Reisbau und Reisbauer in Java
Reisbau und Reisbauer in Java.
Am 14. Januar Morgens ritt ich mit Herrn Blumenberger, der in Geschäften nach Batavia gekommen war, nach Tjipamingis hinauf. Gerade mit Sonnenaufgang verließen wir die letzten Landhäuser, und einen schmalen Fuß- oder Reitpfad annehmend, der durch eine weitläufige Cocosgartenanpflanzung führte, erreichten wir die freien Reisfelder, durch die ein enger Weg, bald durch, bald an Gräben hin, jetzt über eine Strecke hohen trocknen Landes, jetzt wieder durch niedere sumpfige oder künstlich überschwemmte Gegenden führte.
Es war ein wunderherrlicher Morgen, die Gipfel der schwankenden im Winde rauschenden Cocospalmen, des schönsten, stolzesten Baumes, den die Tropenwelt geschaffen, glühten von den ersten Strahlen der jungen Sonne geküßt – über das niedere Land zogen noch dünne duftige Nebelstreifen, hier sich wie zum Spiel um eine hohe Gruppe dunkellaubiger Manga’s sammelnd, dort, von irgend einem Luftstrom erfaßt, wie ein Milchbach rasch ein enges Thal hinabfließend. Hier herrschte auch Leben in der Flur; dann und wann flog zwitschernd und scherzend ein muntrer Schwarm von buntgefiederten Reisvögeln in die niedern, die Felder umwachsenden und den Weg hier und da begrenzenden Büsche, wenn ein Ulang-Ulang vielleicht, dicht über ihnen wegstreichend, sie aufgescheucht hatte von ihrem Morgenschmauß. An den feuchten Rainen saßen kleine weiße ernsthafte Kraniche und schauten neugierig in das zu ihren Füßen leise quillende Wasser nieder, und über ein dann und wann trockenes Feld schritt wohl ein langbeiniger Bangun, eine Art Storch mit riesig dickem Schnabel und schwerfälligem Kopf, sich mühsam rechts und links nach den vorbeispringenden Pferden umschauend, ob sie ihn nicht auch etwa in seinem Morgenspaziergang stören und ihm die schöne Frühzeit verderben wollten.
In den Reisfeldern wurde es ebenfalls lebendig, Schaaren von Mädchen kamen aus den einzelnen Baumgruppen, in denen [133] versteckt ihre Hütten lagen, heraus, ihr mühsames Tagewerk mit Pflanzen zu beginnen, und hier und da schlenderte langsam ein junger Bursch mit seinen beiden Karbauen heran und in den Schlamm der noch nicht zugerichteten Felder hinein, zu pflügen oder zu eggen.
Der Reis ist die Hauptnahrung nicht allein des Javanen, sondern fast aller indischen Völker, und der Reisbau deshalb eine ihrer wichtigsten, nothwendigsten Beschäftigungen.
Man baut hier auf Java zwei Arten von Reis, den nassen und trocknen. Das hauptsächlichste Handelsprodukt liefert der naßgebaute Reis, die Eingeborenen ziehen dagegen für ihren eigenen Bedarf den trocken gezogenen – und unter diesem wieder den rothen Reis vor, der nahrhafter und wohlschmeckender sein soll, als der andere, aber nicht so verkäuflich ist wie dieser, deshalb bauen sie den trocknen fast nur zu ihrem eigenen Bedarf. Einzig und allein dürfen sie sich aber auch nicht auf ihre trockenen Felder, die in der Anlage mit unsern Waizenfeldern Aehnlichkeit haben, verlassen, denn eine sehr trockene Jahreszeit könnte ihnen leicht eine Mißernte bringen, während der andere, durch lebendige Quellen und Ströme bewässert, weniger oder doch nicht so allein, von dem Regen abhängig ist.
Die hauptsächlichste und mühsamste Arbeit beim nassen Reis, d. h. solchem, der nicht allein im Wasser gepflanzt wird, sondern auch fast bis zur Reife mit den Wurzeln unter Wasser gehalten werden muß, ist jedenfalls die Herstellung der Felder selber, die vollkommen eben angelegt, und einzeln mit Rändern oder Rainen umgeben sein müssen, um das Wasser sowohl darin zu halten, als auch gleichmäßig zu verbreiten. Natürlich findet sich in diesen bergigen oder auch nur wellenförmigen Ländern selten eine Strecke Land, selbst nur von einem Acker groß, deren Fläche vollkommen wagerecht wäre, oder mit nur einiger Mühe dahin gebracht werden könnte. Die natürliche Folge davon ist denn, daß die Felder sehr klein angelegt und lieber mehrere tiefer und tiefer laufende Abtheilungen oder Schichten gegraben werden müssen, um das Wasser nach allen Seiten gleichmäßig verbreiten und benutzen zu können.
Um diese Felder zu ebnen und aufzuhacken, gebrauchen die Javanen eine breite, und wenn man sie so von weitem ansieht, scheinbar sehr schwere Hacke; der Javane hat aber viel zu viel Liebe für seine eigenen Gliedmaßen, als daß er sich wirklich mit schweren Werkzeugen nur irgendwie einlassen sollte. Die Hacke besteht aus dem leichtesten Holz, mit einem Stiel, den man ohne die geringste Mühe zwischen den Händen – nicht einmal vor dem Knie – durchbrechen könnte, und nur vorn an der Schneide liegt ein dünner, sehr dünner und schmaler langer Stahl, um dadurch dem Werkzeug doch eine Schneide zu geben. Das sämmtliche Eisen an der ganzen Hacke wird nicht über ein Viertelpfund wiegen.
Ist das geschehen und von abgeschlagenem Rasen ein etwa Fuß hoher und ebenso breiter Damm oder Rand um dasselbe gelegt, dann wird das Feld gepflügt. Ich glaube aber, sie lassen schon vor dem Pflügen Wasser hinein, um diese Arbeit leichter in dem sonst wohl etwas schweren Boden verrichten zu können, und gehen erst mit dem Pflug hinein, wenn sie die Erde in eine Art Schlamm verwandelt haben. Sehr oft sah ich sie wenigstens in solchem Schlamm, aber nie in trockenem Grunde, ausgenommen in den zu trockenem Reis bestimmten Feldern pflügen.
Haben sie den Boden gehörig aufgerissen, so kommt die Egge hinein – ein schwerfälliges Instrument, nicht wie unsere Eggen, sondern nach Art der Cultivatoren gebaut, und nur aus zwei Schenkeln bestehend, die vorn zusammenlaufen und ziemlich einen rechten Winkel bilden. In diesen stecken zehn oder zwölf starke hölzerne und etwas zugespitzte Zähne, und um dem Ganzen noch etwas mehr Schwere zu geben, und die Zähne tiefer in den Schlamm hineinzudrücken, setzt sich der junge Bursch, der die Karbauen gewöhnlich treibt, sehr häufig oben auf seine Egge drauf und läßt sich in dem Brei spazieren fahren.
Was die Saat des Reis anbetrifft, so geschieht die erst in besonders dazu hergerichtetem Feld, wie wir z. B. in Deutschland den Kraut- oder Kohlsamen säen. Er schießt dort dicht, Halm an Halm gedrängt enger und wird nur, sobald er die gehörige Reife erreicht hat, herausgenommen und büschelweis, d. h. immer drei, vier oder fünf Halme zusammen, von Menschenhänden in die nassen, unter Wasser stehenden Felder gepflanzt. Diese Arbeit besorgen fast allein Mädchen, ich habe wenigstens nie Knaben damit beschäftigt gesehen; sie nehmen sich eine tüchtige Hand voll der kleinen Pflanzen und drücken sie einzeln, ohne weiter ein Loch dazu bohren zu müssen, wie das bei den Krautpflanzen in trockenen Feldern der Fall ist, in den weichen Schlamm in ziemlich regelmäßigen Entfernungen und Reihen ein.
Von jetzt ab haben sie weiter nichts mit dem Reis zu thun, bis er reif ist, als einmal vielleicht, nach einigen Wochen durchzugehen und das dazwischen wuchernde Gras und Unkraut auszuziehen. Die Arbeit ist aber in sofern. obgleich nicht sehr hart, doch unangenehm und beschwerlich, da die Pflanzenden den ganzen Tag in dem fast Fuß tiefen Schlamm und in der heißen, durch nichts abgehaltenen Sonnenhitze, gebückt umhersteigen müssen.
Solche frisch angepflanzte Felder mit ihren hellgrünen, fast durchsichtigen Reispflänzchen, haben ein höchst freundliches Ansehen, und wo besonders in den einzelnen Abdachungen ältere und dadurch dunkler gewordenen Gefache, wie man fast sagen könnte, mit diesen abwechseln, thun die verschiedenen oft wie in regelmäßigen Zeichnungen ausgestreuten Farben dem Auge unendlich wohl.
Das Schneiden des Reises bewerkstelligen sie auch auf eine ganz eigene Art; die Frauen, welche diese wieder meist allein besorgen, haben eine besondere Art von Messern oder Instrumenten dazu, womit sie jeden Halm einzeln abknipsen, es geschieht dies aber mit einer solchen Uebung und Gewandtheit, daß sie doch eine sehr bedeutende Strecke in einem Tag beendigen sollen. Die reifen Halmen werden mit dem Stroh etwa fünfviertel Fuß lang abgeschnitten und in kleine starke Büschel gebunden, die sie dann, die Aehren herunterhängend, zu Markte tragen.
Eine Hauptnoth haben die Javanen aber von der Zeit an, wo der Reis zu reifen anfängt und eine wahrhaft unzählbare Schaar von Reisvögeln, seinem grimmigsten Feinde, oder vielmehr liebstem Freunde, herbeilockt. Dann muß die ganze junge Bevölkerung auf die Beine, und von früh bis spät mit allerlei entsetzlichen Lärminstrumenten und Scheuchmaschinen thätig sein.
Eine besondere Art dieser letzteren, die ich vorzüglich auf dem Wege von Batavia nach Buitenzorg sah, besteht darin, daß in gewissen Entfernungen in den Reisfeldern kleine, auf hohen Baumstangen ruhende Hütten oder vielmehr Körbe. mit einem Schutzdach gegen Sonne und Regen errichtet sind, in denen Knaben von sechs bis zehn Jahren auf der Lauer sitzen. Von diesen Körben aus, wo sie jeden Theil der in ihrer nächsten Umgebung liegenden Felder leicht übersehen und überwachen können, gehen aus Cocosnußfasern dünn gedrehte Seile nach den verschiedenen Theilen und stehen dort mit einem aufgesteckten Cocosblatt oder sonst einem vorragenden, leicht beweglichen Gegenstand in Verbindung. Lassen sich nun irgendwo in ihrem Bereich Reisvögel oder sonst dem Getreide nachtheilige Thiere blicken, so ziehen sie nur einfach in etwas raschen Zuckungen an der dort hinausführenden Schnur, und die scheuen Thiere fliehen, sobald sie sich so[1] ganz urplötzlich etwas anscheinend Lebendes in ihrer Nähe bewegen sehen, rasch in’s Weite.
Wo sie diese Hütten nicht haben, laufen die Jungen mit wahrer Todesverachtung den ganzen Tag mit riesigen Schnurren in den Feldern herum, die sie von nur einem etwas gebogenen Bambusstab anfertigen und die ein schmähliches Geräusch machen. Aehnliche Instrumente befestigen sie auch auf hohen Bambusstangen und überlassen den Lärm dem Winde, der sich auch gewöhnlich ein Vergnügen daraus macht, ihnen zu willfahren. Den größten Spektakel aber und einen wahren Heidenlärm, der genau wie das tolle Brüllen eines wildgewordenen Stieres klingt, und den meisten Effekt auf die Reisdiebe hat, weil er nicht in einem fort tönt, sondern nur manchmal in unregelmäßigen Zwischenräumen und wie ihn gerade der Wind faßt, einsetzt, dann aber auch mit einer Kraft, daß ich selber schon zusammengefahren bin, wenn ich mich gerade unter solch einer Reisklapper befand, ohne sie früher beachtet zu haben, macht ein etwas abgeschorenes Cocospalmblatt, das gerade so aufgesteckt wird, daß der Wind schräg in die starren emporrankenden und aneinanderschlagenden Blattabtheilungen oder Zweigblätter hineinweht. Mag er dabei so stark blasen wie er will, er wird nie aus solchem Blatt ein gleichmäßiges Geräusch herausbringen können. Sobald es nur ein klein wenig aus der nöthigen Richtung tritt, muß der tönende Lärm aufhören, der aber augenblicklich und zwar mit voller Stärke wieder einsetzt, sobald es wieder die frühere Stellung annimmt.
[134] Die Reisscheunen sind kleine eigenthümlich geflochtene Gebäude, vielleicht zehn bis zwölf Fuß hoch, acht Fuß lang und sechs bis sieben Fuß breit, nach unten etwas spitz zulaufend und mit hölzernen Füßen, wie ein richtiger Tragkorb. Sie können, wenn sie leer sind, leicht von einem Ort zum andern gewechselt werden und stehen wenn aufgestellt, mit diesen Füßen immer auf untergelegten Steinen. Das Dach ist ebenfalls von Bambusgeflechten und gewöhnlich mit den schwarzen Fasern der Arenpalme gedeckt.
Bei dem Reis darf ich aber auch nicht vergessen, des nützlichsten und von den Eingeborenen ungemein geschätzten Karbau, oder besser Malayisch, Karbo Erwähnung zu thun.
Diese Karbo’s oder Büffel gehören gewissermaßen mit zu einer javanischen Familie, und so sehr der Javane das Schwein, als ein unreines Thier, verabscheut, so zärtlich liebt er den schmierigen, fast stets mit Schlamm bedeckten Karbo, mit dem der Knabe gewissermaßen aufwächst und in die Schule geht. Schon das Aussehen dieser Thiere ist merkwürdig – sie haben fast gar keine Haare und eine Art Elephantenhaut, die nur in der Farbe wechselt, denn manche sind grau wie jene, andere aber auch wieder, und ein fast ebenso großer Theil vollkommen fleischfarben, weshalb sich einige Deutsche hier neulich ein Vergnügen daraus gemacht haben, einem gerade anwesenden Schiffscapitain weiß zu machen, diesen Karbos würde jedes Jahr die Haut abgezogen, weshalb sie auch keine Haare hätten und einen Theil im Jahr noch fleischfarben und den andern dann wieder grau aussähen. „Es ist wunderbar“, war Alles, was er sagen konnte.
Ihre Hörner, die oft eine unverhältnißmäßige Größe erreichen, biegen weder zurück noch vorwärts, sondern stehen in gerader Linie mit dem Vorkopf, so daß man, wenn man ein Lineal fest von der Nase über die Stirn des Thieres weglegt, die nach oben wieder zusammenlaufenden Spitzen der Hörner dadurch ebenfalls berühren würde. Da sie die Nase fast immer vorgestreckt halten, so liegen die Hörner dadurch natürlich vollkommen zurück, und es giebt ihnen das mit den kleinen Schweinsaugen und dem halboffenen Maul ein wirklich rechtswidrig dummes Gesicht.
Die Thiere sind aber gar nicht so dumm und wissen sich wohl recht gut, wenn das nur irgend ausführbar ist, von Arbeit und Quälerei wegzudrücken. Ueber dieselben haben nun gewöhnlich die Knaben die Oberaufsicht und es ist merkwürdig, was für eine gegenseitige Zuneigung zwischen den Beiden aufwächst. So wenig sich der Javane aus einem Pferd macht, und so sorglos und ohne Abwartung er dasselbe, selbst nach starkem Ritt laufen läßt, so äußerst ängstlich geht er dagegen mit diesen plumpen Geschöpfen um, und die Jungen sind ewig beschäftigt, sie in die Schwemme zu führen und abzuwaschen; was nebenbei gesagt, eine so nutzlose als undankbare Arbeit ist, da die Thiere sich kaum rein abgestriegelt und gespült fühlen, als sie auch schon wieder mit einem grenzenlosen Wohlbehagen im Schlamm liegen, und mit ihren schaufelartigen Schnauzen das kühlende, natürlich dickschmutzige Wasser sich über den Rücken werfen.
In dem Schlammwasser aber, wie draußen zur Weide gehend oder zu Hause ziehend, liegt der Knabe, der die Aufsicht über die Thiere hat, mit dem Bauch auf seinem Lieblingsbüffel, streckt die dünnen braunen Beine hinten in die Höh’, und jauchzt vor Lust und Vergnügen. Jemehr verschiedene Gespanne zusammen sind, desto größer ist die Freude, gehen sie dicht gedrängt, so wälzt sich das fröhliche Völkchen oft von einem zum andern, ohne daß sich die geduldigen Thiere auch nur im mindesten ungeberdig darüber zeigten; selbst beim Grasen bleiben sie oben liegen und manchmal sehr zum Aerger eines kleinen, spechtartigen Vogels, den die Balinesen Tjulik nennen (der malayische Name ist mir entfallen) und der sich ebenfalls, wenn der junge Javane einmal absteigen sollte, am liebsten auf dem Rücken des Karbo’s aufhält, und ihm das Ungeziefer absucht, womit Karbo ebenfalls vollkommen einverstanden ist.
Die unbepflanzten Reisfelder sind mit ihrem Schlamm eine wahre Erholung für diese Thiere, so lange sie nämlich nicht darin pflügen und eggen müssen, und sie wälzen sich förmlich ganze Tage lang aus einem in’s andere.
Eine anstrengende Arbeit hat der Karbo oder Büffel übrigens im Karrenziehen, was nach dem Reisbau eine der bedeutendsten Beschäftigungen für ihn ist. Auf oder vielmehr an der Hauptstraße – denn neben den Hauptchausseen läuft noch ein Nebenweg, stets zerfahren und aufgewühlt, der nur für die Ochsenkarren der Javanen bestimmt ist – begegnet man oft ganzen Zügen von zwanzig bis fünfzig zweirädrigen Karren, die sich quietschend und schreiend auf den holprigen, schlammigen Straßen dahinwälzen, während doch daneben ein Weg geht, auf dem sie sich mit Leichtigkeit fortbewegen könnten, den sie aber nicht betreten dürfen. Die Karren selber sind leicht genug, von Bambus stark geflochten und mit einem eben solchen Bambusdach, wie zwei zusammengestellte Kartenblätter der Form nach, gedeckt. Vorn hängt, wahrscheinlich der Melodie wegen, eine Glocke, denn die Javanen halten ungemein viel von solch eintöniger, schreiender Musik. Das Gekreisch dieser Wagen ist nämlich entsetzlich, die Räder sind, vielleicht vier bis fünf Zoll dick und etwa vier Fuß im Durchmesser, aus grobem Holz geschlagen, und werden natürlich nie geschmiert, so daß man sie oft Meilen weit hören kann. Ganz in der Nähe hat selbst dies Gequietsche aber, mit seinen theils hoch, theils tief gestimmten Rädern eine Art Melodie, für die die Javanen jedenfalls Gehör haben und auch ein gewisses Interesse empfinden müssen. Im Lande wurde eine Anecdote von einem Orang gunung oder Bergmenschen erzählt, der zum ersten Male eine Harmonika spielen hörte, und auf die Frage, ob ihm die Musik gefalle, zur Antwort gab: „Ausgezeichnet – es klingt beinah so wie unsere Wagen.“
Diese Karren fahren sämmtliche im Lande gezogenen Produkte in die nächsten Städte oder nach den Küsten hinunter, und die Karbo’s sind in ein Joch gespannt, das Aehnlichkeit mit dem amerikanischen hat, aber lange nicht so praktisch ist. Es besteht nur aus einem geraden, runden Stück Holz, an das der Hals der Thiere durch ein gebogenes und wieder eingeschobenes Stück Bambus oder biegsamen Holzes festgehalten wird. Weil aber das Holz oder Joch eben gerade ist, so kann der Nacken der Thiere nur gegen einen einzelnen, den mittelsten Punkt drücken, und sie sind deshalb auch gar nicht im Stande, ihre ganze Stärke dabei anzuwenden, während der eine kleine Theil ihres Körpers, gegen den das ganze Gewicht liegt, leicht ermüden und schmerzen muß. Das amerikanische Joch dagegen ist unten, nach dem Nacken des Thieres rund ausgeschnitten, so daß dieser vollkommen darin liegt und von allen Seiten gleich stark dagegen preßt, was ihnen die Arbeit ungemein erleichtert, und sie weit mehr leisten läßt.
Die Javanen haben aber außerdem noch eine eigene Manier, ihre Büffel zu leiten; sie befestigen ihnen nämlich ein dünnes Seil durch den Nasenknorpel, mit dem sie das Thier leicht führen und lenken können, besonders, wenn sie oben auf sitzen. Eingespannt, treiben sie es nur mit der Peitsche.
Unterwegs hatten wir mehre kleine Flüsse zu kreuzen, die von dem letzten Regen bedeutend angeschwellt waren. Ueber den einen kamen wir mit dort von Javanen bereit gehaltenen Canoes und ließen die Pferde hinüberschwimmen, an andern aber waren keine Canoes, und die Ufer so steil und schlammig, daß der Uebergang bei hohem Wasser eben nicht angenehm, und manchmal wohl sogar gefährlich ward. Hierüber war allerdings etwas weiter unten eine Brücke geschlagen, aber nur von Pfosten und mit geflochtenen Bambusmatten gedeckt, ohne die geringste Stütze darunter. Solche Bambusmatten halten auch vortrefflich, so lange der Bambus eben noch jung und frisch ist, wird er aber erst einmal alt, dann bricht er ungemein leicht und es ist dann für Pferde eine höchst gefährliche Passage.
Es blieb uns aber nicht gut ein anderer Ausweg, als die Brücke zu nehmen, wir mußten von zwei Uebeln das kleinere wählen, und gebrauchten nur die Vorsicht, vorher abzusteigen und die Pferde zu führen. – Es war ein häßlicher Platz – die Brücke etwa zwanzig Fuß hoch über dem Wasser, und nichts als die dünne bröckliche Matte darüber – brach ein Pferd ein, so war es verloren. – Mein Begleiter, der voran ging, kam aber gut hinüber, sein Pferd trat nur zweimal durch und fand immer wieder eine feste Stelle. Ich folgte aber nicht hinter ihm, denn die eben eingetretenen Plätze machten es nur dort noch schwieriger, hinüber zu kommen – ganz an der Seite schien mir der beste Platz. Das Pferd mochte aber wohl sehen, welche fatale Stelle es zu passiren hatte, und wollte im Anfang gar nicht hinüber; erst als es sah, daß es nicht anders ging, machte es plötzlich einen Satz und sprang, den günstigsten Fleck sich dabei aussuchend, nach vorn, während es zu gleicher Zeit mit beiden Hinterbeinen durch die Matte brach. Glücklicher Weise hatte es mit den Vorderhufen festen Halt, gerade hinter einem der Querbalken und sein volles [135] Gewicht auf diese werfend, gelang es ihm, die Hinterbeine wieder mit einem plötzlichen Ruck in die Höhe und zu den Vorderfüßen zu bringen – noch ein Satz und wieder krachte der trockene mürbe Bambus, diesmal aber nur an einer Stelle, das Pferd gewann wieder festen Fuß und war mit dem dritten Sprung auf dem erst später gelegten und sicheren Theil der Matten. – Wir waren glücklich hinüber, ich versprach mir aber, und wenn ich durch sechs Flüsse hindurch schwimmen sollte, nie wieder über eine solche Brücke mit einem Pferde zu ziehen.
Gegen Mittag erreichten wir eine andere Farm, wo ein Holländer Aufseher war. Dies Gut gehörte einem im Land aus gemischter Ehe geborenen sogenannten Liplap, der sich durch sein liederliches, oder vielmehr verschwenderisches Leben einen ordentlichen Namen erworben hatte. Der gute Mann verzehrte hundert und ich weiß nicht wie viel tausend Gulden jährliche Einkünfte, und stak fortwährend dermaßen in Schulden, daß ihm jetzt nun schon zum zweiten Mal Curatoren gesetzt waren, seine Gläubiger sicher zu stellen und zu befriedigen.
Er besitzt ein ungeheueres Vermögen an liegenden Grundstücken, und ich glaube auch einen Vogelnestberg, was er nicht verkaufen, und von dem er blos die Renten ziehen kann. Durch sein entsetzliches Verschwenden hat er sich aber schon solch bösen Namen gemacht, daß ihm die Leute nicht gern oder nur gegen die rasendsten Zinsen borgen, und will er Geld haben, so ist ihm auch keine Forderung zu enorm, er geht sie ein, um nur für den Augenblick wieder eine gewisse Summe in Händen zu haben. Man erzählt sich hiervon Beispiele, die an das Fabelhafte grenzen, aber trotzdem keineswegs imaginär, sondern vor Gericht belegt sind. Um 1000 Gulden manchmal zu bekommen, hat er Scheine auf 10,000 ausgestellt und das so lange getrieben, bis endlich die, welche Pariere von ihm in Händen hielten, glaubten es wäre Zeit etwas einmal zu ihrer eigenen Sicherheit zu thun. So war er vor nicht langer Zeit förmlich unter einen Vormund gestellt worden, bis all seine Schulden, was aber bei den enormen Einkünften doch nicht lange dauerte, bezahlt waren. Jetzt war schon wieder eine solche Krisis eingetreten, und zwar auf sein eigenes Verlangen, denn er wußte recht gut, er konnte sich sonst nicht mäßigen. Diesmal aber gab er sich, komischer Weise, zugleich dabei die größte Mühe, sich selber zu betrügen und zu hintergehen, denn während sein Advokat bekannt machte, daß er nur bis zu einem gewissen Datum ausgestellte Scheine respectiren werde, stellte der Verschwender, dem indessen sein eingezogenes Leben zu lange dauerte und der wieder Geld brauchte, sich dasselbe aber auf gar keine andere Weise verschaffen konnte, selber wieder neue Wechsel aus, datirte sie aber vor den Termin.
Sonderbarerweise soll er selber sehr mäßig leben und gar nichts trinken, aber Alles in Juwelen für seine Maitressen und im Spiel vergeuden.
Nach Tisch brachen wir wieder auf, Tjipamingis noch vor dem gewöhnlich spät Nachmittags eintretenden Regen zu erreichen, und jetzt kamen wir auch, allerdings noch in circa sechs bis sieben Meilen Entfernung von Klapanunga, an dem Orte vorbei, wo in den kleinen niederen, von dem Hauptrücken des hier jedoch schon abflachenden Gebirges, auszweigenden Hügeln, die indischen Schwalben in tief in die Berge gehende Höhlen ihre eßbaren und so theuer bezahlten Nester bauen. Die Hügel lehnten an das höhere Gebirge, und es wäre nichts leichter gewesen, als von dort herüber zu kommen und ungestört die Orte zu durchwandern, doch gehörte Zeit dazu und da ich mir, eines abgehenden Schiffes wegen einen bestimmten Termin gesetzt hatte, wann ich wieder in Batavia sein wollte, wußte ich jetzt nicht, ob ich mir zwei oder drei Tage absparen könne, über den Bergrücken zu gehen, und verschob das bis zu meinem Rückmarsch.
Unterwegs kamen wir noch durch einen kleinen Farmgang, wo auch allwöchentlich ein pasar oder Markt gehalten wird – und wo wir bei einem behaglichen alten Burschen von Chinesen abstiegen, eine Tasse Thee tranken und einige eingemachte Früchte dazu aßen. Die Art wie die Chinesen Thee trinken, hat etwas Besonderes – zuerst haben sie enorm kleine Kannen und Tassen, die in einem Theebret stehen auf dem, durch das fortwährende Einschenken, schon immer eine Quantität herumschwimmt. Die kleinen Tassen werden vollgeschenkt, sowie aber der Gast nur die Hälfte davon getrunken hat, steht auch der Wirth oder die Wirthin schon da, und füllt sie wieder voll. Sie brauchen ebenfalls Zucker dazu, aber keine Milch. Ihre eingemachten Früchte sind vortrefflich und sie benutzen dazu, auf sehr geschickte Weise, Alles was ihnen nur vorkommt. Besonders zu lieben scheinen sie eine kleine Gattung wachsartiger Beeren, die sie vortrefflich zu präserviren wissen.
Von hier ab kamen wir auch schon wieder in die Hügel, die wir bis jetzt nur zu unseren Rechten gehabt, bald ritten wir durch ein freundliches Thal, bald an weiten Hügelrücken hin, auf deren Flächen grünender Radjang tjina, Bohnen, Ananas und trockene Reisfelder lagen.
Die Radjang tjina oder chinesische Radjang-Bohne wird hier ungemein viel gezogen und hauptsächlich dazu gebraucht, Oel daraus zu pressen, doch schmecken die Bohnen auch geröstet vortrefflich und sind eine Lieblingsspeise besonders der Kinder. Diese Radjang tjina ist übrigens dieselbe Frucht, die in den südlichen Thälern Nord-Amerika’s unter dem Namen Erdnuß bekannt, auch manchmal nach Deutschland hinüber verschickt wird, dort aber schon meistens ranzig schmeckt. Sie werden in Reihen gepflanzt und die Nuß oder Bohne, wie sie hier genannt wird, wächst als Knoll in der Erde und hat einen vollkommen nußähnlichen Geschmack. Sie soll das Land sehr bedeutend ausziehen, wenn zwei Jahre auf ein und derselben Stelle gebaut, während sie dagegen dem Boden im ersten Jahre eher Nutzen als Schaden bringt.
Ziemlich spät am Nachmittag, und als eben die ersten Regen einsetzten, erreichten wir endlich Tjipamingis, das eine höchst freundliche Lage am Ufer eines kleinen Bergstroms und am Fuße eines gerade dicht dahinter ziemlich steil und malerisch aufsteigenden und dicht bewaldeten Berges hat. Rings von Hügeln eingeschlossen, liegt es dabei wie in einem Kessel und seine freundlichen, dicht von Fruchtbäumen überschatteten Dächer und wehenden Palmen geben ihm einen höchst lieblichen Anblick.
Der Weg führte steil und schnurgerade durch und hinunter, und die Pferde liefen was sie nur ausgreifen konnten, denn sie wußten es ging nach Hause.
Das Innere der Wohnung war übrigens ächt Indisch – ein europäischer Mann, eine chinesische Frau und ein javanisches Kind – man findet das hier im Lande ungemein häufig und die Chinesinnen sollen gewöhnlich recht gute Frauen werden.
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