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Paulinzelle

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCCXIV. Das Amphitheater zu Nismes Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Siebenter Band (1840) von Joseph Meyer
CCCXV. Paulinzelle
CCCXVI. Tegernsee
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PAULINZELLA
in Thüringen

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CCCXV. Paulinzelle.




Deutschland hat kein schöneres Denkmal klösterlicher Vorzeit aufzuweisen, als Paulinzelle; und selbst in England, dem an malerischen Abteitrümmern so reichen Lande, sind wenige, welche sich ihm an die Seite stellen lassen. – Diese herrliche Ruine liegt sechs Stunden südlich von Erfurt, eine Stunde von dem Waldstädtchen Königsee, in einem einsamen, tiefen Thale, auf grünen Wiesenmatten, mitten in einem stundenlang sich ausbreitenden Walde von hohen, düsteren Tannen. Unfern davon, bei freundlichen Anpflanzungen und an großen Teichen, gruppiren sich die wenigen Häuser des Dörfchens um das Amthaus und die Försterwohnung. An mehren dieser Wohnungen bemerkt man uraltes, verwittertes Mauerwerk; es sind dieß Substructionen der ehemaligen klösterlichen Oekonomie-Gebäude, welche bei’m Bau des Dorfs und des Amthauses benutzt worden sind.

[104] Wir kehren zur Tempel-Trümmer zurück. Vor dem Hauptthore der Kirche, an der Abendseite, war sonst, wie an den ältesten Basiliken, eine weite Vorhalle, auf Säulen ruhend, bestimmt für die Schaaren der Andächtigen, welche das Innere der Kirche selbst nicht fassen konnte. Noch sieht man die Mauer, und Säulenstücke, auch noch ein verstümmeltes Weihgefäß halb versunken aus dem Boden zwischen säuselnden Halmen ragen. An der südlichen Seite steht ein Thurm noch und streckt sein gebrochenes Haupt schweigend in die Lüfte. Durch ein großes, tiefes Portal, dessen Gewölbe Säulen tragen, und über welches sieben gothische, gewölbte Fenster nach dem Innern der Kirche gebrochen sind, tritt man in das Schiff der Letztern. Auf dem Chor und an den Mauerabsätzen sind junge, schwankende Fichten emporgewachsen, und Gesträuch guckt aus allen Spalten hervor. So oft sich der schlanke Wuchs jener über das hohe Gemäuer erhebt, stürzt der Sturm sie mit Trümmern der Werkstücke herab. Doch immer erneuert die schaffende Natur das freundliche Bild.

Das Innere der Kirche theilt sich durch zwei Reihen hoher Säulenbündel in ein mittleres und zwei Seitenschiffe, und umher an der dicken Außenmauer waren die Altarnischen angebracht. Noch stehen die Säulen auf jeder Seite und tragen die Mauern, auf denen ehemals das Dach der Kirche ruhete; aber statt in den gemalten Himmel, schaut man in das Aetherblau, und statt in die Farbenpracht bunter Scheiben fällt der Blick durch die hohen Fensterbogen auf das grüne Thal. Ein alter Weidenbaum steht, wo sonst der Hochaltar gestanden hat. Spuren von Frescomalereien erscheinen wie bleiche Schatten auf den Wänden, und alte bemooste Grabsteine ragen aus dem Boden hervor, von denen die Hand der Zeit Bild und Schrift gewischt hat.

Paulinzelle, die ehemals berühmte Cistercienser-Abtei, war ursprünglich ein kleines Frauenkloster, gestiftet 1186 von einer frommen Rittersfrau, Pauline, welche nach ihrem Tode als Heilige verehrt ward. Der Ruf der Wunderthätigkeit ihrer Gebeine und anderer vom Papste zu verschiedenen Zeiten geschenkten Reliquien machte die kleine Zelle bald zu einem berühmten Gnadenorte, der Andächtige von nahe und fern herbeiführte, und die stillen, dunkeln Wälder schallten von den Hymnen der Wallfahrer wieder. Auch fromme Gaben flossen reichlich am Schreine der Heiligen, und Schenkungen an Gütern, Frohnden und Zinsen mehrten den Reichthum des Kirchleins. Es konnte schon lange die Andächtigen nicht mehr fassen, als ein schicklicher Vorwand gefunden ward, die Frauenzelle umzuwandeln in ein großes Kloster, und die Kapelle in einen prächtigen Tempel, der, 1302 durch Brand zerstört, sich noch viel schöner wieder erhob. Der Bauernkrieg, so verderblich für die Klöster und Schlösser Thüringens, verheerte auch Paulinzelle. Die Abtei ward, nach tapfern Widerstande der Mönche, von dem Landvolke geplündert und verbrannt und nachher die Kloster-Güter von den protestantischen Fürsten in ein Kammergut verwandelt.