Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Brandis
Das Städtchen Brandis liegt, drei und eine halbe Stunde östlich von Leipzig und eine halbe Stunde südlich von der Leipzig-Dresdner Eisenbahn entfernt, in einer fruchtbaren Niederung voller kleiner Teiche, umgeben von flachen Anhöhen. Der Ort hat zweihundert und elf Häuser mit einer Bevölkerung von mehr als fünfzehnhundert Einwohnern, die sich hauptsächlich mit Ackerbau beschäftigen. In Brandis werden jährlich drei Märkte abgehalten.
Der Name Brandis ist slavischen Ursprungs und von dem Worte Bor abgeleitet, welches einen Wald bedeutet und zugleich auch ein beliebter slawischer Mannesname war. Somit ist die Gründung des Ortes durch einen der sorbischen Volksstämme, welche in Folge der Völkerwanderung ihre Wohnsitze jenseits der Elbe verliessen und sich an den Flussgebieten der Elster, Pleisse und Mulde festsetzten, nicht zu bezweifeln. Zu welcher Zeit das Christenthum hier Eingang fand ist unbekannt, doch behauptet die Sage, dass Bonifacius, der Apostel der Deutschen, im Jahre 728 in hiesiger Gegend die neue Lehre nicht ohne Erfolg verkündete. Historisch erwiesen ist, dass Brandis (Borintizi) schon 974 ein nicht unbedeutender Ort war und zu dieser Zeit, nebst einigen anderen nahen Ortschaften, vom Kaiser Otto II. dem Stifte Merseburg übergeben wurde. Namentlich Wigbert, Bischof von Merseburg, erwarb sich um die Verbreitung des Christenthums in den seiner Aufsicht anvertrauten Distrikten hohe Verdienste.
Schon im Anfange des dreizehnten Jahrhunderts befand sich in Brandis ein Schloss, auf welchem die Ritter von Brandis hausten. Gozwinus von Brandis bewohnte die Burg um das Jahr 1212, und sein Sohn, Johannes von Brandis, 1225. Friedrich von Brandis wird 1256 genannt und Gebhard von Brandis 1268. Letzterer verkaufte das Dorf Machern, welches bis dahin zu Brandis gehört hatte, an das Kloster Neuwerk. 1352 werden Johann und Heinrich von Brandis (Brandeyss) genannt, die damals Zinsen von vierzehn Hufen in Zochau an das Kloster Sitzenroda verkauften. Im Jahre 1415 besass das Schloss Albrecht von Heynitz und 1511 erkaufte es von seinen Vettern für 7400 Gulden ein Herr von Bünau auf Jetzschen der zugleich das Leipziger Amtsdorf Gerichshain nebst dem Erbgericht auf der wüsten Mark Posthausen und Oeltsche für 576 Gulden an sich brachte. Der Hofmarschall, Rudolph von Bünau, empfing 1533 vom Churfürsten Johann Friedrich über Brandis die Lehn.
Unter dem Hofmarschall von Bünau begann die Reformation und da in dem ganzen Amte Grimma, welches der Ernestinischen Linie unseres Regentenhauses angehörte, die Einführung der lutherischen Lehre sehr begünstigt wurde, so fand bereits 1529 in Brandis der erste protestantische Gottesdienst statt, während in Leipzig und vielen anderen Orten unseres Vaterlandes, welche Herzog Georg dem Bärtigen gehörten, das Lutherthum erst 1539, wo Herzog Georg starb, zur Geltung gelangte. Rudolph von Bünau, ein eifriger Katholik, bemühte sich vergeblich die neue Lehre von seinen Unterthanen fern zu halten. Von den drei katholischen Geistlichen, welche damals in Brandis fungirten und zugleich Gerichshain, bis 1343 Machern und vorher wohl auch Beucha als Filiale besorgten, traten zwei zum Protestantismus über, einer wurde Pfarrer der andere Schulmeister, der dritte aber blieb dem alten Glauben treu und wurde auf Verwendung des Hofmarschalls von Bünau katholischer Pfarrer zu Gerichshain, welches Dorf dem Herzog Georg gehörte und folglich katholisch bleiben musste. Der Pfarrer zu Gerichshain hatte zu gleich im Schlosse Brandis Messe zu lesen. Dieses Verhältniss dauerte bis 1539, wo auch Gerichshain, wie alle übrigen noch katholischen Orte, mit dem Regierungsantritte Herzog Heinrichs des Frommen, die neue Lehre annahm. Verschiedene Geld- und Naturaleinnahmen, welche noch jetzt die Pfarrer und Schullehrer in Beucha und Gerichshain von dem Rittergute Brandis, sowie der Pfarrer und Cantor in Brandis von dem Dorfe Gerichshain und dem Rittergute Machern beziehen, sind aus diesen Verhältnissen entstanden.
Im Jahre 1535 kam Brandis durch Kauf (25000 Gulden) an Nikolaus von Ende, Geheimerath des Churfürsten Johann Friedrich des Grossmüthigen. Von ihm gelangte das Gut 1554 an Ehrenfried von Ende, welcher stets in Brandis wohnte und als ein grosser Freund und Beförderer des Protestantismus gerühmt wird. Er starb 1578 und Brandis wurde Eigenthum Wolf Dietrichs von Körbitz, von dem in hiesiger Kirche ein Söhnlein begraben liegt, dessen Leichenstein, ein betendes Kind in Priesterkleidung darstellend, noch jetzt vorhanden ist. Dem Herrn von Körbitz folgte im Besitze des Schlosses Brandis Wolf Löser auf Sahlis der mit Anna von Einsiedel aus dem Hause Gnandstein vermählt war, deren Vater, Hildebrand von Einsiedel, 1598 auf dem Schlosse Brandis starb. Von 1604 bis 1612 gehörte Brandis August von Lüttichau, dem 1612 Oswald aus dem Winkel folgte, welcher auch Otterwisch und Heinichen besass. Diese Familie blieb im Besitze von Brandis bis 1690 und während ihrer Herrschaft trafen den Ort die Verwüstungen und Drangsale des dreissigjährigen Krieges. So wurde nach einer Nachricht im Pfarrarchive am 19. August 1633 Frau Elisabeth, Abrahams von Ende hinterlassene Wittwe, also jedenfalls eine der hiesigen Rittergutsherrschaft verwandte Bewohnerin des Schlosses, hier begraben, die von den Croaten gestochen und gehauen [53] im Garten todt aufgefunden worden war. Die Pest raffte in diesem Jahre in Brandis dreihundert fünfundzwanzig Menschen hin. Am 2. Februar 1637 verzehrte eine Feuersbrunst fast den ganzen Ort und am 1. April 1664 die Wirthschaftsgebäude des Rittergutes.
Auf Oswald aus dem Winkel folgte, von 1627 bis 1636, Christoph aus dem Winkel, dessen Sohn, Hans Christoph aus dem Winkel, Brandis bis 1675 besass. Die Vormundschaft über des Letzteren minorenne Kinder führten der Kammerherr Vitzthum von Eckstädt auf Neuhaus und Friedrich von der Schulenburg auf Leipnitz. Während dieser Zeit hatte das hiesige Rittergut Leo Sahrer von Sahr in Pacht, der als ein christlich frommer Mann gerühmt wird, denn im Pfarrarchiv findet sich bei Erwähnung seines 1680 erfolgten Todes nachstehende Bemerkung:
Der hochedle Herr Leo Sahrer von Sahr bürtig aus der Cron Böhmen aus einem uralten Geschlechte, so mit den Croatischen Fürsten A. C. 644 und also vor 1000 Jahren im Böhmen kommen, dessen Herr Vater der evangelischen Religion halber verlassen ein kostbar erbautes Schloss Pröligk, acht Rittersitze, ein Städtlein, siebenunddreissig Dörfer und 70000 Gulden verbriefte Schuldforderungen. Er selbst, ein gelehrter und recht christlicher von Adel, parens undecim liberorum vivorum starb am 16. December 1680 etc. – Sein Leichnam wurde nach Zschorta bei Delitzsch, wo er ein Rittergut besass, abgeführt. Die Rittmeisterin Anna von Bibrüsch aus Modlischkowitz starb in Brandis am 24. August 1681 im achtzigsten Lebensjahre, und ihr mit dem Familienwappen geschmückter noch vorhandener Leichenstein bezeugt, dass auch sie um ihrer Anhänglichkeit an den evangelischen Glauben halber aus Böhmen habe flüchten müssen.
Eine Tochter des Herrn von Sahr verheirathete sich am 9. August 1687 mit Christoph aus dem Winkel, Erb-, Lehn- und Gerichtsherrn auf Brandis, doch schon 1690 kam das Gut durch Kauf an Kraft Burchard von Bodenhausen, churfürstlich Sächsischen Kammerherrn. Auch er wird als ein gelehrter und frommer Herr geschildert, der mit Hülfe des würdigen Pfarrers Brunner die durch Sittenrohheit und Unwissenheit demoralisirte Gemeinde mit Strenge und durch gutes Beispiel zur Sittlichkeit zurückführte, welche Bemühung um so leichter gelang, da die Gemüther durch eine Feuersbrunst an den Ernst göttlicher Strafgerichte kräftig erinnert und von der Vergänglichkeit des Zeitlichen auf den Werth des ewigen Heils hingelenkt wurden. Das Feuer entstand am 11. Mai 1696 früh acht Uhr in dem Hause des Kochs Lange und verzehrte zweiundvierzig Häuser, den grössten Theil des Rittergutes, das Rathhaus, Pfarre und Schule. Auch der Kirchthurm erlitt eine starke Beschädigung, die kleine Glocke zerschmolz, die Thurmuhr wurde verdorben, die Orgel beschädigt und sonst noch vieles Unheil angerichtet.
Kraft Burchard von Bodenhausen starb 1716 und nach ihm kam sein Sohn, der Kreishauptmann Otto Wilhelm von Bodenhausen auf Radis, Wülfingerode und Sallstädt, Hofrichter in Wittenberg und Inspektor der Landesschule zu Grimma, in den Besitz von Brandis. Er hat sich um den Ort vielfache Verdienste erworben und namentlich der Verschönerung des Gotteshauses grosse Opfer gebracht, z. B. 1732 den noch jetzt stehenden Kirchthurm erbaut. Sein Tod erfolgte 1754 und es erbte Brandis sein Sohn, der Kammerherr Christoph August Leberecht von Bodenhausen, welcher 1756 starb und das Gut seinem Sohne, dem Kammerherrn Leberecht Gottlob von Bodenhausen, hinterliess. Letzterer wendete sich schon 1815 von Brandis weg, während welcher Zeit das Gut von einem Pachter Kuffs verwaltet wurde und verkaufte endlich dasselbe an die Frau Hofräthin Schirmer, nach deren 1849 erfolgtem Tode Brandis an ihren Schwiegersohn, den königlich Sächsischen Major der Cavalerie a. D., Freiherrn von Pentz, gelangte, der es noch jetzt besitzt.
Brandis gehört zu den Gütern ersten Ranges und besitzt ein schönes modernes Schloss, drei Etagen hoch und neunzehn Fenster breit, mit hübscher Aussicht auf den Schlossgarten und Umgegend. Im Schlossgarten befindet sich ein im Jahre 1854 für die jetzigen Besitzer erbautes Mausoleum von reiner Steinarbeit, in Dorischem Baustyl ausgeführt vom Bauinspector Kahnitz in Leipzig. Zum Rittergute gehört das Vorwerk Posthausen, welches an der Leipzig-Dresdner Eisenbahn gelegen ist. Das Rittergutsareal besteht aus 1600 Morgen Feld, Wiesen und Teichen und 1600 Morgen Waldung. Ausser der Stadt Brandis gehören zum hiesigen Gute die Dörfer Kämmerei Beucha, Borsdorf und Gerichshain, sowie das Kirchenpatronat und Collaturrecht über Brandis, Beucha und Gerichshain.
Im Jahre 1847 besuchte Sr. Majestät der hochselige König Friedrich August Brandis, stieg im dasigen Schlosse ab, verweilte einige Zeit daselbst und nahm den Schlossgarten in Augenschein. Im Jahre 1851 wählte, während des Cantonnements, S. königl. Hoheit der jetzige Kronprinz Albert das Schloss Brandis als Hauptquartier, wobei auch S. Majestät der jetzige König einige Tage daselbst verweilte.
Die Kirche zu Brandis besteht nach ihrer jetzigen Beschaffenheit aus vier zu verschiedenen Zeiten gebauten Theilen. Der Altarplatz und das Thurmgewölbe sind sehr alt und stammen noch aus der Zeit des Katholicismus. Zur Linken des Altars befindet sich ein Sanctuarium in Rochlitzer Stein ausgehauen mit ziemlich hübsch gearbeiteter Sculptur. Die Leichenhalle ist nach der eingehauenen Jahrzahl 1570 erbaut und die Sacristei mag aus gleicher Zeit stammen, das eigentliche Schiff der Kirche wurde nach dem grossen Brande von 1637 wieder aufgebaut, jedoch erst 1648 vollendet, so dass dieser Theil der Kirche Jahre lang wüst lag. Der Thurm erlitt bei dem Brande von 1696 in seinen oberen Theilen starke Beschädigungen und wurde von dem Gerichtsherrn, dem Kreishauptmann von Bodenhausen, 1732 vom Gewölbe an neu aufgeführt. Knopf, Fahne, Stern und Zifferblatt der Uhr empfingen 1789 verschiedene Reparaturen und neue Vergoldung.
In dem an hiesiger Kirche angebauten herrschaftlichen Erbbegräbnisse stehen vierzehn Särge, darunter ein kupferner, in welchem die am 1. August 1737 verstorbene Gemahlin des Kreishauptmanns, Otto Wilhelm von Bodenhausen, Hedwig Elisabeth, geborene aus dem Winkel, ruht. Mehrere der hiesigen Schlossherren und ihrer Familienglieder sind in das Erbbegräbniss derselben nach Radis abgeführt worden. Die Kirche ist im Jahre 1854 durch die Güte der Patronin Frau Majorin Baronesse von Pentz im Innern restaurirt und mit kostbarem Kanzel- und Altarschmuck versehen worden, wodurch sie ein recht freundliches Aussehen gewonnen hat. Eingepfarrt in die Kirche zu Brandis ist das unmittelbar an die Stadt sich anschliessende Dorf Kämmerei, welches jedoch eine besondere Gemeinde bildet und etwa 350 Einwohner zählt.