Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Deutzen
Am linken Ufer des westlichen Armes der Pleisse, 420 Pariser Fuss über dem Meere, am Rande einer üppigen Wiesenaue, aus welcher sich das Gelände gegen Westen hin ganz allmälig hoch erhebt, liegt das Dorf Deutzen. Dasselbe raint mit Görnitz, Rödgen, Grosshermsdorf und Bergesdorf und hat zehn Anspännergüter, fünfzehn Hintersässergüter und zwanzig Häuslerwohnungen mit circa zweihundertfunfzig Einwohnern, die sich nur mit Ackerbau und Viehzucht beschäftigen. – Die Entstehung verdankt der Ort den Sorben und die Sage behauptet, dass vor einem Jahrtausend bei dem nahen Dorfe Görnitz eine heidnische Kapelle gestanden habe, in denen die Slaven die Göttin des Pleissenstromes verehrten. Der Pleissenstrom aber, der in vielfachen Krümmungen durch die grosse, reichgesegnete Aue dahinzieht, mag diese gar oft in einen ungeheuren See verwandelt haben, nach dessen Ablauf immer eine ungemein reiche Erndte stattfindet. Diese Ueberschwemmungen konnten jedoch die fleissigen Sorben nicht abhalten sich hier anzusiedeln und so entstand die lange Reihe freundlicher und wohlhabender Dörfer, welche sich an beiden Ufern des Flusses, bis Leipzig herab, erstreckt.
Deutzen hat, wie die meisten nahen Ortschaften, im Hussitenkriege, namentlich aber im dreissigjährigen Kriege schwere Drangsale erlitten. Im Jahre 1630 herrschte hier eine furchtbare Pest, die in Deutzen und dem dahin eingepfarrten Dorfe Röthgen 130 Personen in das Grab stürzte und 1637 brach abermals eine Seuche aus die in beiden Dörfern 73 Menschen tödtete, so dass zuletzt in Deutzen nur noch in vier Häusern Leute anzutreffen waren, die jedoch ebenfalls das vergiftete Dorf verliessen und auf dem Felde eine Hütte bauten. Als 1645 der General Montaigni Pegau eingenommen hatte kamen eine Anzahl schwedischer Reiter vom Fritzleben’schen Regimente hierher, plünderten, zertrümmerten und misshandelten, quartirten sich in die Bauerhäuser und hausten nach einer alten Nachricht: wie die Teufel. – Die Einwohner hatten den grössten Theil ihres Viehes in die untersten Auwiesen geflüchtet und namentlich in die Görnitzer Aue, wo viele Gebüsche, Dornengestrüppe, Hecken, Hügel und Lachen ein gutes Versteck boten. Gleich grosse Angst erduldeten die Bewohner Deutzens im letzten französischen Kriege, wo vor der grossen Völkerschlacht bei Leipzig in der Nähe drei Lager aufgeschlagen waren, wohin alle noch vorhandenen Lebensmittel, Geräthschaften und Vieh geschafft werden mussten.
Nahe bei der Kirche steht das mit Mauer und Graben umgebene schöne herrschaftliche Schloss. Von hier aus zieht sich zwischen Teichen hin eine herrliche Pappelallee, so dass das Ganze von Süden her einen wahrhaft malerischen Prospekt bildet. Das Rittergut wird schon 1318 als Besitzthum eines Ritters Ewald von Dizzin genannt, und gehörte in der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts einem Herrn von Pflugk. Wer Deutzen bis zum Jahre 1580 besessen habe ist nicht mit Bestimmtheit zu ermitteln gewesen (die Familie von Schönberg?) von dieser Zeit aber gehörte Deutzen Abraham von Fitzscher oder Fischer, der 1612 zum Defensionswerke ein Ritterpferd stellte. Dessen Söhne, Georg Asmus und Hans Christoph von Fischer besassen die Rittergüter Görnitz und Deutzen gemeinschaftlich, 1659 aber Georg Asmus Deutzen allein. Er war ein sehr heftiger Mann, der mit allen Leuten Händel anfing. Auch mit seinem Pfarrer, Caspar Oberdorf, lebte der Junker Asmus in stetem Unfrieden, und als einst bei einem Streite der Edelmann dem Pfarrer die Thüre wies, mit den Worten: „so ich das thue soll mich der Satan holen!“ antwortete der erboste Pastor: „ei, Herr Junker, da entzieht Ihr mir ja auch noch meine Accidentien!“ – Im Jahre 1718 gehörte Deutzen Georg Christoph von Braun, der auch Ramsdorf und Grosshermsdorf besass und 1753 dem Landkammerrath von Braun. Zu Ende des vorigen Jahrhunderts wird ein Herr Querner als Eigenthümer des Rittergutes Deutzen genannt, und nach ihm ein Herr von Holläufer, der das Gut bis 1822 besass, wo es Herr Günther aus Lössnitz für 49,000 Thaler erkaufte. Später gehörte Deutzen Herrn Meinhold auf Schweinsburg. Der jetzige Besitzer ist Herr Franke.
Nahe beim Rittergute steht die 1729 neuerbaute Kirche. Das alte Gotteshaus war in der Nacht des 26. Juni 1719, bei einem schweren Wetter vom Blitze getroffen, in Flammen aufgegangen. Die Pfarre ist 1743 erbaut und der Gottesacker, mit einer herrschaftlichen Begräbnisskapelle, befindet sich am südwestlichen Ende des Dorfes. – Das Patronatrecht über Kirche und Schule ruht auf dem Rittergute.