RE:Codicarii

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Kahnschiffer des Tiber
Band IV,1 (1900) S. 173174
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Codicarii oder, wie sie sich auch nennen, codicarii navicularii (CIL XIV 106. 131. 170, 185) heissen die Kahnschiffer des Tiber (Varro bei Non. 535. Senec. de brev. vit. 13, 4). Sie zerfallen in zwei Abteilungen, je nachdem sie oberhalb oder unterhalb der Holzbrücke bei Rom ihr Gewerbe betreiben. Die codicarii navicularii infra pontem sublicium (CIL XIV 185) oder infernates (CIL XIV 131) sind natürlich von viel grösserer Bedeutung, weil sie den Verkehr der Hauptstadt mit dem Meere vermitteln. Von den Schiffen, die an der Tibermündung landen nehmen sie die Ladung in ihre Kähne auf (Strab. V 232) und lassen diese dann durch Ochsen den Strom hinaufziehen (Procop. bell. Goth. I 26). Sie haben daher ihr Standquartier in Ostia, wo fast alle ihre Inschriften zu Tage gekommen sind (CIL XIV 309: codicariorum curator Ostis im Gegensatz zu denjenigen, die in Rom stationieren), später, als hier der Hafen verschlämmt war, in dem gegenüberliegenden Portus (Procop. a. O.), weshalb sie auch im 4. Jhdt. meist im engsten Zusammenhange mit den mensores Portuenses genannt werden (Cod. Theod. XIV 4, 9. 15, 1. Dessau 1272 = CIL VI 1759). Denn ihre Hauptbeschäftigung ist der Kornhandel (codicarius item mercator frumentarius CIL XIV 4234. Cod. Theod. [174] XIV 4, 9. 15, 1); darum ist auch ihr Vorgesetzter der Praefectus Annonae (CIL XIV 106. 131), dessen Gerichtsbarkeit sie unterstehen (Dessau 1272. Cod. Theod. XIV 4, 9). Sie bilden ein corpus (CIL XIV 170. 4144. Dessau 1272. Cod. Theod. XIV 3, 2. 4, 9), d. h. eine staatlich anerkannte Genossenschaft, die unter den quinque corpora lenunculariorum Ostiensium die erste Stelle einnimmt. Denn wo diese gemeinsam eine Statue weihen, werden entweder die C. an der Spitze noch gesondert genannt (CIL XIV 170), oder ihre Vorstände besorgen die Anfertigung derselben (CIL XIV 4144, wo am Schlusse zu ergänzen ist: [cur (antibus) quin]q(uennalibus) corporis splendedissimi codicar(iorum)). Der Verein besitzt natürlich seine Patrone (CIL XIV 4144. Cod. Theod. XIV 3, 2. 4, 9); seine Leitung steht neben verschiedenen Honorati einem oder mehreren Curatoren zu (CIL XIV 309), die in bestimmten Zeitabständen durch Quinquennalen ersetzt werden (CIL XIV 4144).

Im 4. Jhdt. sind die C. zu einer Zwangsinnung geworden, der die Verpflichtung obliegt, im Verein mit den Mensores den römischen Bäckern das Korn zu einem staatlich vorgeschriebenen Preise zu liefern (Cod. Theod. XIV 15, 1). Dies hatte natürlich zur Folge, dass die Lieferungen sehr schlecht waren. Daher wurden die Patrone zur Aufsichtsbehörde gemacht, und, um Durchstechereien zu verhüten, verbot Constantius II., dass derselbe Mann das Patronat der Bäcker und der C. übernehme (Cod. Theod. XIV 3, 2). Valentinian I. beschränkte die Zahl der Modii, bei denen die C. nicht über den Zwangspreis hinausgehen durften, auf 200 000, verlangte aber dafür, dass wenigstens diese verminderte Menge in anständiger Qualität gestellt werde (Cod. Theod. XIV 15, 1), was er freilich nicht erreichte. Honorius verordnete, die C. und Mensores sollten aus ihren Patronen einen für je fünf Jahre als Oberaufseher der Getreidevorräte von Portus wählen. Dieser sollte bei seinen Collegen Getreideproben niederlegen, die sorgfältig geheim zu halten seien, damit sie niemand verfälsche und sie als sicherer Massstab für die Lieferungen nach Rom dienen könnten. Hatten die betreffenden Patrone ihre Amtsführung pflichttreu beendet, so sollten sie die Würde von Comites tertii ordinis geniessen; wurden sie auf Betrug ertappt, so war ihnen Verurteilung zur Arbeit in den Bäckereien angedroht. Dem Praefectus Annonae sollte gegen die drei ersten Patrone des Corpus keine körperliche Züchtigung gestattet sein, sondern nur dem Praefectus Urbis (Cod. Theod. XIV 4, 9). Nach dem J. 417 werden die C. nicht mehr erwähnt; wahrscheinlich sind die fünf verschiedenen Schiffergilden des Tiber später zu dem einen Corpus der navicularii amnici vereinigt worden, das im J. 450 nachweisbar ist (Nov. Val. 28). Henzen Ann. d. Inst. 1851, 160. E. Gebhardt Studien über das Verpflegungswesen von Rom und Constantinopel, Dorpat 1881, 18.

[Seeck. ]