Zum Inhalt springen

RE:Ἐπιορκία

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
(Weitergeleitet von RE:Epiorkia)
Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
korrigiert  
Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal Korrektur gelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Meineid = falscher Eid des Versprechens oder der Behauptung
Band VI,1 (1907) S. 190191
Bildergalerie im Original
Register VI,1 Alle Register
Linkvorlage für WP   
* {{RE|VI,1|190|191|Ἐπιορκία|[[REAutor]]|RE:Ἐπιορκία}}        

Ἐπιορκία. Nach einer Anführung aus Solonischen Gesetzen bei Lys. X 17 ἐπεγγυᾶν ἐπιορκήσαντα τὸν Ἀπόλλω war dort ἐπιορκεῖν im Sinne von ὀμνύναι gebraucht, sonst findet es sich nur in der Bedeutung des falschen Eides von Homer ab und zwar bei beiden Arten des Eides, die erst Chrysippos bei Stobaios flor. XXVIII 15 scheidet, dem des Versprechens Il. III 278. IV 158 und dem der Behauptung (nach Chrysippos eigentlich ψευδορκεῖν), Il. XIX 259. Hier erscheint der Meineidige mit Weib und Kind der Strafe der Götter verfallen, wie auch Hes. op. 284, der Spruch des delphischen Orakels bei Herodot. VI 86 und Lyk. Leokr. 79 die Nachwirkung eines Meineides auf das ganze Geschlecht hervorheben und Eusebios und Kleanthes bei Stob. a. O. 13f. selbst die Absicht des Meineides für gleich strafbar erklären. Anderseits aber wird schon Od. XIX 395 des Odysseus Großvater Autolykos bewundert, weil er ἀνθρώπους ἐξέκαστο κλεπτοσύνῃ θ’ ὄρκῳ τε· θεὸς δέ οἱ αὐτὸς ἔδωκε Ἑρμείας, und im Anschluß an Eur. Hippol. 612 ἡ γλῶσσ’ ὀμώμοχ’, ἡ δὲ φρὴν ἀνώμοτος werden mit Behagen mannigfache Erzählungen von listigen Meineiden vorgebracht, Polyb. XII 6. Polyaen. VI 22. VII 43. Strab. IX 401. Herodot. IV 201. Plut. mor. 223 a. Trotzdem spielt der Eid eine große Rolle, sowohl im Verkehr verschiedener Staaten, wie im öffentlichen Leben der Einzelstaaten, und neben den Anrufungen der Götter am Anfang stehen am Schluß die Verwünschungen für den Fall des Meineids bei Staatsverträgen, Dittenberger Syll.¹ 171, 68; Syll.² 101, 68. 81. 214, 55. 229, 11. 364, 23. 427, 32. Cauer Del.² 116. 117. IG II 5, 49 b, 25. 37, auch bei Verpflichtung einer Gemeinde gegen einen Unternehmer, Inscr. jur. gr. 144, 51. 55, bei Beamteneiden. Dittenberger Syll.² 2, 16. 432. 438, 16. 118, bei Richtereiden [Demosth.] XXIV 151. IG II 545, 12. Dittenberger Syll.² 512, 9, bei Bürgereiden. Cauer Del.² 121 B 31. Dittenberger Syll.² 462, bei Mysteneiden, Dittenberger Syll.² 653, 6, ja sogar bei einer Art Zeugeneid vor der Phratrie für die Rechtmäßigkeit der Einführung eines Kindes, Dittenberger Syll.² 439, 113. Die Verwünschungen sind bald kürzer, bald länger. Am ausführlichsten bezeichnenderweise in kretischen Urkunden, Cauer Del.² 116. 121, wobei abweichend von dem sonstigen Gebrauch der Fall des Eidbruchs voransteht, z. B. αἰ δέ τι ἐπιορκήσαιμι τῶν ὤμοσα ἢ τῶν συνεθέμαν, τός τε θεὸς τὸς ὤμοσα ἐμμανίας ἦμεν καὶ ἐξολλύσθαι κακίστῳ [191] ὀλέθρῳ καὶ μήτε δένδρεα καρπὸς φέρεν μήτε γυναίκας τίκτεν κατὰ φύσιν, τῷ τε πολέμῳ μή με σῶον νεέσθαι. Am ausgedehntesten ist natürlich die Anwendung des Eides vor Gericht, es finden sich jedoch dabei zwischen den beiden uns am besten bekannten Rechten von Gortyn und Athen sehr bemerkenswerte Unterschiede, zunächst bezüglich der Richter. Während in Athen die Geschworenen jährlich einmal auf dem Ardettos schwuren: ψηφιοῦμαι κατὰ τοὺς νόμους ... περὶ ὧν δ’ ἂν νόμοι μὴ ὦσιν, γνώμῃ τῇ δικαιοτάτῃ, muß in Gortyn im letzteren Falle der Richter in jeder einzelnen Sache ὀμνύντα κρίνεν, Bücheler und Zitelmann Recht von Gortyn 69. Sodann die Parteien. Während in Gortyn einander entgegenstehende Eide der Parteien vermieden werden und das Gesetz Anordnungen trifft, welche von beiden näher zum Eide (ὁρκώτερος) ist, a. O. 72 (ähnlich in Halikarnassos 5. Jhdt., Dittenberger Syll.² 10, 21), werden in Athen schon von altersher (Bekker Anekd. I 242, 19) gleich anfangs beide Parteien auf ihre Prozeßschriften vereidigt, ähnlich in Knidos (s. Ἀντωμοσία), eine Vorschrift, deren unheilvolle Wirkung Plat. leg. XII 948 d klar erkannt hat. Der Zeugeneid ist in beiden Rechten nicht durchweg erfordert, für Gortyn vgl. a. O. 75, in Athen nur in Mordklagen und sonst, wie es scheint, wenn die Gegenpartei es verlangte, Demosth. XLV 58. XLIX 20. LII 28. LIV 26. Das Verfahren von Knidos, Dittenberger Syll.² 512 A 27, sieht einen Eid nur für die abwesenden Zeugen (s. Ἐκμαρυρία), nicht für die anwesenden vor. Von einer gesetzlichen Strafe der ἐ. hören wir nirgends; die Klage ψευδομαρτυριῶν ist eine private. Nur wer dreimal in diesem Prozesse unterlag, verfiel der Atimie, man hatte aber das Recht, nach zweimaligem Verlust ein weiteres Zeugnis abzulehnen, Hyper. IV 12 Bl.