RE:Aitne 1

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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der Vulkan Aetna im Nordosten von Sicilien
Band I,1 (1893) S. 1111 (IA)–1112 (IA)
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Aitne (Αἴτνη, von αἴθω?), Aetna. 1) Der noch jetzt Etna (bei den Sicilianern auch Monte Gibello oder einfach il Monte) genannte Vulcan im Nordosten von Sicilien. Seine Basis umfliesst nördlich der Akesines Alcantara, südlich der Symaithos Simeto; der untere Umfang des Berges lässt sich auf ca. 100 km., die von ihm bedeckte Grundfläche auf über 1000 qkm. schätzen. Die jetzige Höhe, 3313 m., dürfte der alten ziemlich entsprechen: möglicherweise erhob sich der Gipfel noch etwas höher, doch sind die Beobachtungen, aus welchen man in der Kaiserzeit auf ein Abnehmen der Höhe zu schliessen glaubte, wenig vertrauenerweckend (quod aliquando longius navigantibus solebat ostendi Seneca ep. 79; ähnlich Aelian n. h. VIII 11). Viel niedriger kann er nicht gewesen sein, weil sich schon in geringer Höhe unter dem Gipfel, 2917 m. über dem Meer, Reste eines römischen Baues (torre del filosofo) erhalten haben. Die drei Zonen, in welche sich auch jetzt die Vegetation des A. scheidet, werden bereits in der ausführlichen Beschreibung des Strabo (VI 273ff.) hervorgehoben: zu unterst die reiche Kulturzone (bis etwa 1000 m.), wo auf der vulcanischen Asche besonders der Weinstock gedeiht (Strab. V 247. VI 269), die Waldzone (bis ca. 2000 m.) und die kahle, den grösseren Teil des Jahres schneebedeckte Wüstenzone. Dem Gipfelkrater selbst geben Strabon und Plinius (III 88) 20 Stadien Umfang (jetzt 3–5 km.): er spie auch damals nur Dampf und Asche aus, während die Lavaausbrüche sich ihren Weg durch die Seiten des Berges bahnten. Über diese Ausbrüche haben wir erst seit dem 5. Jhdt. v. Chr. genauere Kunde, denn die Angabe Diodors (V 6), dass die Sikaner durch Lavaströme aus ihren Ursitzen nach dem Westen der Insel auszuwandern [1112] gezwungen seien, ist vermutlich nur eine Hypothese des Timaeus. Ausdrücklich zählt Thukydides (III 116) den Ausbruch von 425, welcher sich gegen das Gebiet von Catana wandte, als dritten seit der Besiedelung Siciliens durch die Hellenen. Der zweite Ausbruch, den er fünfzig Jahre früher datiert, ist möglicherweise identisch mit dem im Marmor Parium auf 479 v. Chr. gesetzten (FHG I 551) und hat die poetischen Schilderungen des Pindar (Pyth. I 20ff.) und Aeschylus (Prometh. 351ff.) veranlasst. Über das Datum des von Thukydides als ersten gezählten Ausbruches wissen wir nichts: dass die vulcanische Thätigkeit des A. bereits dem Hesiod bekannt gewesen sei, ist sehr unsicher (Theog. 860 haben die Hss. ἀιδνῇς, so auch die Scholien und Tzetzes z. Lykophr. 688; Ἀίτνης an letzterer Stelle ist nur eine wenn auch alte Conjectur). Nach 400 sind hauptsächlich folgende Ausbrüche bekannt: 396 (bis ins Meer, Diod. XIV 59. Oros. II 18, 6); 141 (Obseq. 23); 135 (Obseq. 26. Oros. V 6, 2); 126 (Obseq. 29. Oros. V 10, 11); 122 (Oros. V 13, 3; Catana zerstört); ca. 50 (carmen de b. civ. 135 bei Petron. 122); 44 (Verg. Georg. I 471. Serv. z. d. St.); 38 (Appian b. c. V 117, vgl. 114 die Schilderung des durch einen Lavastrom [ῥύαξ] verwüsteten Gebietes); 32 (Cass. Dio L 8). Es folgte eine Zeit grösserer Ruhe: wir hören allerdings von einem Ausbruche um 40 n. Chr. (Suet. Gai. 51); aber zu Senecas Zeit war man der Ansicht, dass der Berg infolge der Abnahme des unterirdischen Feuers in sich zusammensinke (ep. 79), und Besteigungen waren nichts Ungewöhnliches (Friedländer S.-G. II 191). Auch die Kritik, welche Favorinus (bei Gell. XVII 10) an der – wesentlich Pindars angeführte Stelle nachahmenden – Beschreibung des Vergil Aen. III 570–577 übt, geht von der Vorstellung mässiger Thätigkeit aus. Die poetischen Schilderungen (Lucil. Aetna 461. Sil. Ital. XIV 58–69. Claud. de raptu Pros. I 158–176) übertragen und übertreiben die Details (so leitet Claud. a. a. O. seine Schilderung ein: Aetnaeos apices solo cognoscere visu, non aditu tentare licet). Auch zu Orosius Zeiten war der Berg fast ruhig und erinnerte nur durch seinen Rauch an seine vulcanische Natur (Oros. II 14).

Der Mythenbildung wie der Naturforschung hat der A. reichen Stoff geboten. Er gilt als die Bergmasse, welche Zeus auf den Giganten Typhon (Pind. Aeschyl. a. a. O. Strab. XIII 626) oder Enkelados (Verg. a. a. O. Oppian cyn. I 273) warf; bei anderen als Werkstätte des Hephaistos und seiner Kyklopen (Cic. de div. II 19; vgl. Lucil. Aetn. 41–71. Solin 11). Erklärungsversuche u. a. bei Lucret. VI 639ff. Seneca ep. 92. Ovid. met. XV 299. Iust. IV 1. Lucil. Aetna 511ff. Vgl. Nissen Ital. L.-K. I 250. 274. 277. 280. Neueres Hauptwerk Sartorius v. Waltershausen Atlas des A., 2. Aufl. v. Lasaulx, Leipzig 1880.