Bastarnae (Basternae, über die Namensform s. den Schluss des Artikels). Die B. sind das erste grössere germanische Volk, das aus seinen Stammsitzen (vermutlich an der oberen Weichsel, Zeuss Die Deutschen 129) aufbrach und in den näheren Bereich der Kulturwelt trat. Zu Anfang des 2. Jhdts. v. Chr. finden wir sie bereits bis zur Mündung der Donau vorgerückt (auf dem nördlichen Ufer der Donau). Als ἐπήλυδες in der Nähe des Pontus bezeichnet sie Ps.-Skymn. 797 (s. Müllenhoff Deutsche Altertumskunde II 104). König Philipp von Makedonien suchte sie im J. 182 zu einer weiteren Auswanderung an die Nordgrenze seines Reiches zu veranlassen, einmal um ein Gegengewicht gegen die Dardaner die alten Feinde Makedoniens, zu schaffen, dann um sie zu einem Angriff auf die Römer in Italien zu gebrauchen. Der Tod des Königs liess es nicht [111] zur Ausführung des ganzen Unternehmens kommen. Sein Nachfolger Perseus wusste sie gleichfalls für sich zu gewinnen. Ein Heerhaufe von 30 000 Mann unter Führung des Clondicus machte den Dardanern viel zu schaffen (Liv. XL 5. 57. 58. Polyb. XXVI 9. Liv. XLI 19. 23. Oros. IV 20, 34). Im J. 168 war derselbe Clondicus noch einmal bereit mit 20 000 Mann (10 000 Reitern und 10 000 Parabaten) dem Perseus gegen die Römer beizustehen, aber der König entfremdete sich die Bundesgenossen durch seinen Geiz (Liv. XLIV 26f. Diod. XXX 24. Plut. Aem. Paul. 9. 12. 13. Appian. Maked. 18; vgl. Nissen Untersuchungen 238, 240f. 264. 299f. [Polybios die Hauptquelle dieser Nachrichten]. Mommsen R. G. I⁸ 759ff. Müllenhoff a. O. II 105). Dagegen waren sie unter den Verbündeten des Königs Mithradates und zeichneten sich durch kriegerische Tüchtigkeit aus (Appian. Mithr. 15. 69. 71. Memnon FHG III 545. Inst. XXXVIII 3); sie figurieren daher unter den Völkern, über welche Pompeius triumphierte (Plin. n. h. VII 98, wo allerdings Bastreni überliefert ist, s. Müllenhoff a. O. II 107. Mommsen R. G. II 276. III 56). C. Antonius, der College Ciceros, bekam während seiner Statthalterschaft in Makedonien mit ihnen zu thun und holte sich eine Schlappe (Dio XXXVIII 10); schliesslich brachte ihnen M. Licinius Crassus mehrere Niederlagen bei (im J. 29 v. Chr.), ohne jedoch ihren wiederholten Einfällen in Thrakien ein Ziel setzen zu können (Liv. epit. 134. Dio LI 23ff. Vict. epit. 1, 7; vgl. Schiller Gesch. der röm. Kaiserzeit I 234. Müllenhoff a. O. III 148ff.). Jedenfalls konnte sich Augustus rühmen nostram amicitiam petierunt per legatos Bastarnae Scythaeque Mon. Ancyr. V 51f. (gr. XVI 18f.). Ihre Wohnsitze erstreckten sich damals von der Ostseite der Karpathen bis zu den Donaumündungen, sie werden als Nachbarn der Daker bezeichnet (vgl. Strab. III 128. VII 289. 294ff. 305f. Plin. n. h. IV 80f. 100). Ptol. III 5, 7 führt als Bewohner des europäischen Sarmatiens an ὑπὲρ τὴν Δακίαν Πευκινοί τε καὶ Βαστέρναι und III 5, 10 μεταξὺ Πευκινῶν καὶ Βαστερνῶν Καρπιανοί (vgl. den Artikel Peucini. Zeuss a. O. 130. 442. Müllenhoff a. O. 107f.). Peucini wurden sie später von den Römern vielfach genannt (von der Donauinsel Peuke), Tac. Germ. 46. Auch nach dem Friedensschluss unter Augustus blieben sie kriegerisch. Über die Gärungen der Völker an der unteren Donau (vgl. Tac. ann. II 65) haben wir aus der letzten Zeit des Nero den Bericht des damaligen Statthalters von Moesien, Ti. Plautius Silvanus Aelianus (CIL XIV 3608 = Dessau Inscr. 986), worin es u. a. heisst: regibus Bastarnarum et Rhoxolanorum filios, Dacorum fratrum (lies fratres?) captos aut hostibus ereptos remisit (Mommsen R. G. V 198). Im Markomannenkrieg erscheinen sie unter den gegen Rom verbündeten Völkern (Hist. Aug. M. Anton. 22), auch im Verein mit den Gothen sollen sie mehrere Raubzüge unternommen haben (Zos. I 42. 71). Mit diesen und andern andringenden Völkern werden sie sich immer mehr verschmolzen haben. Ihre Reste sollen in einer Stärke von 100 000 vom Kaiser Probus (Hist. Aug. Probus 18) auf das rechte Donauufer versetzt worden sein. Damit verschwindet ihr Name aus der Geschichte. [112] Von Späteren erwähnen ihren Namen noch Claudian. de IV cons. Honorii 450; de cons. Stil. I 96 und Sidon. Apoll. carm. V 474. VII 323. Claudian scheint unter den B. Gothen zu verstehen (Zeuss a. O. 442).
Die B. waren nach der polybianischen Schilderung (vgl. Liv. und Plut.) von grossem starkem Körperbau (Athen. V 213), streitlustig, verwegen, ruhmredig, dabei grossmütig gegen Feinde, nur auf Krieg bedacht, um Ackerbau und Viehzucht kümmerten sie sich nicht. Weiber und Kinder führten sie auf ihren Kriegszügen mit sich. Ihre Reiter kämpften mit Fussvolk gemischt, so dass jeder Reiter einen Parabaten hatte (Plut. a. O. 12; vgl. Liv. XLIV 26. Val. Flacc. VI 95f.), eine Einrichtung, die Kelten und Germanen gemeinsam war (Zeuss 129). Dio LI 24 spricht von ihrer Liebe zum Trunk. Sie zerfielen in mehrere Stämme (εἰς πλείω φῦλα διῃρημένοι Strab. VII 306) und standen unter Königen und Häuptlingen aus vornehmem Geschlecht (Liv. XL 5 nobiles iuvenes et regii quosdam generis, quorum unus sororem suam in matrimonium Philippi filio pollicebatur. XL 57 Cotto nobilis Bastarna. XL 58 Clondicus dux. XLIV 26 Clondicus regulus. Dio LI 24 Δέλδων βασιλεύς. CIL XIV 3608 regibus Bastarnarum), vgl. Müllenhoff a. O. II 105f. Über die Abstammung der B. lässt sich aus den wenigen erhaltenen Namen ein Beweis nicht führen; doch ist kein Zweifel, dass wir es mit einem deutschen Volk zu thun haben. Den Griechen galten sie als Galater (Polybios, aus dem Livius schöpft, und Plut. a. O.), als Geten (Appian.) oder gar als Skythen (Dio LI 23). Erst Strabon vermutete den deutschen Ursprung, ist seiner Sache aber auch nicht sicher (VII 306 σχεδόν τι καὶ αὐτοὶ τοῦ Γερμανικοῦ γένους ὄντες). Besser wussten die Römer Kelten und Germanen zu unterscheiden; Plinius rechnet die B. unbedenklich zu den Germanen (n. h. IV 81), und mit etwas geringerer Sicherheit auch Tacitus Germ. 46 Peucini, quos quidam Bastarnas vocant, sermone cultu sede ac domiciliis ut Germani agunt; vgl. Zeuss 128. Müllenhoff II 106. 108f. Marcks in der Festschrift der 43. Philologenversammlung (Cöln) 188. Der Name B. ist noch nicht sicher gedeutet. Die Deutungsversuche von Ζeuss und Grimm werden von Müllenhoff abgewiesen. R. Much (Deutsche Stammsitze 37) deutet sie als ‚Blendlinge‘ (vgl. Bastard). Was die Form des Namens angeht, so ist Bastarnae besser beglaubigt und sicher die ältere Form, so bei Polybios, Ps.-Skymn. 797, Livius, Strabon, im Mon. Ancyranum, CIL XIV 3608, Tacitus Germ. 46 (dagegen ann. II 65 Basternas, was Rhenanus in Bastarnas änderte), Dion. perieg. 302 (Steph. Byz.), Dio, Sidon. Apoll., Batarnas bietet Val. Flacc. VI 96 (wohl des Metrums wegen), Blastarni verschrieben die Tab. Peut. (neben Alpes Bastarnice). Für Basternae spricht die Überlieferung (einstimmig oder überwiegend) bei Trog. Pomp. prol. 28. 32 (dagegen Bastarn. Iust.), Ovid. tr. II 198, Plin. n. h. IV 100 (vgl. IV 81 Basternaei, VII 98 Bastrenis, var. Bostrenis und Bastenis, s. o.), Appian (einzelne Hss. Βασταρν.), Memnon bei Phot. bibl. p. 233 Bk., Ptol. III 5, 7 (var. Βασταρν.). Hist. Aug., Eutrop. IX 25, Orosius u. a. Einen Soldaten Namens L. Valerius Basterna erwähnt [113] das Militärdiplom vom J. 98, CIL III p. 862.