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RE:Coniectio causae

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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Darstellung des Sach- und Streitstandes vor dem causa perorare
Band IV,1 (1900) S. 882884
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Coniectio causae bezeichnet im Process vor dem Privatrichter die dem causam perorare voraufgehende kurze Darstellung des Sach- und Streitstandes seitens der Parteien. Unrichtig dürfte es sein, dabei mit Keller ,vor allem an einen Vortrag über die vollzogene Legisactio‘ zu denken. So sicher der Richter irgendwie Kenntnis erhalten musste von dem Wortlaut der in iure gebrauchten Spruchformel, so wenig kann nach den Quellen eine derartige Mitteilung, falls sie überhaupt zur C. c. gehörte, deren wesentlichen Inhalt ausgemacht haben. Wenn Gaius (IV 15; dazu Sab.-Paul. Dig. L 17, 1) von den Parteien sagt, dass sie nach der Ankunft vor dem Iudex zuerst breviter ei et quasi per indicem rem exponere solebant und dies eine quasi causae suae in breve coactio nennt, so hat er wohl eine übersichtliche Vorführung der Thatsachen im Auge, auf die sich der Erwerb wie die Bestreitung der in den Process gezogenen Rechte stützt (so Karlowa). Hiernach wird man auch den Zweck der C. c. nicht darein setzen, die Parteien ‚gleichsam zu legitimieren.‘ Vielmehr sollte sie das leisten, wozu die Kenntnis der Legisactio allein nicht ausreicht: sie sollte den Richter so weit einführen in die Streitsache, dass er die Fähigkeit gewann, die folgende Verhandlung zweckmässig zu leiten. Wo es zur Verhandlung nicht kam, weil eine der Parteien ausgeblieben war, da fiel auch die C. c. weg (s. Art. Absentia, Addicere Bd. I S. 121. 349f.). Dies letztere ist zuverlässig der Zwölftafelstelle bei Gell. XVII 2, 10 zu entnehmen, obwohl nicht alle Textworte gesichert sind. Das Gesetz spricht ohne Zweifel von unserer C. c. (Gai. IV 15 solebant steht nicht entgegen) und verlangt, dass sie vor sich gehe ante meridiem. Die peroratio sollte sich unmittelbar anschliessen; die Annahme, dass sie erst in einem zweiten Termin nachfolgte, scheint mit dem Wortlaut des Gesetzes kaum vereinbar. Bestimmt bezeugt ist die C. c. nur für den durch Legisactio begründeten Privatprocess vor einem Richter; doch gehörte sie vermutlich auch dem [883] Rechtsgang vor den Centumvirn an. Dagegen wäre sie, wenn die Zeitformen bei Gai. IV 15 (solebant-dicebatur) mit Vorbedacht gewählt sind, weder in den Schriftformelprocess übernommen noch in das reformierte Legisactionenverfahren der Kaiserzeit. Indes haben jene Imperfecta mitten in einer Schilderung des alten, von Augustus beseitigten Spruchprocesses nicht gerade durchschlagende Beweiskraft. Masurius Sabinus bei Paulus (Dig. L 17, 1) zieht die C. c. noch heran zu einer Vergleichung, ebenso schreibt sie Gell. V 10, 9 dem hier augenscheinlich romanisierten Processe zwischen Protagoras und Euathlus zu; freilich kann letzterer eine Quelle aus voraugusteischer Zeit benutzt haben. Jedenfalls wissen wir nicht, wodurch die C. c. im späteren Process entbehrlich wurde. Durch die Vorweisung der Schriftformel (Gai. IV 141) wird der Privatrichter häufig nicht besser unterrichtet gewesen sein als ehemals durch die Mitteilung der Legisactio.

Quellen. Das oben genannte Zwölftafelgesetz aus Gell. XVII 2, 10 gilt fast allgemein (s. aber Karlowa Röm. Civilprocess 268–270) für identisch mit dem vom Auct. ad Her. II 20 angeführten (so Schoell Leg. XII tab. 118. Bruns Fontes iur. Rom. I⁶ 18f. M. Voigt Die XII Tafeln I 696. Huschke Röm. Jahr 314, 227. Bechmann Legisactio sacramenti 26f.), obwohl sich die Übereinstimmung auf drei Worte beschränkt. Möglich ist die Verknüpfung nur durch Textänderungen hier und dort. Hsl. überliefert ist bei Gellius coniciunt und conitiunt (Hertz), beim Auct. ad Her. cuicito und conicito, conitito (Marx); daraus hat man coniciunto gemacht (s. z. B. Mommsen bei Bruns a. O.). Das Gesetz bei Gellius betrifft unverkennbar den von Gai. IV 15 (wo Studemund mit Recht das hsl. collectio durch coniectio ersetzt) geschilderten Vorgang vor dem Privatrichter; die Notwendigkeit einer Textverbesserung ist kaum nachzuweisen. Dagegen bezieht man den Legalsatz im Auct. ad Her. besser auf das Verfahren in iure, wenn mit Lachmann (in Lucret. de rer. nat.⁴ p. 349) u. a. statt cuicito etwa conscito (= cognoscito) geschrieben wird. Wesentlich unterstützt ist diese Deutung durch Gaius lib. primo ad leg. duodec. tab. Dig. II 4, 22, 1: qui in ius vocatus est, ... dimittendus est, ... si, dum in ius venitur, de re transactum fuerit. Gaius Vorlage sind hier allem Anschein nach die Worte der Zwölftafeln beim Auct. ad Her.: Rem ubi pagunt, orat⟨o⟩; ni pagunt ... Weitere Erwähnungen der C. c: Afranius bei Nonius p. 267. Gell. V 10, 9 (wo das überlieferte consistendaeque schwerlich haltbar ist). Paul.-Sab. Dig. L 17, 1 (die grammatisch naheliegende Beziehung des Schlusssatzes auf C. c. statt auf regula ist aus sachlichen Gründen abzuweisen). Ps.-Ascon. in Verr. p. 164 Or. (aus Gai. IV 15 oder aus einer von diesem benutzten Quelle).

Litteratur. Ph. E. Huschke in Imman. G. Huschke Analecta litteraria (1826) 106; Das alte Röm. Jahr 314; Die Multa 448, 261. Zimmern Geschichte d. Röm. Privatrechts III 105f. 396, 8. Puchta Institutionen10 I 471f. 527. 537 gg. Wetzell Röm. Vindicationsprocess 56f. Keller-Wach Röm. Civilprocess⁶ § 13 z. n. 200. § 66, 759. W. Rein Privatrecht u. Civilprocess d. Römer [884] 898f. Rudorff Röm. Rechtsgeschichte II 79. 250f. Bethmann-Hollweg Civilprocess d. gemeinen Rechts I 180, 4. 184f. II 586, 4. Wieding Iustinian. Libellprocess 73–85. Karlowa Röm. Civilprocess z. Zeit der Legisactionen 268–270. 368–371. 374. J. E. Kuntze Cursus d. Röm. Rechts² 91f. 165. Madwig Verfassung u. Verwaltung II 257. M. Voigt Die XII Tafeln I 532f. 541. 565f. 696f. Baron Geschichte d. Röm. Rechts I § 201. Jörs Röm. Rechtswissenschaft I 292, 3. Bechmann S.-Ber. Akad. München 1890, 172.