Pomologische Monatshefte:1. Band:5. Heft:Mittheilungen über den Frostnachtschmetterling

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Pomologische Monatshefte
Band 1, Heft 5, Seite 170–174
Johann Joseph von Trapp (1800–1885)
Kleiner Frostspanner
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Was ist Obst?
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Sollen wir unsere Obstbäume durch Aussäen von Kernen vorzüglicher Früchte, ohne Veredlung heranzuziehen suchen …?
[170]
Mittheilungen über den Frostnachtschmetterling.
Vom Herrn Ministerialrath v. Trapp in Wiesbaden.

In Nr. 3. der Frauendorfer Blätter von diesem Jahrgange wird ein bewährtes Mittel gegen den bekannten Frostschmetterling und die Raupen desselben angekündigt, und die Mittheilung unter gewissen Voraussetzungen zugesichert.[WS 1] Welcher Freund des Obstbaus kennt nicht dieses schädlichste Insekt für unsere Obstbäume und sollte nicht dem Herrn Verfasser jener Ankündigung zum wärmsten Danke sich verpflichtet fühlen, wenn derselbe im Stande wäre, unsere bisherigen Erfahrungen über die Schutzmittel gegen diesen Feind durch ein wesentlich wirksames und dabei weder erheblich zeitraubendes noch kostspieliges Gegenmittel zu bereichern. Millionen sind im Jahre 1853, wo alle übrigen Umstände eine reiche Obsterndte erwarten ließen, und namentlich nicht wie im vorigen Jahre die Spätfröste so verderblich zur Vernichtung unserer Hoffnungen mitgewirkt hatten, in Deutschland verloren gegangen, noch viele Millionen werden auch ferner verloren gehen, wenn man sich nicht mit gesammter Kraft aufrafft, um gegen das genannte Insekt zu Felde zu ziehen. Ich habe demselben seit mehreren Jahren meine besondere Aufmerksamkeit zugewendet, zu der mich die großen Verheerungen desselben in den reichen Obstpflanzungen unseres Landes anregten. Dabei habe ich gefunden, daß die sogenannten Schutzgürtel, welche schon unser Pomologe Schmidtberger, als einer der gründlichsten Beobachter der unseren Obstbäumen schädlichen Insekten, beschreibt, das einfachste, billigste und sicherste Schutzmittel sind, indem der weibliche Schmetterling, welcher bekanntlich keine Flügel, sondern nur kleine Flügelklappen hat, und deshalb am Baumstamm heraufkriechen muß, wenn er seine 200 bis 300 Eier nach seinem Instinkte einzeln an die Trag- und Laubknospen, sowie an die Frucht- und Laubzweige der Baumkrone legen soll, durch den Schutzgürtel, auf dessen klebrigen Fläche er hängen bleibt, abgehalten wird. Die Anfertigung und Unterhaltung dieser Gürtel fällt in eine Zeit – von Ende Oktober bis gegen Mitte Dezember, – wo fast alle übrigen landwirthschaftlichen Arbeiten ruhen, und man daher zu einem Feldzuge gegen den Frostschmetterling Zeit genug hat; auch sind zu der Zeit alle Obstbäume zugänglich, ohne daß man den Saaten schädlich wird.

Dagegen ist die Verfolgung der im April und Mai auskommenden Raupen nicht nur wegen anderer in diese Zeit fallenden Feldarbeiten störend und lästig, sondern auch auf den mit Cerealien oder sonst wie bestellten Baumstücken schädlich, und dabei bei Weitem weniger wirksam, weil zumal den kleinen zwischen den entwickelten Laubknospen und Blüthen eingesponnenen Raupen nicht wohl beizukommen ist, und die größeren später nur durch starkes Anklopfen, welches begreiflich ohne Beschädigung der Bäume nicht abläuft, herunter gebracht werden können. Aber, wird man [171] fragen, warum ist, eines so sicheren und wenig umständlichen Mittels ungeachtet, bis jetzt der grünen Spannerraupe noch so wenig Einhalt geschehen? Ich antworte darauf, weil die unbegreifliche Indolenz der meisten Baumgutsbesitzer diesem Insekte helfend zur Seite tritt, und weil, was noch unbegreiflicher ist, die Behörden ungeachtet der großen in vielen Jahren zu Tage tretenden Calamität nicht dazu thun, daß die Faullenzer und Gleichgültigen, welche der Sorgsamkeit fleißiger Nachbarn die sonst sicheren Erfolge durch ihre Trägheit rauben, aus dieser aufgerüttelt, und mit Strafen zu dem angehalten werden, wozu sie schon in ihrem eigenen Interesse eine dringende Aufforderung finden sollten. Weit weniger möchte ich es der Unbekanntschaft mit dem Mittel selbst beimessen, wenn seither nur in geringem Umfange gegen den Frostschmetterling operirt wurde, denn an Belehrungen und Mahnungen haben es unsere landwirthschaftlichen Blätter nicht mangeln lassen. Meines Wissens bestehen bis jetzt nur in einigen kleineren Staaten Zwangsvorschriften für die Anwendung der Mittel gegen den Frostschmetterling, in anderen Staaten ist das Wegnehmen der Raupennester des Goldafters, dem, ich möchte es behaupten, nicht fünf Prozent der Schädlichkeit im Vergleich zur grünen Spannerraupe beizumessen sind, bei Strafe geboten, während der Hauptübelthäter bis jetzt noch im Besitze eines Freipasses sich befindet. Das Zweckmäßigste, was bei solcher Lage der Dinge geschehen kann, scheint mir daher, daß unsere landwirthschaftlichen Vereine und intelligenteren Landwirthe bei den Staatsregierungen darauf dringen, daß durch Zwangsvorschriften die allgemeinste Anwendung der Schutzgürtel zur rechten Zeit und in rechter Weise sicher gestellt werde. Es kann darüber gar kein Zweifel aufkommen, daß ein solches Gebot auf das Vollständigste sich rechtfertigt. Wer will nur den Fuchs verfolgen und dem Wolfe einen Freipaß gestatten. Die großen, nicht selten mehrere Jahre andauernden Verluste welche, wie ich viele Fälle kenne, in solchen Gemeinden, wo das Obst für die Einwohner die bei Weitem bedeutendste Einkommensquelle bildet, viele Familien in wenigen Jahren an den Bettelstab bringt, und alles Interesse an dieser Kultur ertödtet, muß schon allein den Landesbehörden den vollwichtigsten Grund zu Einschreitungen aus Rücksichten der Landeswohlfahrt abgeben; es kommt aber auch hinzu, daß, wie schon oben angedeutet wurde, der Fleißige, der Aufmerksame durch den Trägen an einer wirksamen Abwehr des grünen Spanners gehindert wird. Denn einestheils gehen die weiblichen[WS 2] Schmetterlinge, welche in der obengedachten Zeit ihre meist in der Nähe der Bäume einige Zoll tief in der Erde befindliche Puppe verlassen, auch auf die nahestehenden Obstbäume des fleißigen Nachbarn über, anderntheils steht es nach der Erfahrung fest, daß die grünen Spanner, haben sie auf dem Baume alles weggezehrt, ihr volles Wachsthum aber noch nicht erreicht, sich einen anderen nahe stehenden Baum, den oft der fleißige Nachbar mit Schutzgürtel gegen den Schmetterling versehen hat, aussuchen und auch diesen durch ihre Weide entblättern. Das Mittel ist auch, richtig angewendet, sicher; den Zusammenhang zwischen Mittel und Wirkung begreift schon ein Schulknabe von sechs Jahren, darüber ist also gar nicht zu streiten. Endlich ist es weder in Absicht auf die Arbeitszeit noch bezüglich der Auslagen theuer, Anlage und Unterhaltung bestehen in einer so einfachen Arbeit, daß [172] man diese zwölfjährigen Knaben auftragen kann. Nehmen aber die Baumbesitzer einer Gemarkung oder eines Gemarkungsdistrikts einen oder mehrere Arbeitsleute für die Anlegung und Unterhaltung der Gürtel gemeinschaftlich an, so wird Beides gewiß am besten besorgt, und die Kosten stellen sich höchst geringfügig heraus.

Daß solche Arbeitsleute mit einer ausgiebigen Instruktion über ihre Verrichtungen versehen und in ihren Dienstleistungen zeitweise controlirt werden, ist um so nothwendiger, als die Sicherheit des Mittels gerade durch verkehrte oder mangelhafte Ausführung vielfache Anfechtungen erfahren hat. Und dem zu begegnen, habe ich im vorigen Herbste die hiesige Militärverwaltung ersucht, an ihren Obstpflanzungen die Schutzgürtel anbringen und regelmäßig unterhalten zu lassen; ich darf nicht zweifeln, daß das militärische jubeo der Sache gute Früchte bringen – und den Zweck erreichen lassen wird. Wenn gleich die Behandlung der Schutzgürtel eine ziemlich bekannte Sache für Viele ist, so glaube ich doch darüber hier noch einiges Nähere mittheilen zu sollen. Am besten nimmt man dazu einen Streifen etwas steifes Papier von der Breite einer Mannshand, den man mit Bindfaden in einer Höhe von 4 bis 5 Fuß auf den Baumstamm fest aufbindet. Ist letzterer an der gewählten Stelle nicht ganz rund, wie dieses namentlich bei älteren Stämmen vorkommt, so werden die ungleichen Stellen zuvor mit feuchtem Lehm ausgeglichen. Hierauf gibt man dem Papierstreifen sogleich einen Anstrich mit einer klebrigen nicht zu schnell trocknenden Masse, und zwar sogleich einen zweimaligen, weil der erste, in das Papier eindringend, gewöhnlich zu wenig Körper auf der Oberfläche zurückläßt. Der Steinkohlentheer ist hiezu insbesondere auch wegen seiner Wohlfeilheit sehr geeignet, doch thut man wohl, demselben eine Auflösung von Leinöl und Colophonium in geringer Quantität, die von der größeren oder geringeren Consistenz des Theers abhängt, zuzusetzen, um das sonst schnellere Auftrocknen des Anstrichs bei trockenem Wetter zu verhindern; die kleine Mehrausgabe wird zureichend durch die Ersparung an Arbeitszeit ausgeglichen, indem alsdann die Erneuerung des Anstrichs selten nothwendig wird.

Was die Zeit für die Anwendung betrifft, so ist es rathsam, damit schon vor Ende Oktober zu beginnen, und mit der Unterhaltung bis zum Eintreten sehr starker Fröste fortzufahren. Es ist ausgemacht, daß nicht alle Puppen des Frostschmetterlings im Herbste ausschlüpfen, sondern häufig noch einige Nachzügler, je nach den Witterungsverhältnissen eine größere oder geringere Anzahl derselben, erst im Frühjahre auskommen, deren Raupen davon wiederum im Sommer die letzten sind, welche zur Verpuppung gelangen. Es ist daher rathsam, die Gürtel an den Baumstämmen zu lassen, und im folgenden Frühjahre mit dem Anstriche noch einige Zeit, jedenfalls vom April bis in die Hälfte Mai fortzufahren. Diese Arbeit lohnt sich doppelt, weil damit zugleich eine Menge Rüsselkäfer und andere den Obstbäumen schädliche Insekten auf den Schutzgürteln gefangen werden; man sehe nur um diese Zeit die Gürtel nach, welche saubere Gesellschaft sich auf denselben unfreiwillig zusammenfindet, und man wird meine Bemerkung bestätigt finden. Wer die etwas größere Mühe nicht scheut, und den Gürteln am oberen Theile einen überstehenden oder umgebogenen Rand aus dem steifen Papier desselben geben will, verhütet noch sicherer [173] das Auftrocknen des Anstrichs, der sich an den übergehenden Randtheilen länger klebrig erhält, weil Luft und Sonne minder auf denselben einwirken können. Es wurde bereits bemerkt, daß sich die Raupen in der Nähe der Bäume, auf denen sie gelebt und gezehrt haben, in der Erde verpuppen. Gräbt man daher zeitig im Oktober oder auch noch früher den Boden um diese Bäume in möglichster Ausdehnung um, so werden damit schon viele Puppen zerstört. Den Raupen läßt sich auf Hochstämmen nur dann mit einigem Erfolge beikommen, wenn sie etwas herangewachsen sind. Man sucht sie durch Anklopfen der Aeste herabzubringen, was aber nur mit solchen Stangen oder Holzstücken geschehen darf, welche am oberen Theile mit einem weichen Stoffe, alten Tüchern etc., ziemlich dick umwickelt sind, im andern Falle würde die Rinde vielfältig beschädigt werden. Hindert daran nicht eine bereits stark herausgewachsene Aussaat auf dem Baumstücke, so ist es sehr zweckmäßig, vor dem Abklopfen größere leinene Tücher auszubreiten, um der herabfallenden Spanner um so vollständiger habhaft zu werden.

Uebrigens leisten auch bei dieser Raupenjagd die Theergürtel gute Dienste, indem sie die Rückkehr der abgefallenen Raupen, welche man nach dem Abklopfen nicht bekommen hat, auf den Baum hindern. Noch ist zu erwähnen, daß auch ein anderer Spanner, nämlich die Raupe der Geometra defoliaria, des Waldlindenspanners, in manchen Jahren durch ihr massenhaftes Auftreten unseren Obstbäumen sehr nachtheilig wird. Hier kam solches in den vierziger Jahren vor. Es gilt von dem Schmetterlinge und der Raupe alles bei der Geometra brumata Gesagte.

Die Raupe ist braunroth, in jeder Seite mit einem breiten schwefelgelben Streifen, in welchem auf jedem Abschnitt ein rothbraunes Strichelchen steht; der etwas blasse Kopf ist oben herzförmig eingeschnitten. In der Ruhe sitzt sie mit gekrümmtem Leibe und aufgerichtetem Vordertheil des Körpers.

Neben den Schlupfwespen, Ameisen und anderen Insekten, sind aus der Thierwelt die kleinen insektenfressenden Vögel, vor allen die verschiedenen Meisenarten unsere fleißigsten Hülfstruppen in Vertilgung der beiden Spanner. Es kann daher den Besitzern von Obstgärten und Obststücken nicht genug empfohlen werden, dieselben nicht nur möglichst zu schonen, sondern ihnen auch die Ansiedelung bei uns thunlichst zu erleichtern. Bei den Meisen geschieht dieses mit Erfolg durch das Anbringen gefertigter Meisenkästen an stärkeren Bäumen, in denen sich namentlich die Blaumeise bald und gerne ansiedelt, und ihre Kinder darin mit Tausenden von Spannern groß füttert. Sind Waldungen in der Nähe, so kann man durch Anbringen der bekannten Staarenkästen, wie sie nach dem Bairischen Hochgebirge hin häufig gefunden werden, auch diese fleißigen Jäger nach dem grünen Spanner anziehen. Elementare Ereignisse vernichten oft gründlicher als alle anderen Mittel den Schmetterling oder die Raupe; allein bis dieselben eintreten, verfließen oft mehrere Jahre und bis dahin sind nicht nur häufig enorme unmittelbare Verluste durch den Ausfall sonst zu erwartender Obsterndten entstanden, sondern die Bäume auch in den weiteren Jahren durch die Erschöpfung für den Fruchtertrag unfähig gemacht.

Auch hier wie vielfältig anderwärts bietet die weise Schöpfung dem Menschen die Möglichkeit, durch Anwendung seiner [174] Verstandes- und Körperkräfte des Feindes sich zu erwehren, indem sie diesem ausnahmsweise so ausgestattet hat, daß man ihm – dem unbeflügelten Weibchen – beizukommen vermag.

Nach der im Herzogthum Nassau bestehenden Gesetzgebung würden die Ortsfeldgerichte competent seyn, die Anwendung der Schutzgürtel durch Zwangsvorschriften zu sichern. Ungeachtet mehrfacher Anmahnungen ist aber darin bis jetzt noch wenig geschehen. Dieses hat mich nunmehr veranlaßt, bei der einschlagenden oberen Verwaltungsbehörde die Erlassung zweckmäßiger Vorschriften über den Gegenstand anzuregen. Ich habe Grund anzunehmen, daß die Anträge Berücksichtigung finden werden.

Ich schließe diese Mittheilungen mit der Bitte an den Herrn Verfasser der im Eingange gedachten Ankündigung, daß er gefällig erwägen möge, ob seine Mittheilungen nicht viel schneller die gewünschte Gemeinnützigkeit erlangen würden, wenn er sich statt des eingeschlagenen Wegs mit den geeigneten Offerten an unsere landwirthschaftlichen Vereine wenden wollte; diese haben ja vorzugsweise den Beruf und auch die Mittel, werthvolle Erfahrungen zu verbreiten und denjenigen, welche sie ermittelt haben, auch eine billige pecuniäre Anerkennung dafür zuzuwenden.

Anm. Bei ältern Obstbäumen geschieht das Befestigen der Theerbänder sehr leicht, schnell und gut und ohne allen Nachtheil für den Baum, mittelst einiger ganz kurzer breitköpfiger Nägel, die vorher in Oel getaucht wurden, mit denen man sowohl am obern und untern Rand als auch da, wo in der Mitte die Enden zusammenstoßen, die Streifen festnagelt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Friedr. Aug. Pinckert: Habt Acht! Vertilgung der Spannraupe. In: Vereinigte Frauendorfer Blätter. Jg. 1855, Nr. 3, S. 18 MDZ München
  2. Vorlage: wirklichen (vgl. Anzeige von Druckfehlern)