Ἄμβλωσις, Abtreibung der Leibesfrucht, ἀμβλωθρίδιον sowohl die Frucht als das Abtreibungsmittel (Suidas s. v.). An sich verstiess die Abtreibung bei den Griechen nicht gegen das sittliche Gefühl, denn Platon (rep. V 461 c; Theaet. 149 d) hielt sie nicht für unstatthaft, und Aristoteles (Polit. VII 4, 10 p. 1335b) empfahl sie sogar zur Verhütung allzugrosser Fruchtbarkeit. Der Stoiker Musonius Rufus dagegen bei Stob. Flor. LXXV 15 eifert gegen sie und spricht davon, dass ,die Gesetzgeber‘ den Frauen die Abtreibung verboten und auf den Ungehorsam Strafe [1805] gesetzt hätten. Auch Galen XIX 178 K. behauptet von Lykurgos und Solon, sie haben τιμωρίαν τῷ αἰτίῳ τῆς ἐξαμβλώσεως γενομένῳ festgesetzt. Das letzte ist wohl aber so zu deuten, dass das Gesetz den Schwangeren seinen besonderen Schutz gegen Verletzungen angedeihen liess. Unter des Lysias Namen gab es denn auch eine Rede κατὰ Ἀντιγένους ἀμβλώσεως, aus deren Bruchstücken hervorgeht (Hoelscher De vita et scriptis Lysiae 134. Sauppe orat. Att II 175), dass Antigenes des Mordes beschuldigt wurde wegen einer von der Schwester des Sprechers erfolgten Fehlgeburt. In dieser Rede wurde auch die von den Philosophen behandelte Frage (Plut. de placit. philos. V 15) erörtert, εἰ τὸ ἔτι ἐγκυούμενον ἄνθρωπός ἐστι καὶ εἰ ἀνεύθυνα τὰ τῶν ἀμβλώσεων ταῖς γυναιξί. Danach wäre die Strafbarkeit der Abtreibung in Athen gesetzlich mindestens zweifelhaft gewesen. Und wenn Cicero Cluent. 32 erzählt, eine Frau aus Milet sei seinerzeit wegen Abtreibung zum Tode verurteilt worden, so ist der Fall dadurch verwickelt, dass sie durch Seitenerben bestochen war. Vgl. Meier-Lipsius Att. Process 381. Hermann-Blümner Privataltertümer 76; s. auch Art. Abortio.