 30. Nov. nacher Seeland / in die Hauptstadt Middelburg verschickt worden / woselbst zwey grosse Schiff schon Segel-fertig lagen / grad auf Ost-Indien zu gehen / das erste genannt das Hof von Seeland / welches fünfhundert funfzig Last / jede Last zu dreissigGehet in Seeland zu Schiff / auf das Schiff Middelburg. Centnern gerechnet / und bey sechs und dreissig Stuck / Eiserne und Messinge / hielte. Das andere / auch von so viel Last / genannt von der Stadt / worvor es lag / Middelburg / auf welches Ich von meinen Herren Principaln gecommandiret wurde / daß in denen beyden Schiffen auf die neun hundert Seelen / groß und klein / Soldaten / und Schiffgesellen / waren.
Ehe man aus Holland / oder Seeland / nacher Indien segelt / wird eine General-Musterung angestellet / wann man zu Schiff gehet / und Jedwedem / pahr / zwey Monat-Sold gereichet / nach dem Er ein Officium hat. Die volle Besoldung aber gehet nicht eher an / biß man die Tonnen passiret ist / die eine Meile in der See ligen / von welchen an die Compagnia gehalten ist die Gages zu liefern / und die zwey Monat-Sold zu lassen / es gehe gleich die Flotte fort / oder werde durch Contrari-Wind wieder zuruck geschlagen; wie es dann wohl geschehen ist / daß Sie nicht nur in den Hafen lauffen müssen : sondern / wann solcher Wind angehalten hat/ oder zu starcken Winters-Zeiten zugefrohren ist / manche Schiffe gar wieder abgedancket worden sind / um die Unkosten zu erleichtern / die täglich mächtig hoch lauffen.
Ist aber der Wind gut / und die Flotte ein Tag zwey / oder drey / in der See passiret / werden Jedwederm / Er sey groß oder klein / auf dem Schiff / fünf Holländische Käse von der Compagnia auf die Reise verehret / worauf alles Volck / was Schiff- und Soldaten-Dienst hat / (ausgenommen die Jungen / die das Schiff reinigen / und derer / die der Hühner / und Schwein / warten / welche frey von aller Wacht sind) Officiers, und gemeine Knechte / Soldaten / und Schiffgesellen / oben auf das Schiff kommen muß / allwo es in drey Theil / oder so genannte Quartir, vertheilt wird / daß ein Jeder wissen kan / wo Er zu der Zeit der Noth Sein Devoir thun / un[d] in dem Schiff Sich finden lassen solle. Der erste Theil des Volcks wird genennt das Princen-Quartir : Der andere / Graf Moritz Quartir : Der dritte / Graf Ernst Quartir, und werden alle Namen derer / die in das / oder jenes / Quartir oder Compagnia commandiret sind / auf besondere drey Tafeln beschrieben und aufgehencket / daß ein Jeder wissen kann / wohin Er gehöre / und wo Er anzutreffen sey / und wann Ihn die Wacht treffe. Das Princen-Quartir hat im Anfang die erste Wacht / wie mans denn auch die erste Wacht tituliret. Das Graf Moritz Quartir hat die andere Wacht / sonst die Hunde-Wacht tituliret. Das Graf Ernstens Quartir nennet man die Tag-Wacht / und wäret jeglichen Quartirs, oder / so zu nennen / Compagnia-Wacht auf die vier Stund / die werden aber nach und nach verändert / wie Jedwedere die Ordnung trifft / hinter und vor sich.
Man führt auch Glocken auf den Schiffen / da man mit leuten / oder anschlagen kann / und wird einmahl geleutet / so bald die erste Wacht aufgesetzt wird / zu welcher Zeit der Provoß bey dem grossen Mastbaum die Wacht ausruffet / und bey Straff verbeut / Sich nicht truncken zu trincken.
Nicht weniger hat man Sand-Uhren zu halben Stunden groß / die so wohl / wer von den Soldaten auf der Wacht stehet : als welcher von den Schiffsgesellen am Ruder sitzet / auf dem Schiff sehen kann / und wann ein [3] Glaß / oder die erste halbe Stund / aus ist / so geschicht ein Schlag mit der Glocken : Wann die andere / zween / und so fort / biß die acht Gläser / oder vier Stunden / aus sind. Denn wird die gantze Glocken geleutet / und so wohl ein anderer Officier mit Seinem so genannten Quartir, als Mast- Wachten werden fleissig bestellet. und Steurmann / die die Ordnung trifft / durch den Quartir-Meister gewecket / der in das untere Schiff gehet / und laut ruffet / die vorige Wacht abzulösen / welche es treffe. Was den Mast betrifft / auf dem / wie gedacht / allezeit auch ein / oder zween / Mann wachen muß / davon sind die Soldaten / so Sie in Indien gehen / befreyet. Wann Sie aber wieder in Patriam wollen / werden Sie zu gleichen Dienst angehalten / wie die Schiffsgesellen; wiewohl / wer ein dutzend Thaler darauf zu wenden hat / solches damit abkauffen kann / und solte Er auch Jahr und Tag auf der Heim-Reiß seyn. Wann aber viel Krancke auf dem Schiff sind / so wird das gesundeste und stärckste Quartir wieder ausgetheilet / so gut / als seyn kann. Ist aber Sturm / und man die Segel einnehmen muß / oder nur laviren / so wird alle zwey Stund das Schiff gewendet / darzu Jedermann helfen muß.
Morgen- und Abend-Gebet. Wer Seine Wacht nicht versihet zu Seiner Zeit / der bekommt in acht Tagen keine Rancion-Wein / und wer nicht alle Morgen / und Abend / zum Gebet kommt / der muß zur Straff in die Armen-Büchsen legen. Alle Morgen wird der Morgen-Segen gelesen / und des Abends das Abend-Gebet / wobey aus den Psalmen Davids einer in Niderländischer Sprach gesungen wird / zu welchen End auch Jedwedern von der Compagnia ein Psalm-Buch / Gesangs-weise gemacht / auf die Reise verehret wird.
Acht auf das Feuer gegeben Sonderlich warnet man / unten im Schiff / bey nächtlicher Weil / keinen Tabac zu trincken / damit nicht etwan ein Funck in einem Bette / die hübsch von Baumwollen gemacht sind / verwahrloset werden möge. Deßwegen oben auf dem Schiff allezeit ein viereckigter Kasten stehet / der in der Mitten ein Holtz hat / darum stetigs zehen / oder zwölf / Klafter Lunten gewunden ist / woran einer Seine Pfeiffe stecken kann.
Dreymal wird gespeiset. Wann die dritte Wacht aufgesetzt wird / muß einer von denen den Koch wecken / der / wann es Tag worden / und man das Morgen-Gebet gethan hat / Seine Speise auch fertig haben muß; Sintemahl des Tags dreymahl gespeiset wird / zu Morgens / zu Mittag / und zu Abends. Morgens frühe / wann man in das Gebet gehet / wird allezeit die Glocken geleutet / und Jedwedern ein zehender Theil von einer Maß Wermuthwein gegeben. Zu Mittag / wenn man gegessen / wieder so viel Spanischen Weins. Zu Abends abermahl so viel France-Wein; das nennen die Holländer Mutsies, einem gemeinen Trinckglaß gleich. Dann wird alle Sonnabend einem Mann fünf Pfund Brod Zweybacken gegeben / ein Mutsies Baumöl / zwey Mutsies Essig / ein halb Pfund Butter / damit Er Sich acht Tage behelfen solle.
Auf acht Tag wird Speis ausgetheilet. Im übrigen bekommt man zwar alle acht Tag dreymahl Fleisch zu essen / alle Sonnabend auf folgenden Sonntag drey viertels Pfund; aber oft solch Fleisch / das schon vier / fünf / sechs Jahr im Saltz gelegen / und so mans kochet / kaum ein halbes Pfund wird. Dienstag ein halb Pfund Speck / welcher gekochet kaum drey achtels Pfund machet. Abermahls Donnerstag so viel als dem Sonnabend. Das Tranck belangend / wann man ausfähret / gibt man so lang Bier / als es wäret. Wann solches auf ist / bekommt einer einen gantzen Tag mehr nicht als ein Maß Wassers / wanns noch reichlich [4] hergehet. Wann man aber gar in Ost-Indien ist / und wohin commandiret wird / ist das Getränck anders nichts als ein lediges Wasser; um weßwillen es so scharf gehalten wird / daß leidlicher wäre / hundert Gülden einem zu stehlen / als Sein Deputat Wasser auszusauffen.
Strenge Justice wird auch sonsten auf den Schiffen gehalten. Wer Iustice auf dem Schiff. einen mit einem Messer / oder andern Gewehr / beschädiget / der muß die Hand an den Mast legen / dann kommt der Barbierer / und schlägt Ihm ein klein Messerlein zwischen zwey Finger / in das Fell oder Haut / dardurch Er zuweiln die Finger; zuweiln / weils Ihm mitten durch die Hand geschlagen wird / Er selbige gar ziehen muß.
Johann von der Behr meldet / in Seiner Ost-Indianischen Reiß-Beschreibung am 17. Blat / das Exempel: Den 14. dieses (April. 1644.) ist ein Constabel, nachdem Er Sich mit dem Bothsmann / und etlichen Bothsgesellen / in Spanischen- und Brantewein wohl bezecht / und einem Bothsgesellen / nach vorgegangenem harten Worten / und Fauststreichen / einen Stich gegeben hatte / in dreytägige Verhaft genommen / nachmals an den grossen Mast gestellet / und Ihme eben das Messer / damit Er den Bothsgesellen gestochen / durch die rechte Hand / zwischen beyden Mittelfingern bey den Knöcheln / mit einer hülzern Keyle durchgeschlagen woren. Es bliebe aber nicht dabey: sondern Er muste auch die Hand durch des Messers Schärfe ziehen; wiewohl Ihn der Balbierer augenblicklich wieder verband; bekam über diß hundert Schläge vor den Podex, und letzlichen entzoge man Ihm Seine Gage auf drey Monat / dero dritter Theil unter die Armen: die übrige beyde Theil aber der Compagnie anheim fielen.
An keinem Officier darf man Sich vergreifen. Wer einen Officier schlägt / oder den Schiff-Capitain, der muß sonder Gnad dreymahl unten durch das Schiff / und so man Ihn nicht wohl tieff sincken lässet / daß Er mit dem Kopf nicht an die Kill / oder Grund des Schiffs / anstosset / so muß Er Sich tod stossen.
Provos ist auch privilegiret. Sonderlich ist der Provoß privilegiret / und wer Sich an dem vergreifet / ist es am Land / so hat Er die Hand verlohren; Ists in der See / so hänget man Ihm etlich Gewicht-Stein an die Füsse / und bindet Ihm einen Schwammen / mit Oel gefüllet / auf einen Arm / damit Er doch etwas Luft haben kann / und weil man weiß / wie viel Schuh tieff das Schiff im Wasser gehet / lässet man Ihn auf einer Seiten in die See sincken / und auf der andern Seiten holet man Ihn wieder herfür / und solches zum drittenmal. A. C. 1647. hab Ichs gesehen / daß einer in dem Hafen vor Galle, auf dem Schiff Aggerslot, die Staff ausstehen müssen / aber nicht tieff genug gesencket worden / deßwegen an der Kill den Kopf also zerstossen / daß / da Er wieder empor kam / gantz zerschmettert und tod war.
Um Gelt darf man nicht spielen. Genau wird auch Achtung gegeben auf das um Geld spielen. Bey Tag zwar / und um die Zeit zu kürtzen / wird das Bret-Spiel / und der Dam nicht gewehret: Karten aber und Würfel / wie gemeldet / ums Geld / ist scharf verbotten / es sey denn / daß man im Hafen / oder auf der Rè, lige / sonst lauschet der Provos mächtig auf / deme die Soldatesca deßwegen gewaltig feind ist / und einsmahls übel mit Ihm procediret hat / wie Mir einer Selbst erzählt / Hermann Geißler / Namens / von Mülhausen / der in Person mit- und dabey gewesen.
Ein Anschlag auf die Portugäsen von Holländern. A. C. 1653. wurden drey Schiff von Uns commandiret / der Dromedares, der Rhinocer, und der Windhund / auf die Portugäsische fünf Galionen zu passen / die mit Victuaille von Goa nach Columbo wolten / selbiges zu proviantiren / auf welches Wir schon lang ein Aug gehabt hatten. Weiln [5] nun von der Compagnia, etliche / auf dem Schiff Windhund / bey der Nacht spielten / und vor das Loch eine Matratzen hiengen / daß man kein Liecht sehen solte / wäre der Provoß / der Sie reden / und die Würfel lauffen hörte / Provoß wird ins Meer geworfen. ungefehr dazu kommen / Sie geschlagen / und das Liecht ausgeblasen; Das Volck aber hätte Sich also entrüstet / und geschwind die Matratzen genommen / über Ihn geworfen / und den Halß zugehalten / daß Er nicht schreyen können / und zu einem solchen Loch / da die Stücke ausstehen / hinaus in die See geschmissen / und weil gleich den andern Tag darauf die Portugäsische Galionen ins Gesicht kommen / wäre es also verschwiegen blieben / als wenn Er müste im Treffen verlohren worden seyn / das eben auf dem Schiff Portugäsen schlagen mit Holländern. Windhund am meinsten war. Denn als dem Portugäsischen Admiral angedeutet wurde / daß drey Holländische Schiff auf die fünf Galionen giengen / commandirte Er alsobalden drey davon / die auf unsere zwey Schiff / den Dromedares und Rhinocer, wieder gehen solten: Der Admiral aber und Vice-Admiral giengen auf unsern Admiral, den Windhund / brachtens auch so weit / daß Sie Ihn schon änderten. Unser Volck aber retirirte Sich in die Schantzen / und da die Portugäsen Hauffenweiß auf dem Schiff waren / spielten Sie mit Schrott auf einer Seiten unter Sie / da inzwischen die andere unsers Volcks Seiten gantz niderfiel / und wann das geschehen / geschahe Verliehren den Sieg. auf der andern Seiten grad dergleichen / daß die Portugäsen / mit Verlassung vieler Todten und Gequetschten / wieder weichen musten. Den Gefangenen gaben Wir Quartir, und brachtens mit auf Negumboy,[WS 1] und da Sie hörten / daß das Schiff der Windhund hiese / sprachen Sie: Es solte vielmehr der Feuerhund heisen / weil es so gewaltig Feuer ausgespien hätte.