RE:Herakles/V

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V. Kapitel
Kultgebräuche
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von: Otto Gruppe
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Dem H. zu Ehren wurden an vielen Orten Feste, und zwar oft mit Kampfspielen gefeiert. Zu der o. Bd. VIII S. 439 gegebenen Aufzählung sind Syme (IG XII 3 Suppl. 1269f.) und Ambrakia (Ant. Lib. 4 Ἡρακλέους ἑορτή) zu fügen; das von Stengel a. O. 440, 29 nach Kedreai verlegte Fest ist nach Dittenberger SIG² 679 vielmehr das rhodische. Örtlich nicht sicher zu bestimmen sind die Ἡρακλέους ἆθλοι (IG VII 2532), in denen ein Thebaner siegt. Im einzelnen sind die Zeugnisse für die H.-Feste in dem Abschn. III dieses Artikels vervollständigt. Auch von den nicht unter H.’ Namen überlieferten Festen können einzelne ihm gegolten haben, bezeugt ist es von den Ἐργάτ(ε)ια und Ἠλακάτεια (o. S. 913, 34).

Dem großen Gott (Arnob. I 41) gebührten große, also hauptsächlich blutige (Luk. ἐρ. 4) Opfer, dies wird öfters hervorgehoben und in Gegensatz zu den Darbringungen an andere Götter, z. B. Hermes (Antip. Anth. Pal. IX 72, 3) gestellt. Dem phoinikischen H. fielen auch Menschenopfer (Plin. n. h. XXXVI 39). In Griechenland wurde dem H., der nach Philostr. εἰκ. II 24 Rindfleischkost gewöhnt war, häufig ein Stier geschlachtet, vgl. z. B. Xen. anab. IV 8, 25 (ἡγεμόσυνα); Theophr. χαρ. 27; Ehreninschrift aus Akraiphiai, IG VII 2712 (Stieropfer von einem Agon für H., Hermes und die Kaiser). Abweichend von dem sonst meist üblichen Gebrauch scheinen zu den H.-Opfern auch ἐργάται, d. h. solche Stiere verwendet worden zu sein, die schon zu profaner Arbeit gedient hatten: diese Opfersitte, aus der vielleicht der [1005] Name der lakonischen Ἐργάτεια (s. o.) zu erklären ist, wollen die Theiodamaslegende (o. S. 943, 10) und die Kultsage von Thermydrai (o. S. 962, 59) begründen; daß an die Stelle eines vorgriechischen, ohne Fleischopfer verehrten Gottes der griechische H. getreten sei (Gelder Gesch. d. Rhod. 347), läßt sich aus der rhodischen Kultsage meines Erachtens nicht folgern. Der H. von Thermydrai hieß Βουθοίνας, und jedenfalls bezog sich dieser Name, wie es die Legende ausspricht, und auch der verwandte Βουφάγος (o. S. 1001, 58), auf Stieropfer. Indem in solchen Namen das erste Glied so aufgefaßt wurde, wie z. B. in βουλιμία, entwickelte sich die schon in der Kultlegende selbst angedeutete Vorstellung von H. dem Fresser, die das ganze Altertum hindurch seit dem 6./5. Jhdt. nachweisbar ist (z. B. Athen. X 1 und 2 p. 411aff. nach Astydamas, Epicharmos frg. 21 K., Ion TGF p. 737 frg. 39 und Pind. frg. 168; Rhinton bei Kaibel Dor. com. 185, 3; Eurip. frg. 907 N.²; oft in der attischen Komödie, z.B. Aristoph. ὄρν. 567; βάτρ. 549ff.; vgl. Schol. Aristoph. εἰρ. 741; s. auch Schol. σφ. 60; Λυσιστρ. 928; βάτρ. 63. 107. Athen. XII 6 p. 512 e. Über die megarische Posse s. Aristoph. σφ. 60; Crusius Neue Jahrb. XXV 93. Vgl. ferner Eryk. Anth. Pal. IX 237, 5, wo H. δαμαληφάγος heißt. Antip. ebd. IX 72. Leonidas ebd. IX 316. Socrat. ep. 9 p. 617, 49 H. Apostol. VIII 63. Aristid. ἀπ. 10 p. 25. 10 H. Tertull. apol. 15; über Phlyakendarstellungen s. Heydemann Arch. Jahrb. 1886, 267). Mit dieser ἀδηφαγία, die H. z. B. bei Koronos (Pind. frg. 168 bei Philostr. εἰκ. II 24), Syleus (Eurip. TGF² p. 575f.) und im Wettkampf mit Lepreos (Zenod. bei Athen. X 2 p. 412 a. Paus. V 5, 4) beweist, verbindet sich später die πολυποσία (Stesich. frg. 7 bei Athen. XI 99 p. 499b. Panyas. frg. 4 K., ebd. 498d. Ion Ὀμφ. TGF² p. 736f. Ephipp. bei Macrob. Sat. I 21, 17). Als trinkfester Zecher zeigt sich H. z. B. bei Pholos, der als Kentaur selbst ein guter Trinker war (Iuven. XII 45. Val. Fl. I 337. Stat. Theb. II 563. Luk. συμπ. 14 u. a.); wie Pholos soll sich auch H. besonders großer Becher, der boiotischen oder herakleotischen σκύφοι (Athen. XI 38. 469 d; 101 p. 500 a. Eustath. Od. XV 85 p. 1775, 31; vgl. Macrob. Sat. V 21, 16ff., der nach Wissowa Gött. Gel. Nachr. 1913, 326 nicht unmittelbar von Athen, a. a. O. und XI 5 p. 461f., 39 p. 470 c abhängt) bedient haben; Plut. Ἀλ. 75 erklärt es für eine Fabel, daß Alexander den Skyphos des H. ausgetrunken habe, und so verbreitet war die Vorstellung von dem großen Becher des H., daß der Mythos von der Fahrt im Becher des Helios als eine Anspielung darauf betrachtet werden konnte (Athen. XI 38 p. 469 d). Auch bei Syleus (Eurip. TGF p. 575) und im Wettstreit mit Lepreos (Matris bei Athen. XII 2 p. 412 b. Aelian. var. hist. I 24) soll sich H.’ Leistungsfähigkeit im Weingenuß gezeigt haben, die freilich nicht verhinderte, daß er bei Auge (Soph. Ἀλεάδ. TGF² p. 140 u. a.; vgl. o. Bd. II S. 2301ff.) und bei Admetos (Eurip. Ἄλκ. 767ff.) sich übernahm und in der bildenden Kunst vereinzelt schon seit dem Anfang des 4. Jhdts., häufiger in hellenistisch-römischer Zeit trunken dargestellt wurde (vgl. z. B. die Statuette bei Friederichs-Wolters 1776; anderes bei Furtwängler in Roschers Myth. Lex. I 2181). Auch diese Eigenschaft [1006] knüpft übrigens an einen Kultgebrauch an oder ist wenigstens mit einem solchen verknüpft worden; die athenischen Epheben brachten bei der Haarschur dem H. ein großes mit Wein gefülltes Gefäß dar (Pamphil. bei Athen. XI 8 p. 494 f. Hesych. Phot. s. οἰνιστήρια). Dem H. zu Ehren scheinen Theoxenien gefeiert worden zu sein (Nilsson Griech. Feste 446ff.); die von Dion. Hal. ant. XII 9 beschriebene römische Sitte ist wahrscheinlich einer griechischen nachgebildet, die vielleicht auch Anlaß dazu gab, daß nach H. eine besondere Art weicher Polster genannt wurde (Athen. XII 6 p. 512 f) und auf die auch die attischen παράσιτοι (o. S. 925, 2. 930, 65) hinweisen. – Außer Stieren werden dem H. auch Schweine (z. B. Sext. Emp. {{Polytonisch|π. ὑ.} III 220. Phaedr. V 4; mehrere Kunstdarstellungen, z. B. Zoega Bassi ril. II 115) und – vielleicht mit Rücksicht auf die dem H. zugeschriebene Heilkraft – Hähne (Plut. quaest. conv. VI 10, 1), in Tyros auch Wachteln (Eudox. bei Athen. VIII 47 p. 392 d; vgl. o. S. 983, 13; u. 1015, 1) geopfert. Doch verschmähte H. auch geringere Nahrung nicht; er erhielt z. B. auf einer Insel im Pontos Weintrauben (Ael. nat. anim. VI 40), in Athen an seinem Heiligtum zu Melite Äpfelopfer (s. o. S. 926, 23), vielleicht an einem andern Heiligtum nach einer athenischen Inschrift IG II 1665 τρία μονόνφαλα, wahrscheinlich eine Art Kuchen. Weit verbreitet war die Sitte, dem H. den Zehnten der Kriegsbeute und des Handelsgewinnes, namentlich des ungehofften, auch der Funde zu weihen. Sie ist für Karthago (Iustin. hist. XVIII 7, 7) und namentlich für Rom (o. Bd. VIII S. 567, 25ff.) bezeugt, findet sich aber auch in Griechenland (z. B. in Thera, IG XII 3, 431). – In Attika brachten die Epheben ihrem Schutzheiligen vor der Haarschur die οἰνιστήρια (Athen. XI 88 p. 494 b; vgl. o. S. 926, 16) dar; während die Locken der Kinder der Artemis zu fallen pflegten (Hesych. s. κουρεῶτις), können die der Epheben ebenso wie die Weinspende dem H. dargebracht sein (Dettmer De Herc. Att. 14, 3, der diese Opfer nach Melite verlegt. Eitrem Opferrit. u. Voropfer 355f.), der seinerseits in Dyme seinem Geliebten Sostratos die Locken auf das Grab gelegt haben soll (Paus. VII 17, 8). Aus der Legende von Erythrai, daß die Thrakerinnen ihre Haare abschnitten, damit daraus ein Seil zur Hereinbringung des H.-Bildes gedreht werden könne, folgert Furtwängler bei Roscher Myth. Lex. I 2138, 10, daß die Frauen dort dem H. ihre Haare weihten. Wie die Epheben betrachteten auch die Gladiatoren den H. als ihren Schutzgott; bei Aufgabe ihres Gewerbes hingen sie ihre Waffen Herculis ad postem (Hor. ep. I 1, 5) auf.

Die übrigen für den H.-Kult bezeugten oder zu erschließenden Vorschriften und Gebräuche sind im allgemeinen nicht eigenartig und lassen Schlüsse, z. B. über die Auffassung, die man von dem Helden hatte, oder über einen etwa von ihm verdrängten älteren Gott oder Heros nicht zu. Daß der H. Μισόγυνος (o. S. 1003, 29) nach Plut. Pyth. or. 20 von seinem Priester Abstinenz verlangte, steht zwar mit der Stellung, die der Held in der Sage den Frauen gegenüber einnimmt, einigermaßen in Widerspruch, aber im Einklang mit einer an Tempeln aller möglichen Götter geltenden Vorschrift [1007] und gestattet ebenfalls keine Folgerung für die Geschichte der H.-Vorstellungen. Etwas befremdlicher ist, daß die Männer in ,H.-Mysterien‘ weibliche Kleider anlegen, was Lyd. mens. IV 46 auf den Wechsel der Jahreszeiten bezieht. Dieselbe Sitte scheint nach der Legende bei Plut. quaest. Gr. 58 für den koischen und nach der Omphalesage auch für einen lydischen H.-Priester üblich gewesen zu sein. Auch diese Sitte findet sich in anderen Kulten ({{SperrSchrift|Dümmler Kl. Schr. II 230ff. Gruppe Handb. der Mythol. 904f. Halliday Br. Soc. Arch. XVI 212ff.); wie sie in den H.-Kult kam – falls nicht bloß ein langwallendes Priestergewand für ein weibliches Kleid gehalten wurde – ist noch nicht aufgeklärt. Fehrle Kult. Keuschh. 92 hält für möglich, daß der H.-Priester in Kos Weiberkleider trug, weil ursprünglich eine Priesterin den Dienst versehen hatte.