RE:Fauces

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Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft
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im römischen Haus Gang von der Haustür ins Atrium
Band VI,2 (1909) S. 20512053
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Fauces heißt nach Vitruv. VI 3, 6 der Gang, der im römischen Hause von der Haustüre ins Atrium führt. Dies ergibt sich mit Sicherheit aus dem Vergleich der Vitruvstelle mit den pompeianischen Häusern; denn nur auf diesen Gang paßt die Vorschrift, daß er an kleineren Atrien 2/3, an größeren die Hälfte der Breite des Tablinums haben soll. Ganz unhaltbar ist die ältere Erklärung, als sei F. der neben dem Tablinum aus dem Atrium in die hinteren Räume führende Gang. Denn dieser nicht immer vorhandene, bei seiner Lage in einer Ecke des Atriums wenig in die Augen fallende Gang ist stets und ohne Rücksicht [2052] auf die Größe des Atriums und Tablinums sehr schmal, etwa 1 m, und es ist undenkbar, daß Vitruv seine Breite in obiger Weise bestimmt, aber keine Vorschrift für den großen und hohen, dem Tablinum gegenüberliegenden Eingangsraum gegeben haben sollte. Die Unmöglichkeit dieser Erklärung ergibt sich aber auch aus folgender Rechnung. Das Tablinum und der Gang neben ihm, beide auf der Rückseite des Atriums liegend, können natürlich zusammengenommen nicht breiter sein als dieses. Nun soll nach Vitruv bei Atrien von 20–30 Fuß Breite das Tablinum 2/3 der Breite des Atriums, die F. 2/3 der Breite des Tablinums haben, zusammen also 10/9 der Breite des Atriums, wozu noch die Zwischenwand kommt und wobei noch vorausgesetzt ist, was als Regel ganz unzulässig ist, daß das Tablinum nicht in der Mitte der Rückseite des Atriums, sondern an einer der Ecken liegt; bei der regelmäßigen Lage in der Mitte wächst die Breite der beiden Räume auf 14/9 der Breite des Atriums. Sie können also nicht beide auf der Rückseite des Atriums liegen. Ist aber der Gang neben dem Tablinum ausgeschlossen, so bleibt für F. nur der Eingangsraum übrig.

Es ist selbstverständlich, daß nicht immer und überall nach der Vorschrift Vitruvs gebaut wurde. Sie ist in Pompeii nicht eingehalten worden; hier bleibt die Breite meist unter der Hälfte des Tablinums; bisweilen wird diese um ein weniges überschritten, ganz selten beträchtlich; so in dem Hause Mau Pompeii in Leben und Kunst 286, ferner in der Casa degli Scienziati, Reg. VI ins. 14 nr. 43, Grundriß in Pompei e la regione sotterrata, Napoli 1879 Taf. II. Für die Höhe gibt Vitruv keine Vorschrift. In Pompeii ist sie in den monumentalen Häusern der vorrömischen Zeit nur ein einzigesmal kenntlich (Mau a. a. O. 285f.); hier beträgt sie 5 m, 11/2 mal die Breite und bleibt nicht viel unter der des Tablinums. Auch sonst aber (z. B. Casa del Fauno, Mau a. O. 276) ist kenntlich, daß die F. in dieser Zeit beträchtlich hoch waren. Mit ihren als Pilaster ausgebildeten Ecken gegen das Atrium, über denen natürlich ein Gebälk anzunehmen ist, waren sie ein wesentlicher Bestandteil der monumentalen Atrien dieser Periode. In der römischen Zeit wird alles dies kleiner und niedriger, ohne daß sich eine Regel angeben ließe; auch werden die Ecken nicht mehr als Pilaster gebildet, so daß hier, wie am Tablinum (s. d.), der monumentale Charakter verloren geht.

Es ist in Pompeii Regel, daß die F. sich frei, ohne Verschluß, auf das Atrium öffnen. Nur in ganz vereinzelten Fällen haben sich Spuren einer Türe gefunden, die aber nicht die ganze Höhe der F. hatte und nach der Art der Spuren wohl als eine leichte Gittertüre zu denken ist; Overbeck-Mau Pompeii4 255. Solche Türen sind in Pompeii nur aus späterer Zeit nachweisbar; vielleicht aber sind sie ein Nachklang einer griechischen Sitte. Bei Vitruv. VI 10 (7), 5 kann unter prothyron, da es von vestibulum unterschieden wird, nicht wohl etwas anderes verstanden werden, als die F. Nun hieß nach Vitruv. a. O. das Prothyron bei den Griechen διάθυρον, was am ehesten einen Raum zwischen zwei Türen bedeuten kann. Darnach hätte es also im griechischen Hause [2053] einen Gang gegeben, der von außen in den Hauptinnenraum führte und an beiden Enden verschlossen war, wie die F. mit der Türe gegen das Atrium.

Von außen sind die F. entweder unmittelbar von der Straße zugänglich, oder es ist ihnen ein Vestibulum vorgelegt, d. h. die Türe liegt nicht gleich am Anfang des von der Straße ins Atrium führenden Ganges, sondern etwas weiter einwärts, so daß sie ihn in zwei Teile teilt, von denen der äußere, auf die Straße geöffnete vestibulum, der innere, auf das Atrium geöffnete F. heißt. Hierüber s. Vestibulum.

Verg. Aen. VI 273: vestibulum ante ipsum primisque in faucibus Orci stimmt mit obiger Erklärung: ante bezeichnet die dem Hause zugewandte Seite des Vestibulum, wie in der Parallelstelle II 469: vestibulum ante ipsum primoque in limine Pyrrhus exultat, wo es garnicht anders verstanden werden kann, da Pyrrhus doch nicht außerhalb des Vestibulum stehend die innerhalb desselben befindliche Türe angreifen kann. Ivanoff Ann. d. Inst. XXXI 1859. 82ff. Mau Pompeii in Leben u. Kunst 231f. Greenough Harvard studies in class. phil. I 1890, 1–12.

[Mau.]