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Otto der Schütz

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Textdaten
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Autor:
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Titel: Otto der Schütz
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 39, S. 661, 668
Herausgeber: Adolf Kröner
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1895
Verlag: Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[661]

Otto der Schütz.
Nach einem Gemälde von Theodor Pixis.

[668] Otto der Schütz. (Zu dem Bilde S. 661.) Eine der liebenswürdigsten Dichtungen, welche die rheinische Sagenwelt der deutschen Litteratur erblühen ließ, Gottfried Kinkels „Otto der Schütz“, darf in Kürze als Buch ihr fünfzigjähriges Jubiläum feiern. Wie oft auch in diesem Zeitraum der Geschmack des Tags sich gewandelt hat, der herzerfrischende Sang vom Niederrhein hat inzwischen nichts an Wirkungskraft und Beliebtheit eingebüßt, und der Cottasche Verlag kann heute der 74. Auflage des Vorjahrs die 75. Auflage folgen lassen. Der ewigfrische Wellenschlag unseres herrlichen Rheinstroms hallt wieder in den melodischen Rhythmen des anmutigen Epos; die romantische Stimmung, welche der Anblick der alten Burgen seiner Ufer weckt, hat in ihm reizvolle Gestalt und kraftvolles Leben gewonnen. So hat das Lied vom Meisterschuß des jungen Thüringer Landgrafensohns, der auf der Flucht vorm Kloster ungekannt nach Cleve zum Grafen Dietrich kommt und dort die Liebe von dessen holder Tochter Elsbeth gewinnt, sich auch als ein Meisterschuß des Dichters bewährt. Gottfried Kinkel schrieb das Gedicht in hochgestimmter Jugendzeit und das frohe Kraftgefühl, das ihn damals beseelte, fand darin seine Spiegelung. Deshalb gab er auch dem Buche zum Schluß das energische Motto: „Sein Schicksal schafft sich selbst der Mann“, ohne zu ahnen, in welchem Umfange er kurze Zeit später als begeisterter Patriot und Freiheitskämpfer für diesen Grundsatz werde eintreten müssen.

Unser Bild vergegenwärtigt den Augenblick, wo der jugendschöne Fremdling aus dem Thüringer Land die Armbrust zum Meisterschuß ansetzt. Das Wort des Grafen hat jedem Schützen das Recht zuerkannt, sich beim Feste um den von ihm gestifteten goldnen Becher und den Ehrenkranz in seiner Tochter Hand zu bewerben. Alle Anwesenden, vor allem der Graf und schön Elsbeth, sind mit Spannung auf den Ausgang erfüllt; alle zweifeln, daß ein so junges Blut den Schuß ins Schwarze, den der vielbewährte Förster Hugo gethan, noch übertrumpfen könne. Doch Otto setzt die Armbrust an –

„Er drückt – der Bügel mächtig klingt,
Lautschwirrend sich die Sehne schwingt,
Es saust der Bolz – er hat getroffen!“

Und besser noch als der des Försters! Die Ehre des Tags ist sein und sein der Kranz, den ihm nun das liebliche Grafenkind aufs Haupt setzt, während sein Auge dem ihren zum erstenmal begegnet. Der Blick, der ihn trifft, besiegelt sein Schicksal, das nach Ueberwindung von mancherlei Fährlichkeit ihn zum glücklichen Gatten der schönen Tochter des Rheinlands macht. Es ist dem Maler unseres Bildes gelungen, den zarten poetischen Duft, der über der Scene schwebt, auch seiner Darstellung zu verleihen.