Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Dittersdorf mit Weissbach

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Autor: O. Moser
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Titel: Dittersdorf mit Weissbach
Untertitel:
aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 54–56
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Dittersdorf mit Weissbach.


Dittersdorf, anderthalb Stunden von Zschopau und zwei Stunden von Chemnitz gelegen, gehört unstreitig zu den interessantesten Dörfern Sachsens. Der Ort wird von einem Bache bewässert, der am sogenannten Ameisenberge entspringt, den südlichen Abhang der Dittersdorfer Höhe und des Mühlberges bespühlt, ein reizendes sich immer mehr vertiefendes und verengendes Thal bildet und zwischen romantisch schönen, mit Buchen- und Kiefernwaldungen bewachsenen, zum Theil felsigen Ufern fliessend, sich endlich mit der Zwönitz vereinigt. Die Zwönitz läuft hier in eigenthümlichen Krümmungen um den grossen zu Dittersdorf gehörigen Kemtauerwald, und es dürfte in Sachsen kaum grossartigere Thalansichten geben als hier, namentlich zeichnet sich eine solche, südlich vom Rittergute, am Kemptauer Wege nach Westen hin aus. Im Süden von Dittersdorf liegt eine bedeutende dem Rittergute zustehende Waldung, auch befindet sich eine solche am Mühlberge, am rechten Ufer der Zwönitz unterhalb des Ortes, durch deren reizende Parthien der Weg nach Einsiedel führt. An dem Dorfbache streckt sich der eine halbe Stunde lange Haupttheil Dittersdorfs hin, mehrere Häuser liegen an einem aus Südost kommenden nach dem Rittergute hinfliessenden Nebenbache, andere [55] Wohngebäude befinden sich hinter dem Gute; eine Mühle nebst zehn Häusern im Zwönitzthale, südwestlich vom Dorfe, und endlich eine kleine Häusergruppe, darunter der alte Eisenhammer mit der Hammermühle und eine Baumwollenspinnerei, an der Mündung des Dorfbaches. Diese Häusergruppe erhebt sich 1050, das Rittergut 1150, der obere Eingang zum Dorfe aber 1300 Pariser Fuss über die Nordsee.

Eine besondere Erwähnung verdient die nördlich vom mittleren Theile des Dorfes gelegene, steil und weithingestreckt ansteigende, Dittersdorfer Höhe, welche im Süden mit Feldern, nördlich aber mit Waldungen bedeckt ist. Von hier geniesst man eine unvergleichlich schöne Aussicht auf die ganze Chemnitzer Pflege, welche nicht nur die Stadt mit den umliegenden Dörfern und Fabrikgebäuden, sondern auch den reizenden Blankenauer Grund beherrscht und den Blick bis in die Gegend von Leipzig, Eilenburg, Lützen und Oschatz leitet. Auch die Höhen von Augustusburg, Grosswaltersdorf, Oederan, und Hohenstein lagern vor dem entzückten Auge, namentlich aber überrascht das terrassenförmig ansteigende Obergebirge mit seinen drei Basaltgipfeln, mit dem Greifenstein, Keilberg und Fichtelberge und einer Anzahl von Städten. Die Dittersdorfer Höhe überragt das Schloss Augustusburg um hundert Pariser Fuss.

Die sogenannte Dittersdorfer Mühle, an der Zwönitz gelegen, ist herrschaftlich und hat eine Oel- und Bretmühle, auch treibt der Dorfbach eine Mühle und eine Spinnfabrik. Das stattliche Erbgericht mit Gastwirthschaft steht im Oberdorfe, eine unbedeutende Schenkwirthschaft befindet sich im Niederdorfe an der Chemnitz-Wolkensteiner Chaussee. Das Hammerwerk hatte einst hier einen Hohofen. Das bergige und steinige Terrain ist dem Feldbau einigermassen nachtheilig, bedeutend dagegen ist die Viehzucht, Spinnerei, Wirkerei und Weberei, auch treibt man hier viel Holz- und Getreidehandel; die ärmsten Leute aber klöppeln, oder nähren sich durch Handarbeiten im Walde oder auf dem Rittergute. Die Einwohnerzahl beträgt in achtundzwanzig Bauergütern, vier Gärtnerwohnungen und siebzig Häusern gegen funfzehnhundert Seelen.

Das Rittergut Dittersdorf, insgemein „der Hof“ genannt, verdankt seinen Namen wahrscheinlich einem einstigen Besitzer, der Dietrich hiess, und war früher nur ein Vorwerk von Weissbach, ist aber jetzt das Hauptgut. Es liegt auf einem Hügel und besteht aus einem hübschen Schlosse mit drei Flügeln, (dessen ältesten ein Thürmchen mit einer Schlaguhr ziert) und sehr ansehnlichen Wirthschaftsgebäuden. Das Ganze ist theilweise von hübschen Gartenanlagen umgeben. Die Feldwirthschaft des Rittergutes ist verhältnissmässig nicht eben stark; bemerkenswerth aber sind die bedeutende Brauerei, die zu Weissbach befindliche Schäferei, mehrere Mühlen, Fischerei und hauptsächlich die herrlich bestandenen grossen Buchen- und Nadelholzwaldungen, welche das Gut zu einem der bedeutendsten im Lande erheben.

Das Rittergut Dittersdorf mit Weissbach ist ein abgesonderter Theil der alten Herrschaft Scharfenstein erfüllt den nördlichsten Theil des Amtes Wolkenstein und zählt auf seinem Gebiet, das drei Viertheile einer Quadratmeile beträgt, über viertausend Bewohner. Die hiesige Kirche ist Filial von Weissbach, das erst im Jahre 1673 durch den Geheimerath Heinrich Hildebrand von Einsiedel auf Scharfenstein, Besitzer des Rittergutes Weissbach, zur Parochie erhoben wurde, indem bis dahin Dittersdorf nach Einsiedel, Weissbach aber nach Gelenau eingepfarrt war. Früher befand sich zu Dittersdorf bereits eine kleine Kapelle, an welcher der Pfarrer zu Einsiedel bisweilen den Gottesdienst verrichtete, nach der Vereinigung mit Weissbach aber baute die Dittersdorfer Gemeinde mit Benutzung der vorhandenen Kapelle die jetzige Kirche; der Thurm entstand erst 1732. Das Vermögen der Kirche beträgt 15000 Thaler; die Ortsschule besuchen gegen 200, die Fabrikschule aber durchschnittlich 30 Kinder.

Drei Viertelstunden von Dittersdorf liegt das Dorf Weissbach, welches seinen Namen von dem Bache erhielt, der sich mitten durch den grösseren Theil des Dorfes hinzieht, und das mit den Fluren von Kemptau, Gelenau, Dittersdorf, Gornau und Schlösschen Porschendorf grenzt. Der Ort besteht aus einunddreissig Bauergütern, fünf Gärtnerwohnungen und zweiundsiebzig Häusern mit einer Bevölkerung von 1160 Seelen. Es befinden sich hier zwei Baumwollspinnereien, welche nebst der Strumpfwirkerei die Hauptnahrungszweige der Einwohnerschaft bilden.

Wie schon erwähnt war das Rittergut zu Weissbach in früheren Zeiten das Hauptgut, Dittersdorf hingegen nur eine Art Vorwerk, dessen Fluren hauptsächlich aus angekauften bäuerlichen Grundstücken zusammengebracht worden sind. Im dreissigjährigen Kriege wurde das Schloss zu [56] Weissbach sammt den Wirthschaftsgebäuden und einem grossen Theile des Dorfes durch die Kaiserlichen niedergebrannt, und noch jetzt ist die von einem Wallgraben umgebene Stätte bemerkbar auf der das alte Schloss stand. Dieses baute man nicht wieder auf sondern verlegte den Herrensitz nach Dittersdorf, die Oekonomiegebäude aber sind zum Theil wieder hergestellt worden und bestehen jetzt aus der Schäferei, dem Malzhause, einer Scheune und einer Ziegelei. Im Niederdorfe befand sich vor langer Zeit ein Eisenhammer, so wie man auch früher hier Bergbau trieb, der aber nie eine beträchtliche Ausbeute gab. Die Pest, welche, hier zur Zeit des dreissigjährigen Krieges wüthete, und der obengenannte Brand waren Veranlassung, dass der Ort nicht nur an Umfang bedeutend verlor, sondern auch einen grossen Theil seiner Bevölkerung einbüsste, welche nach der Tradition zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts gegen zweitausend Seelen betragen haben soll.

Was nun die Besitzer des Rittergutes Weissbach mit Dittersdorf anlangt so gehörte dieses bis auf die neuere Zeit den Herren zum Scharfenstein. Von den Voigten von Scharfenstein kam die Herrschaft an die Dynasten von Waldenburg, von denen 1375 Johann von Waldenburg viele Orte zwischen Chemnitz und Hohenstein an das Chemnitzer Kloster verkaufte, und mit seinen vier Söhnen ausser Scharfenstein auch die Herrschaften Wolkenstein und Waldenburg besass. Zu Anfang des funfzehnten Jahrhunderts finden wir als Besitzer Weissbachs einen Ritter von Meckau der 1412 Jahnsdorf, ein Waldenburgisches Vasallengut, an das Kloster Chemnitz verkaufte. Die alte reiche Familie von Meckau sah sich genöthigt, wegen ernster Streitigkeiten mit ihrem Lehnsherrn, aus dem Lande zu gehen, und da ihre Güter fast durchgängig an die ihnen nahe verwandten Einsiedel gelangten, so mag auch Weissbach sich darunter befunden und wieder mit der Herrschaft Scharfenstein (seit 1427 den Einsiedels gehörig) vereinigt worden sein. Durch ein Testament des General Hans von Einsiedel wurde Weissbach mit Dittersdorf im Jahre 1809 Eigenthum der Frau Renate Auguste Louise Henriette gebornen Gräfin und Herrin von Schönburg-Vorderglauchau, doch blieben die Herren von Einsiedel auf Scharfenstein Lehnsträger. Die Besitzerin des Gutes, jetzt vermählte Frau Gräfin Löwenhjelm lebt zur Zeit in Stockholm und wird in Sachsen durch den Herrn Amtshauptmann Freiherrn von Biedermann auf Forchheim commissarisch vertreten. — Unter der Weissbacher Herrschaft stehen die Dörfer Remtau, Einsiedel, Erfurtschlag, Reichenhayn und Dittersdorf.

Die Kirche zu Weissbach wurde im Jahre 1782 neu erbaut und gehört zu den geräumigsten und freundlichsten Kirchen der Ephorie Annaberg. Ueber ihre frühere Geschichte lässt sich nichts Bedeutendes angeben, weil im Jahre 1836, als der Pfarrer in Dittersdorf Gottesdienst abhielt, der Blitz das Pfarrhaus traf, und bei der dadurch entstandenen Feuersbrunst mit den Gebäuden auch das Archiv vernichtet wurde. Ein merkwürdiger Zufall war es dass schon lange Zeit zwischen den Gemeinden, wegen eines Neubaues der höchst baufälligen Pfarre, heftige Zwistigkeiten stattfanden, die nun allerdings durch das Einschreiten des Blitzes zur Erledigung kamen. Schon im Jahre 1782, wo das Weissbacher Schulgebäude Veranlassung zu ähnlichen Zerwürfnissen gab, hatte das Feuer des Himmels sich ebenfalls als Vermittler zwischen die streitenden Parteien geworfen und das Schulgebäude in Asche verwandelt. Das Vermögen der Kirche ist nicht bedeutend, doch ist aus dem Erlöse des gänzlich ausgerotteten Pfarrwaldes eine Pfarrholzkasse entstanden die über dreitausend Thaler beträgt, wovon nach Vergütung des Holz-Deputats für den Pfarrer ein Theil der Zinsen zu kirchlichen Zwecken verwendet wird. Die treffliche Orgel des Weissbacher Gotteshauses ist ein Werk des berühmten Orgelbaumeisters Jehmel[VL 1] in Dresden.

O. Moser, Redacteur.     



Anmerkungen der Vorlage

  1. handschriftliche Korrektur: Jehmlich