Peter von Hagenbachs Ende
Während der König von Frankreich und die Schweizer die Burgundische Herrschaft am Rheine untergruben, brachte Peter von Hagenbach, der Statthalter des Herzogs Karl von Burgund, durch seine Gewaltthaten die Oesterreichischen Unterthanen zur Verzweiflung. Da er nach dem zwischen Siegismund und den Eidgenossen abgeschlossenen Vertrage von der Schweiz her am meisten zu befürchten hatte, setzte er sich mit einem tüchtigen Kriegshaufen in Breisach und befestigte diese Stadt. In der heiligen Charwoche, da das fromme Volk unter andächtigen Gebeten die Leidenszeit unseres Heilandes beging, kam der leichtsinnige Landvogt mit Truppen und Fähnlein, mit Trommeln und Pfeifen, dahergezogen und wollte da schwelgerische Tafel und Spiel halten, wo Alles in trauriger Feierlichkeit zur Kirche sich verfügte. Kaum war er in die Stadt gekommen, als er sogleich den Stadtrath mit Leuten seines Sinnes besetzte und den Bürgern, welche Gott um Befreiung anflehten, gebot, ihre Waffen abzulegen und an dem Festungsbau mit zu arbeiten. Die Ausübung dieser Bedrückungen unterbrach [304] aber sein Wohlleben keinen Augenblick. Seine Hauptleute und Soldaten zechten und schmaußten wie an festlichen Tagen auf Kosten der Stadt. Er selbst aber hielt köstliche Tafel, und nachdem er durch erhitzende Speisen und Getränke, wie es am Burgundischen Hofe üblich war, seine Sinnenlust gereizt hatte, verführte und entehrte der rohe Tyrann die schöne Tochter eines ehrbaren Bürgers.
Nun war die Verzweiflung der Bürger auf den höchsten Grad gestiegen. Der Vater der Geschändeten ging mit gepreßtem Herzen zu Heinrich Vögelin, einem muthigen wackern Bürger, und klagte sein Elend. Dieser, aufgebracht über solche Frevelthat, und da er noch hörte, daß auch sein Bruder gefangen wäre, weil er die Waffen nicht ablegen wollte, verabredete sogleich einen Aufstand mit den Bürgern, welche mit ihrem Banner auf dem Platze standen und entweder des Landvogts Befehle, oder sonst ein Zeichen zum Aufruhr erwarteten. Hierauf begab sich Vögelin nebst einigen seiner Freunde zu dem Tyrannen selbst und forderte die Loslassung seines Bruders. Peter von Hagenbach war überrascht, eine so kräftige Sprache von Leuten zu hören, die er bisher nur als seine Sclaven betrachtet hatte. Mit Verachtung schlug er Vögelins Gesuch ab, weil der Gefangene keine Reue zeige; aber der muthige Bürger drang ergrimmt auf ihn ein und im Getümmel, wo Wehr und Angriff wechselten, wurde der Landvogt zur Treppe hinabgeworfen. Er, kaum auf der freien Straße, lief sogleich nach dem Hauptplatze, um Hülfe bei seinen Soldaten zu suchen; allein die Bürger, nur auf diesen Augenblick harrend, umringten, entwaffneten ihn und führten ihn gefangen erst vor den Bürgermeister, dann gefesselt in den Thurm.
Kaum war der Sturz und die Haft des Tyrannen in der Stadt und dem Lande bekannt, als allgemeiner Aufstand und Jubel das Volk ergriff. Die Burgundischen Soldaten, nun ohne Oberhaupt und der Landessprache unkundig, retteten sich durch Flucht. Oesterreicher, Schweizer und Teutsche sammelten sich um Freiburg, um Basel, im Elsaß und in Schwaben. Der Herzog Siegismund kam mit 3000 Pferden gleichsam im Triumphe in seine Länder angezogen und da die Befreiung gerade am Osterfeste vorgefallen war, strömte das Volk aus allen [305] Städten und Dörfern ihm entgegen und sang, das Osterlied auf seine Erlösung vom Tyrannen anwendend:
„Christ ist erstanden, der Landvogt ist gefangen;
Deß sollen wir froh seyn!
Siegmund soll unser Trost seyn!
Kyrie eleison!
Wär’ er nicht gefangen,
So wär’s übel gegangen;
Seit er nun gefangen ist,
Hilft ihm nit sein böse List;
Kyrie eleison!
Unter solch allgemeinem Frohlocken zog zuerst Hermann von Eptingen, dann Siegismund selbst, begleitet von den Gesandten der freien Städte am Rhein, in seine Erbländer ein. Nachdem er hierauf dem Herzoge von Burgund die schuldigen Summen angeboten hatte, nahm er Besitz und Huldigung von seinen Städten und Schlössern und setzte in Breisach, wo die Tyrannei und Befreiung angefangen, ein Gericht von Rittern und Städtebevollmächtigten nieder, um über Peter von Hagenbach das Urtheil zu sprechen. Die Klagepunkte waren: „daß er gegen den Vertrag das Volk mit Abgaben und fremden Soldaten bedrückt, redliche Leute zum Tode verurtheilt, ehrbare Frauen geschändet und Neuerungen in den Städten eingeführt habe,“ etc. worauf sein Fürsprecher entgegnete: „daß Hagenbach einigen Aufrührer die Köpfe habe abschlagen lassen, dazu habe ihn Recht und Noth gezwungen; daß er die Freiheiten der Städte aufgehoben, dazu habe er Befehl von seinem Herren gehabt, welchem sie gehuldigt hätten; und wenn er Frauen und Jungfrauen geschändet, so befände sich wohl Keiner unter seinen Richtern, den man nicht eines gleichen Verbrechens bezüchtigen könnte.“ – Diese Vertheidigung konnte jedoch weder die Fürsten noch das Volk zu Hagenbachs Gunsten stimmen. Er hatte sich durch seine Grausamkeiten zu verhaßt gemacht. Die Ritter erkannten ihn einstimmig des Todes schuldig. Bald nach dem Urtheilsspruche ward er vor das Käferthal geführt, wo man einen Kreis geschlossen hatte. Er ging mit vieler Entschlossenheit der Hinrichtung entgegen. „Nicht meinen Tod“ – sprach er – „sondern den Tod so vieler Unschuldigen [306] beklage ich, an denen mein Herr schreckliche Rache nehmen wird.“ Mit diesen Worten, und nachdem et seine Seele Gott empfohlen, empfing er den Todesstreich und sein Haupt rollte zu Boden. (Am 9. May 1474.) Sein Leichnam wurde zu Hagenbach, seinem Stammschlosse, begraben.
- ↑ [306] Nicht nur den Chronikschreibern seiner Zeit bot dieser grausame Landvogt reichen Stoff, sondern auch die Poesie hat sich seiner bemächtigt und in verschiedenen Dichtarten, den Mitlebenden und der Nachwelt, sein Treiben und seine Schicksale überliefert.
Ein ziemlich weitumfassendes episches Gedicht, welches diesen Mann zu seinem Helden macht, befindet sich in einer Papierhandschrift in Folio von 156 Blättern, ohne Titel, – den Schriftzügen nach aus dem sechzehnten Jahrhundert, – auf dem Generallandes-Archive zu Stuttgart. Auf der Decke des Einbandes innerhalb ist zu lesen:„Peter von Hagenbach
Thäte der Stadt Breisach
Große Schmach und Herzeleyd;
Hat weder Befelch noch Bescheyd,
Bezahlt’s zuletzt mit seinem Haubt,
Im Jahr 1474, das glaubt.“Der Verfasser des Gedichtes nennt sich nirgends, ist daher unbekannt. Doch scheint er, seiner genauen Detailkenntniß aller Vorgänge und Oertlichkeiten nach zu urtheilen, ganz in der Nähe des Schauplatzes gelebt zu haben und ein Oberelsäßer gewesen zu seyn.
Einen ausführlichen Bericht über dies Gedicht gibt der hochverdiente Forscher Dr. Heinrich Schreiber in Freiburg in seinem „Taschenbuch für Geschichte und Alterthum,“ (IV. Jahrgang S. 316 u. ff.) zugleich in Kürze den Inhalt eines jeden der 148 Gesänge mittheilend.