Amynos (Ἄμυνος). 1) Athenischer Heilgott, von dem wir erst durch die Ausgrabungen am Westabhange der Akropolis etwas wissen, die das deutsche archäologische Institut in den J. 1892–1895 ausgeführt und A. Körte scharfsinnig und methodisch verwertet hat. Es ist dabei ein Bezirk herausgekommen, dessen Umfassungsmauern ein unregelmässiges Viereck bilden; im Westen, wo auch das Eingangsthor lag, grenzt er an die alte Fahrstrasse, die zwischen Areopag und Pnyxgebirge hindurch in Windungen bis zur Akropolis hinaufführte; im Norden an einen steileren Fussweg, auch zur Burg. Der Bezirk war durchschnittlich 19 m. lang und 13 m. breit, enthielt eine kleine, sehr einfache Capelle von etwa 3,30:3,50 m., in der ein Opfertisch stand, und davor einen in den Schieferfels eingeschnittenen Brunnen, der schon in peisistratischer Zeit durch eine Thonröhrenleitung gespeist wurde und noch jetzt gutes Trinkwasser liefern soll; eins der wichtigsten Erfordernisse für jede noch so kleine Heilanstalt. Die Funde gehen schon in sehr frühe Zeit hinauf; freilich beweisen protokorinthische Scherben noch nicht, dass damals der Ort schon von einem Heiligtum eingenommen wurde. Um so deutlicher sprechen für das 4. Jhdt. v. Chr. die Inschriften. Eine Weihung gilt nur dem A. (Mitte 4. Jhdt.); eine andere dem Asklepios [,und‘ weggelassen aber zu ergänzen] A. (Anfang 4. Jhdt.); im Anfange des 1. Jhdts. n. Chr. weiht jemand dem A., Asklepios und der Hygeia, wobei also noch der eigentliche Herr des Heiligtums den ihm zukommenden ersten Platz wahrt, während die Eindringlinge folgen. Aus dem 4. Jhdt. stammen auch zwei an derselben Stelle gefundene Decrete von Orgeonen, d. h. einer privaten Cultgenossenschaft, die sich nach A., Asklepios und Dexion nennt und als Beamte zwei ἱστιάτορες hatte. Von den Gottheiten ist Dexion (s. Bd. V S. 287) kein anderer als der nach seinem Tode heroisierte Tragiker Sophokles, der so hiess ἀπὸ τῆς Ἀσκληπιοῦ δεξιώσεως (Etym. M. s. Δεξίων); wir können also mit Körte annehmen, dass Asklepios durch die Mitwirkung des Sophokles auch in diesen Verein gekommen ist, was um so wahrscheinlicher wird, wenn Sophokles Priester des A. war. Dies gewinnt man aus dem Leben des Sophokles § 11, wenn man statt ΑΛΩΝΟC (woraus man seit MeinekeἌλκωνος zu machen pflegte) das paläographisch nicht sehr verschiedene ΑΜΥΝΟΥ einsetzt. Dann war A. ein ἥρως μετ’ Ἀσκληπιοῦ παρὰ Χίρωνι τραφείς, in Wahrheit ein altes, von Asklepios ursprünglich ganz unabhängiges göttliches Wesen, das man anruft, wie die Griechen in der Ilias (I 67) den Phoibos Apollon, um ἡμῖν ἀπὸ λοιγὸν ἀμῦναι. Das Hinzutreten des Asklepios, der im J. 420/19 in Athen einzog, gab auch dem alten Gott den bekannten Typus; aber verdrängt wurde er erst ganz spät. Litteratur: A. Körte Athen, Mitt. XVIII 1893, 231ff. (mit
[74] W. Dörpfeld XXI 1896, 287ff. (Hauptartikel) mit Plan XI. Dörpfeld Ant. Denkmäler II Taf. 37. 38; vgl. E. Ziebarth Griech. Vereinswesen 33. 165. 184. 187; einzelne Inschriften auch bei Dittenberger Syll.² 725. Michel Recueil nr. 966. Bull. hell. XVIII 491. CIA. IV 2 p. 306 nr. 617 c.