Pfingstparadies im Herzen Deutschlands

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: F. Hfm.
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Pfingstparadies im Herzen Deutschlands
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 20, S. 308–310
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite


[308]

Pfingstparadies im Herzen Deutschlands.

Das schönste Frühlingsfest schließt abermals „die Herzen und die Fenster auf“, lockt die Menschen aus den Mauern der Städte heraus in’s Freie und erweckt im Freien die Sehnsucht nach dem lieblichsten Schmuck der Erde, dem lenzgrünen Wald der Berge und der Thäler. Kein deutsches Gebirg aber bietet des Anmuthigen, Erquickenden und Erhabenen so viel auf engstem Raume, als unser Thüringerwald, und recht wie zum gemeinsamen Genuß für alle Deutsche ist er, in Deutschlands Herzen, nach allen Himmelsrichtungen der zugänglichste und durch des Dampfes Gewalt dem Mann der nordischen Ebenen, wie dem im Stromgebiete der Donau, dem an der Oder, wie dem am Rhein gleich nahe gerückt. Dadurch ist es auch dem Zeitbedrängten möglich gemacht, selbst in der kurzen Frist der beiden Pfingstfeiertage mit ihrem Sonnabendvorspiel den Theil von Thüringen zu durchschwärmen, in welchem zwischen den beiden berühmtesten Perlen des Gebirgs, der Wartburg und Reinhardsbrunn, der Inselsberg als Beherrscher der Wälder thront.

Je nachdem der Pfingstwanderer auf der Thüringer Bahn zuerst Eisenach oder Gotha begrüßt, trifft er die Wahl der Richtung seiner Tour. Wer schon am Sonnabend mit einem Mittagszug in Eisenach anlangt, hat vollauf Zeit, nicht nur die in unserer großen Abbildung hervorgehobene Umgebung dieser alten denkwürdigen Stadt, sondern auch das Innere der Wartburg, dem wir im Jahrgang 1867 ein eben so großes Blatt gewidmet haben, ohne Hast, ja, mit dem aus dem Altane des neuen Wirthshauses an der Wartburg gebotenen walderfrischten Wohlbehagen zu genießen. Wer den Sonnenuntergang auf der reizenden Höhe erlebt hat, freut sich, nach einer guten Nacht in Eisenach, erst recht der Herrlichkeiten der nächsten Tage. Der erste Tag führt ihn über die Hohe Sonne, Schloß Wilhelmsthal nach dem weltbekannten Waldflecken Ruhla und von da über Altenstein nach dem lieblichsten Badeort Thüringens, Liebenstein. Die Umgebungen desselben verdienen es, den Rest des Tages in Anspruch zu nehmen. Wer aber noch nie die Aussicht von einer bedeutenderen Höhe genossen und zur Abkürzung der Wegzeit einen Wagen benutzen kann, thut wohl daran, am Nachmittag noch durch das Drusenthal und Brotterode den Inselsberg zu gewinnen, weil am Abend für die Fernsicht der klarste Himmel bereit ist. Vom Inselsberg schwärmt dann der glückliche Wanderer in einem großen Naturpark bis gen Reinhardsbrunn, das ihm für den Schluß des zweiten Tages des Bewundernswerthen die Fülle und dazu die Gelegenheit bietet, am nächsten Morgen in kurzer Zeit die Eisenbahn zur Heimfahrt zu erreichen.

Wer von Gotha oder Fröttstedt her Reinhardsbrunn den ersten Besuch abstattet, widmet den Rest des Sonnabend-Nachmittags, wenn ihn nicht Gotha und seine Sehenswürdigkeiten (die Sammlungen im Schloß Friedenstein) fesseln, dem Genuß der Natur- und Kunstpracht dieses „kostbarsten Edelsteins im Diadem des Thüringerwaldes“. Er wird weder die unterirdische Pracht der Marienglashöhle, noch die waldumrauschte der Tanzbuche unbesucht lassen und vom Abtberge das freundlichste Bild von Schloß und Thal und Land in sich aufnehmen. Der Anblick der duftenden Waldberge wirkt allein schon entzückend genug, um eine wahre Gebirgssehnsucht zu wecken für die Wanderfahrt des kommenden Tages, auf welcher wir nun den rüstigen Fußreisenden bis zur Wartburg begleiten wollen.

Die Entfernung von Reinhardsbrunn bis zum Inselsberg beträgt drei Wegstunden. Wer früh aufbricht, um Auge und Herz zu erlaben, wird sie gern mehr als verdoppeln. Der Wanderer kommt aus dem idyllischen Wiesenthal in den Tabarzer Grund. Sobald er die Straße von Klein-Tabarz nach Waltershausen erreicht hat, liegt eine völlige Schweizerlandschaft vor ihm: über einem vom Lauchabach durchblitzten Wiesenteppich ragt aus einem Kranz von grünen, felsgeschmückten Höhen das Riesenhaupt des Inselsbergs empor. Von da gelangen wir in das „Felsenthal“ des Lauchagrundes, und eine Reihe von wildherabdrohenden Felskolossen

[309]

Der Drusenfall im Drusenthale, zwischen Inselsberg und Liebenstein.
Nach der Natur aufgenommen von R. Bauer.

[310] lehnt an der grünen Waldwand, von rieselnden Bächen umrauscht. Endlich öffnet das wunderbare Felsengebilde des Thorsteins uns die Pforte zum steilen Weg durch das Walddickicht, der uns zum Gasthaus und Luginsland des Inselsbergs hinaufführt.

Das Panorama des Inselsbergs gehört zu den unverwischbaren Augenweiden im Leben.

Vom Berge schlagen wir den Weg nach Brotterode über den Dreiherrenstein und durch das Thüringerthal ein, wo nach der wilden Romantik uns wieder der liebliche Frieden lauschiger Waldgründe umgiebt. In Brotterode verdienen, wie in Ruhla und Steinbach, die Bewohner ein besonderes Augen- und Ohrenmerk. Eine stattliche Hochstraße führt über das Stahlberg-Dorf Herges uns in das an wildromantischer Schönheit unübertroffene und originellste aller Thüringer Thäler: das Drusenthal. Hier sieht’s aus wie nach einer Schlacht zwischen Berg und Thal: über zweihundert Fuß steigen die dunklen Granitmassen empor und in der Schlucht liegen die zerborstenen Trümmer derselben. Hier steht der Wanderer plötzlich vor dem Original unseres zweiten Bildes: dem Drusenfall. Es verursacht der überraschenden Schönheit desselben nicht den geringsten Eintrag, daß der Drusenbach nicht eigenwillig den kühnen Sprung wagte, sondern daß er von der Hand des sinnigen Menschen an den Abgrund hingeleitet wurde. Jedermann wird den Männern danken, welche diesen Drusenfluß gerade hierhin dirigirt haben. Trotz der donnernden Großartigkeit desselben thut es uns doch wohl, wenn sich endlich die Schlucht wieder zum Thal ausdehnt und uns in dem hellen, stattlichen Liebenstein das elegante Badeleben der modernen Welt in sein buntes Wogen aufnimmt.

Liebenstein bietet genügende Gelegenheit, dem ersten Feiertage bis tief in die Nacht seine volle Ehre zu erweisen. – Der Morgen des zweiten findet uns auf dem Wege nach Schloß und Burg Altenstein mit einem zweiten Thüringer Naturpark, der mit dem von Reinhardsbrunn wetteifert. Zu seinen Sehenswürdigkeiten gehört auch die berühmte Höhle. Unter und über der Erde lockt die Natur uns hier zu poetischem Schwärmen, und es ist uns deshalb sehr gesund, daraus nach tapferem Steigen in dem großen Marktflecken Ruhla durch industriellen Hämmerlärm geweckt zu werden. Aber noch einmal werden wir, in Wilhelmsthal, in die schönen Tage dichterfürstlicher und fürstendichterischer Beschaulichkeit eines Karl August und Goethe zurückgeführt, bis wir endlich, auf der Hohen Sonne zum Rückblick auf das Bewunderte und zum Vorblick in das Verheißene erhoben, mit beflügeltem Schritt zur Wartburg eilen, deren fernaufragende Thürme uns schon in die „Wartburgstimmung“ versetzen, in der es uns so leicht wird, die Blumen der ältesten Sagen mit harterrungenen Eichenzweigen ernster Vergangenheit und Gegenwart zu einem Kranze zu verbinden. – Der Wanderer wird nicht versäumen, nach der Wartburg auch Eisenach und seine vielbesungenen Berge, Thäler und Schluchten, wie Anna- und Marienthal, Drachen- und Landgrafenschlucht, mit Andacht zu begehen. Unsere Abbildung derselben möge ihm daheim die Erinnerung auffrischen, wenn er einst im Kreise seiner Lieben seine Thüringer Pfingsten noch einmal im Geiste durchlebt.
F. Hfm.