Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Hainewalde
Auf einem Berge an der Mandau, ¾ bis 1½ Stunde westlich von Zittau, liegt das Rittergut Hainewalde (Haynewalde), ein Majoratsgut des Geschlechtes von Kyau. Das schöne mit einem stattlichen Thurme versehene Schloss gewährt eine reiche Aussicht weithin über die Umgegend und ist mit schönen, parkähnlichen, terrassirten Gartenanlagen umgehen, die ihm ein freundliches Ansehen gewähren. Es wurde in den Jahren 1749 bis 1756 erbaut und 1781 mit einem Blitzableiter, einem der ersten in ganz Sachsen, versehen. Dieser that schon im Jahre 1728, wo das Schloss vom Blitze getroffen wurde, seine Schuldigkeit. Es liegt an einer Berglehne, fällt durch Bauart und Lage angenehm in die Augen, und gereicht zu einer wahren Zierde des Ortes.
Hainewalde, welches in der Volkssprache Henewale genannt wird, gehört zu den vielen volkreichen Dörfern des Erzgebirges und wird grösstentheils von Webern bewohnt. Es zählt an 400 Häuser und 2500 Einwohner. Ausser der Weberei treiben diese vorzüglich Ackerbau. Früher wurde auch Bergbau betrieben, indess ist dieser schon seit längerer Zeit gänzlich erloschen.
Ausser den genannten Beschäftigungen werden in Hainewalde noch verschiedene Handwerke betrieben und darunter besonders stark die Haarsiebweberei.
Zu dem Rittergute gehören noch ein Vorwerk und eine Ziegelei.
Bei der Kirche, d. h. in der Mitte des Ortes, liegt Hainewalde unter 50° 55’ der Breite und 32° 21½’ der Länge. Von diesem Punkte aus gerechnet beträgt seine Entfernung 3 Stunden südwestlich von Herrnhut, 7/4 Stunden von der böhmischen Grenze, 3 Stunden von Rumburg und 2½ Stunde von Georgenthal. Es beginnt am Butterberge. Dieser trägt noch einen Theil des Niederdorfes, sowie ein Vorwerk und die sogenannte Armeruh, die an der Strasse von Zittau nach Rumburg liegt, und wird im Süden von der Mandau bespült und im Südwesten von einem kleinen Bache, welcher seine Quelle an dem Hohensteine bei Cunersdorf hat.
Von dem Butterberge, jenseit dessen, in Norden, der Busch liegt, zieht sich Hainewalde bis gegen Grossschönau heran, und schliesst sich hier der Dörferreihe an, die sich ununterbrochen über zwei Meilen weit erstreckt und diese Gegend zu einer der bevölkertesten und gewerbreichsten von ganz Deutschland macht.
Im Süden des Ortes erheben sich der Scheibenberg und die hörnitzer Höhen. An diesen liegt in einiger Entfernung das Vorwerk Charlottenruh. Im Westen liegt der Wiederberg und im Südosten der Breite-Berg, der zu Schönau gehört.
Die Mandau nimmt bei Hainewalde mehrere kleine Bäche auf; an einem derselben, nordwestlich von der Kirche, liegt eine besondere Häusergruppe, die Scheibe genannt.
Die Kirche ist ein schönes, dem Ort zur Zierde gereichendes Gebäude; sie selbst wird wieder durch einen hübschen Thurm geschmückt. Eingepfarrt ist in dieselbe nur die Gemeinde mit ihrem Zubehör. Im Jahre 1771 gab es in derselben 47 Geburten und 36 Todesfälle; 1772 gab es dagegen nur 34 Geburten und 143 Todesfälle. Von dieser grossen Sterblichkeit war eine epidemische Krankheit die Ursach.
Die Kirche ist ursprünglich sehr alt, denn bereits im 14. Jahrhundert wird Hainewalde als Kirchdorf genannt; in ihrer jetzigen Gestalt aber wurde der Bau am 15. April 1705 begonnen, jedoch erst am 7. October 1711 fand die feierliche Einweihung statt. Die Kirche ist durchaus massiv gebaut und ihr Inneres schön und hell. Die Decken und die Emporkirchen sind gewölbt. Ihr einziger Schmuck ist das lebensgrosse Bild ihres Erbauers sowie die Portraits einiger der Pastoren, welche hier fungirten.
Der schöngebaute Thurm hat 3 Glocken, sämmtlich ganz neu, da sie erst 1825 umgegossen wurden.
Das Vermögen der Kirche ist nicht unbedeutend, denn die Zinsen des Kapitales sowie die übrigen regelmässigen Einnahmen reichen zur Bestreitung der laufenden und gewöhnlichen Ausgaben hin. Ausserdem setzte der Obrist von Canitz ein Legat von 600 Thalern aus, dessen Zinsen alljährlich zwischen Pfarrer und Schullehrer getheilt werden. Die Zinsen eines Legates von 25 Thalern, gestiftet von dem Chirurg Israel, sind dazu bestimmt, das Lauten am Charfreitag Nachmittag und am Morgen des Ostersonntag zu bezahlen.
Ausser dem Kirchenvermögen stehen unter der Verwaltung des Pfarramtes noch verschiedene Stiftungen und Legate. Darunter verdient eine besondere und sehr rühmliche Erwähnung das Hospital, 1703 von der Obristin von Canitz gestiftet und reich dotirt. Das Gebäude desselben liegt nördlich unmittelbar an der Kirchhofsmauer. Zur Aufnahme in dasselbe sind drei altersschwache oder sonst arbeitsunfähige Personen aus Hainewalde, drei aus Spitzkunnersdorf und drei aus Oderwitz berechtigt, welche letztere beide Güter schon seit langer Zeit mit Hainewalde [90] combinirt sind, das dadurch zu einer sehr bedeutenden Besitzung geworden ist.
Diese neun Personen erhalten nicht nur Wohnung Holz und Licht frei, sondern jede derselben bekommt auch noch ausserdem wöchentlich 12½ Ngr. baar ausgezahlt, und mit vollem Rechte wird daher dieses Hospital von den dankbaren Einwohnern dieser drei Orte als eine grosse Wohlthat betrachtet. Nach und nach sind ausserdem von verschiedenen Personen 6 grössere oder kleinere Armenlegate gestiftet worden.
Auch eine eigene Kirchenbibliothek stiftete der Obrist von Canitz. Sie hat gegen 200 Thaler Vermögen und zählte schon vor 15 Jahren über viertehalbhundert Bände.
Ausser der Kirche ist der Kirchhof noch mit der herrschaftlichen Gruft geschmückt. Diese liess im Jahre 1715 ebenfalls der Obrist von Canitz errichten. Sie ist ganz von Sandstein erbaut und mit 17 grossen Bildsäulen verziert, so dass sie sich sehr stattlich ausnimmt.
Im 14. Jahrhundert gehörte Hainewalde unter das Prager Erzbisthum, das Archidiaconat Bunzlau und das Diaconat Zittau. Später, das heisst nach der Reformation, war Hainewalde trotz seiner eigenen Kirche und seines frühern eigenen Pfarramtes, Filial von Grossschönau. Als Grund dieser auffallenden Erscheinung vermuthet man den Umstand, dass die Gutsherrschaft katholisch blieb, während die Gemeinde zu dem neuen Glauben übertrat, und dass deshalb der Gutsbesitzer keinen ketzerischen Pfarrer anstellen mochte. Erst 1617 bekam Hainewalde einen protestantischen Pfarrer, und zwar in der Person des M. Caspar Holstein aus Bunzlau. Da derselbe sich aber des Calvinismus schuldig machte, wurde er im Jahre 1625 removirt und an seine Stelle kam der M. Christoph Ziegler, der seines evangelischen Glaubens wegen aus Böhmen vertrieben worden war.
An der Pest, die im Jahre 1642 Hainewalde heimsuchte, starb unter vielen andern Bewohnern auch der damalige Pastor, Balthasar Pursche, der 1635 ins Amt gekommen war.
Der kursächsische Oberhofprediger, Dr. Gottlob Friedrich Seligmann, wurde 1654 in Hainewalde geboren, wo sein Vater Pfarrer war.
Das Pfarrhaus wurde im Jahre 1796 neu erbaut, und befindet sich gleich den dazu gehörigen Gebäuden in gutem Stande.
Die Schule hat ein eigenes neugebautes Schulhaus, in der Mitte des Dorfes, dicht bei der Kirche. Die feierliche Einweihung dieses Schulhauses fand im Jahre 1830 statt, am Jubelfesttage der Reformation. Ausser dem besteht noch eine zweite, ältere Schule. An 400 Kinder, gleichmässig verthcilt, besuchen diese beide Schulen. Die zweite Schullehrerstelle wurde 1822 gestiftet.
Als Sohn eines Schullehrers in Hainewalde verdient hier Georg Schön genannt zu werden, der 1764 als Bürger in Freiberg starb und ein sehr geschickter Orgelbauer war. Von ihm rühren unter andern die Orgeln in Haynichen und Herzogswalda her, die für Meisterwerke gelten.
Was nun die Geschichte von Hainewalde betrifft, so verliert sich dieselbe bis in das graueste Alterthum. Der Sage nach soll es an einem Orte erbaut worden worden sein, wo einst tief in des Waldes Dunkel ein heidnischer Opferhain sich versteckte, und davon der Name Hainewalde herrühren; wann aber und unter welchen Umständen diese Erbauung stattgefunden, darüber schweigt die Geschichte. So viel aber weiss man, dahs Hainewalde (wie oben erwähnt) schon zu Anfang des 14. Jahrhunderts Kirchdorf war; seine Entstehung dürfte also jedenfalls noch weiter zurück zu verlegen sein. — Ein Otto Plebanus in Hainewalde, wird in einer Urkunde vom Jahre 1326 als Zeuge genannt.
Als Besitzer wurden unter dem Jahre 1386 die von Warnsdorf genannt, deren Geschlecht wahrscheinlich schon seit längerer Zeit im Besitz des Rittergutes war. Auf die Warnsdorfe folgte 1497 Hans von Mauschwitz, dann Tyll Knobel, der 1546 starb; von 1547 bis 1625 finden wir als Besitzer die von Nostitz, unter denen der Dr. Ullrich von Nostitz eine besondere Erwähnung verdient. Hans Ulrich von Nostitz gerieth am 14. December 1622 mit einem Herrn von Gersdorf, der als Gast bei ihm war, in Streit, und Herr von Nostitz stiess seinen Gegner, ihn tödtend, nieder. Nach der That ergriff der Mörder die Flucht, und es entstand nun ein Process zwischen ihm und der Familie des Gefallenen, der nach langen Verhandlungen im Jahre 1625 damit endete, dass Hans Ulrich von Nostitz seine Güter an die von Gersdorf abtreten musste. Hainewalde blieb darauf bei dem Geschlechte seiner neuen Besitzer von 1626 bis 1671. Von 1671 bis 1686 war Besitzer Eleutherius von Temritz; dann folgten die von Canitz, und von diesen kam Hainewalde im Jahre 1788 an das Geschlecht der Kyau, die es vereint mit Spitzkunnersdorf und Oderwitz besassen und zu einem Familien-Majorate machten.
Von diesem Geschlechte der Besitzer Hainewalde’s verdient eine besondere Erwähnung der berühmte Epigrammendichter, Waisenamtsassessor Ernst August Wilhelm von Kyau, geboren zu Giessmannsdorf 1771, und gestorben am 16. Juni 1821.
Unter den Bauergütern giebt es einige sehr ansehnliche. Ausserdem hat Hainewalde noch 3 Wassermühlen, 1 Oelmühle, 1 Kretzscham und 1 Schiesshaus, in welchem von der uniformirten und privilegirten Schützengesellschaft alljährlich zwei stark besuchte Hauptschiessen gehalten werden.
Von harten Schicksalen wurde Hainewalde, den bereits erwähnten Besuch der Pest ausgenommen, nicht heimgesucht. Auch Feuersbrünste hat der Ort nicht zu beklagen. Eine grosse ihm drohende Gefahr wurde im Jahre 1435 dadurch abgewendet, dass ein Streifcorps der Hussiten, welches Haynewalde einen Besuch zugedacht hatte und bei demselben nach seiner gewöhnlichen Art gewiss arg gewirthschaftet haben würde, bei dem Breitenberge von den Zittauern überfallen und in die Flucht geschlagen wurde.
Die sehr bedeutenden Fluren von Hainewalde rainen mit denen von Grossschönau, Spitzkunnersdorf, Oderwitz, Scheibe und Hörnth.
Die Mandau tritt zwar bei grossen Gewässern über ihre Ufer und richtet dann einigen Schaden an, doch ist dieser bisher noch nie so beträchtlich gewesen dass er sich nicht hätte verwinden lassen.