Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Marienthal (Zwickau)

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Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Marienthal
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aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 191–192
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
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Erscheinungsort: Leipzig
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Kurzbeschreibung:
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Marienthal


in einem von Osten gegen Westen sich aufwärts ziehenden Grunde ½ Stunde westlich von Zwickau zwischen der Hauptstrasse nach Reichenbach und der nach Gera zu gelegen, hat seinen Namen von der Marienkirche in Zwickau, wohin in den frühesten Zeiten die Einwohner des Orts gepfarrt waren. Ja die Vorstadt von Zwickau von der Westseite hing vor dem Hussitenkriege mit diesem Dorfe fast zusammen.

Die Gründung des Dorfes muss schon im 11. Jahrhundert erfolgt sein und der Ort selbst war damals Eigenthum des Klosters Bosau bei Zeitz, dem es aber lange Zeit der Markgraf von Meissen streitig machte.

Im Jahre 1212 kam Marienthal vom Bosauer Kloster an das Zwickau-Eisenberger und 1430 wurde der ganze Ort von den Hussiten in Asche gelegt.

Nach Aufhebung der Klöster wurde Hans von Mergenthal damit beliehen, nach welchem es der Zwickauer Rath längere Zeit mit dem von Römerschen Geschlechte gemeinschaftlich besass. Ersterer brachte von letzterem in 1536er und 40er Jahren eine Anzahl Unterthanen käuflich an sich, die er aber nebst einem schon früher der Zwickauer Kirche gehörigen Theile des Dorfes 1552 an den Kurfürsten abtrat.

Auf das von Römersche Geschlecht folgten die Herren von Milkau, Kreizer und Uttmann im Besitze[WS 1] und schneller Folge späterer Zeit Franke, Richter, Wenzel, M. Döhler, Prebig, Krausse, von Kutschenbach. Von 1800 an übernahm Frau von Hack das Gut, von welcher es an Herrmann, dann an Amtmann Fink, von diesem auf Advocat Wunder aus Plauen, und nach dessen Tode auf dessen Wittwe geh. Schmöger aus Plauen, später verehelichte Kirchhof überging.

Der derzeitige Besitzer ist Herr Fischer, welcher es aber nicht selbst bewirthschaftet, da derselbe zugleich das Domainen-Gut Thallwiz bei Wurzen in Pacht hat[WS 2].

Das hiesige neuschriftsässige Rittergut, welches bis zur Einführung[WS 3] der neuen Gerichtsorganisation seine eigenen Gerichte hatte, liegt etwa in der Mitte des Dorfes, zwar klein, doch massiv und wohlgebaut und ist von mehreren, jetzt im guten Zustande befindlichen Wirthschaftsgebäuden umgeben. Dazu gehört eine Ziegelei, die stark betrieben wird.

Die Rittergutsfelder sind mehr nass als trocken und enthalten ungefähr 140 Scheffel Aussaat.

Der frühere Besitzer Herrmann hatte im Jahre 1816 eine oberschlächtige Mühle erbaut, wozu das Wasser eine Viertelstunde weit durch Röhren in einen Schutzteich geführt und von da in einem 200 Schritt langen Gerinne auf ein 15elliges Rad fiel. Da aber späterhin wegen Mangel an hinreichendem Wasser, der Erfolg den Erwartungen nicht entsprach, verkaufte er das Gut 1817 an Herrn Amtmann Fink, welcher das Mühlenwerk abtragen liess.

Im Jahre 1828 wurde nördlich vom Dorfe nach Vollendung des Chausseehauses von Zwickau über den Windberg nach Werdau ein Chausseehaus errichtet, von wo aus man eine der herrlichsten Aussichten in das Obererzgebirge hat: denn man erblickt hier nach Süden die drei freistehenden Basaltgebirge, den Pöhlberg, den Bärenstein den Auersberg. Auf der Höhe des Windberges, der gegen 1200 Fuss Seehöhe erreicht, befindet sich ein Pfahl, auf welchem der Körper des am 15. Dec. 1823 hier hingerichteten Carl Heinrich Friedrichs aus Neustädtel bei Schneeberg, welcher seine Pflegeeltern, Meister Christian Friedrich, Fleischhauer daselbst und Sophie Elisabeth geb. Bachmann am [?]0.[WS 4] Januar 1827 ermordete, aufs Rad geflochten und sein Kopf oben aufgenagelt war. Nachdem aber schon am vierten Tage nach der Hinrichtung der Aberglaube des Nachts sich Stücken von seinem weissen Anzug und sogar von seinem Körper holte und die Furcht der hier auf der Hauptstrasse nach Werdau und Zwickau Vorübergehenden sich vergrösserte, so wurde, in Folge einer an die Amtshauptmannschaft gemachten Anzeige, sofort der Befehl zur Einscharrung des Körpers ertheilt, der Kopf aber blieb noch angenagelt bis zum Jahre 1825, wo er in der Nacht des 14. und 15. April nebst dem Rade gestohlen wurde; der Thäter blieb unentdeckt.

Von hieraus sieht man nach Osten und Norden 3–4 Stunden weit Schönburgische Städte und Dörfer, ja man kann hier sogar einige Häuser [192] von dem 6 Stunden weit entlegenen Dorfe Lichtenau bei Hundshübel im Obergebirge mit gutem Auge sehen.

Ohnweit des Chausseehauses soll nördlich in dem tiefen Thale das Raubschloss Rappendorf gestanden haben, eine Sage, die nicht aller Wahrscheinlichkeit entbehrt: denn nach den näheren Nachrichten hierüber, welche man in dem Altenburger Landesarchiv gefunden hat, haben im Jahre 1457, wo Marienthal dem Eisenberger Kloster gehörte, hier mehrere Hauser, zu Marienthal gehörig, gestanden, welche ein gewisser Richard von Rapp und Oswald von Rieth von dem Grafen Erwin von Gleichen und Grafen von Satzig gekauft und in Lehn erhalten haben. Von diesem Rapp kommt der Name Rappendorf. Es waren 4 Güter, 14 Lehen, 3 Aecker und 1 Garten in Marienthal. Auch sind in dieser Urkunde viele Besitzer von Aeckern und Wiesen namentlich aufgeführt und ihre jährlichen Abgaben an Geld und Getreide bezeichnet. Vor 180 Jahren sah man noch hervorragendes Gemäuer, jetzt befindet sich nur noch der sogenannte sonst sehr tiefe, aber von den dortigen Feldbesitzern nach und nach mehr ausgeschüttete böse Brunnen, von den Bauern wegen vermeintlicher Gespenstererscheinungen so genannt, hier in der Nähe des mit Bäumen überwachsenen Hügels, wo die Burg stand; der Brunnen enthält jetzt noch immer viel Wasser, in der Rundung umfasst er 36 Ellen und im Durchschnitt 18 Ellen. Mehrere Feld- und Waldbesitzer haben in dessen Nähe theils bei Feldbestellung, theils beim Holzfällen und Stockroden, Bruchsteine, Grundmauern, gezimmertes Holz, eiserne Haspen und Bänder u. d. m. gefunden – ein deutlicher Beweis, dass jene Urkunden wahr sprechen; jedoch hat man nirgends gefunden, ob diese Häuser, unter welchen auch eine stattliche Burg sich befand, in welcher jene Grafen ihren Sitz hatten, erst im 30jährigen Kriege oder schon früher zerstört wurden.

Nach einer alten anderen Urkunde ist wahrscheinlicher anzunehmen, dass das Schloss als Raubschloss vom Landgrafen Friedrich dem Gebissenen schon ums Jahr 1321 mit zerstört worden ist.

Marienthal hat ausserdem eine geräumige lichtvolle und schöne Kirche, welche vom Stadtrath zu Zwickau im Jahre 1721 erbaut worden ist.

Die Gebäude der Pfarrwohnung sind schon im Jahre 1713 restaurirt worden; aber noch in ziemlich gutem Zustande. Zum Pfarrgute gehören 46 Scheffel Aussaat Feld und dasselbe hat schöne futtereiche Wiesen.

Das Schulhaus ist ebenfalls gut und massiv und geräumig gebaut.

Ueber Kirche und Schule steht dem Stadtrath zu Zwickau das Collaturrecht seit dem Jahre 1440 zu.

Das Dorf bildet nur eine Gemeinde und ist keine Ortschaft hierher eingepfarrt.

Unter den Einwohnern giebt es eine ziemliche Anzahl Weber. Der Ackerbau ist in trockenen Jahren gedeihlicher, als in nassen.

Die Schicksale des Ortes anlangend, so war das Jahr 1547 ein trauriges für Marienthal. Ein grosser Theil des Dorfes wurde zu jener Zeit von den nach Mühlberg ziehenden Truppen verbrannt. Nicht minder schrecklich war das Jahr 1634: Am 27. Oct. gedachten Jahres zündete Schönickel den Ort an, und 1636 wütheten die Polen und Tataren hier furchtbar.

Die Fluren von Marienthal reinen mit Zwickau, Lichtentanne, Brand, Weissenborn und sind meist von mässiger Güte.

Bemerkenswerth ist noch der erste evangelische Pfarrer, Nicolaus Hoffer, welcher im Jahre 1523 von einem Anhänger des Thomas Müntzer erstochen wurde, nachdem ersterer schon vorher im Jahre 1521 von mehreren Zwickauer Bürgern insultirt worden war.

Marienthal mit seinen 114 bewohnten Gebäuden und seinen 1076 Einwohnern gehört jetzt zum Gerichtsamt Zwickau.

M. G.     



Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Zesitze
  2. Vorlage: bat
  3. Vorlage: Finführung
  4. Vorlage: 80. Januar