RE:Chorobates

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Vorrichtung zur Feststellung d. Horizontallinie
Band III,2 (1899) S. 24392440
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Chorobates (χωροβάτης) wird von Vitruv. VIII 6 als eine Vorrichtung zur Feststellung der Horizontallinie eines Ortes in einer gegebenen Richtung beschrieben. Wörtlich bedeutet Ch. wohl den ,auf einer Ebene dahinschreitenden‘, d. i. nach Bedarf von einem Orte zum andern fortzubewegenden Apparat; seiner Gestalt nach aber wird man ihn passend ,Horizontalständer‘ nennen. Ein hölzernes, 20 Fuss = 5,9 m. langes und entsprechend starkes Richtscheit ruhte an jedem Ende auf einem rechtwinklig daran gefügten Fussgestell, so dass, wenn das Ganze auf einem vollkommen ebenen Boden stand, das Richtscheit genau die horizontale Lage angab (Hultsch Abh. Gesellsch. d. Wiss. Göttingen N. F. I nr. 5, 25f.). Um die rechtwinklige Fügung zwischen Richtscheit und Fussständern zu sichern, waren in jeder oberen Ecke Bretter in der Form von rechtwinkligen Dreiecken eingezapft, die das Richtscheit und je ein Fussgestell zusammenhielten. Auf jedem Brette war parallel zu dem Fussständer, mithin rechtwinklig zu dem Richtscheite, eine gerade Linie gezogen, mit welcher je ein am Richtscheit angebrachtes Lot zusammenfallen musste, wenn das ganze Gestell auf ebenem Boden sich befand. Wich aber die Lotrichtung von der zum Richtscheite normalen Linie ab, so musste der Geometer, um die Horizontallinie aufnehmen zu können, den Boden entweder an der einen Seite so weit erhöhen oder an der andern Seite niedriger [2440] machen, bis die Perpendikel links und rechts mit den auf den Eckbrettern gezogenen geraden Linien zusammenfielen. Für den nicht seltenen Fall aber, dass stärkere Winde wehten und die Perpendikel von der Lotrichtung ablenkten, war auf der oberen Fläche des Richtscheites eine Rinne von 148 cm. Länge, 2 cm. Breite und 3 cm. Tiefe eingegraben. Nachdem diese mit Wasser gefüllt war, musste, ähnlich wie vorher, die Stellung des Ch. so geregelt werden, dass das Wasser an den beiden Enden der Rinne gleich hoch stand. Der Ch. verrichtete also dann den Dienst einer Wasserwage (libra aquaria), und zwar zeigte er, wie Vitruv hinzufügt, die horizontale Richtung genauer an als die sonst übliche Wasserwage, und auch genauer als die Dioptra (s. d.). Dieser Vorzug war wohl den grösseren Dimensionen des Ch. zu danken. Nach den Anschauungen der Gegenwart muss dieses Instrument freilich als sehr unhandlich und wenig genau gelten. Der Länge von rund 6 m. mag eine Höhe von 1,4 m. entsprochen haben; denn so konnte der Geometer sowohl, wenn er ein wenig sich niederbeugte, die Übereinstimmung der Lote mit den Linien auf den Eckbrettern controllieren, als auch, falls die obere Rinne mit Wasser zu füllen war, neben dem Apparate stehend den gleichmässigen Stand des Wassers beobachten. Aus dem Berichte des Vitruv geht noch hervor, dass der Ch. hauptsächlich bei der Anlage von Wasserleitungen verwendet wurde. Auf dem hochgelegenen Platze, wo das Wasser in die Leitung eingeführt werden sollte, mass man zuerst den Winkel, welchen die durch den Ch. angezeigte Horizontallinie mit dem ersten Abschnitte des Leitungscanales bildete; dazu kamen dann, je nach der Bodengestaltung, weitere Winkelmessungen bei den andern Abschnitten des Canals hinzu. Um das Leitungswasser jedenfalls in mässiger Neigung und doch mit möglichst hohem Druck bis in die bewohnte Stätte zu führen, mussten dazwischen liegende Thäler und Niederungen durch Substructionen überbrückt werden (vgl. Wasserleitungen). So begleitete der Ch. die Bauausführung eines Aquaeductes vom Anfang bis zum Ende, immer ein Minimum des Falles für das in den Leitungscanal einzuführende Wasser gewährleistend. Eine nicht unwahrscheinliche Wiederherstellung der in den Hss. nicht überlieferten Figur bietet Stratico zu Vitruv. a. a. O. in Vitruvii Poll. architectura cum notis variorum, Utini 1825–29, Bd. III Taf. V 2; doch sind die Verbindungen zwischen dem Richtscheite und den beiden Fussgestellen nicht durch Querleisten (wie Stratico vermutet), sondern, wie ich nach den Worten Vitruvs inter regulam et ancones a cardinibus (von den Ecken aus, wo Richtscheit und Fussgestell zusammentreffen) compacta transversaria angenommen habe, durch festgefügte Eckbretter gesichert worden.