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Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Pillnitz

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
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Autor: M. G.
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Titel: Pillnitz
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aus: Meissner Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 2, Seite 121–122
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1856
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Commons = SLUB Dresden
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Pillnitz.


Pillnitz liegt an steilen Bergen und zum Theil an einem Nebengrunde, 1¼ Meile südöstlich von Dresden am Lohmer Wege, in des Landes reizendster Gegend, nicht hart am rechten Elbufer.

Hier giebt es einen ausgezeichneten Gasthof und mehre Schenken, 1 Forsthaus, 2 Mühlen, mehre Villen. Pillnitz hat 59 bewohnte Gebäude, 125 Familienhaushaltungen mit 553 Einwohnern, worunter sich 18 Winzerinnen befinden.

Auch ist daselbst eine schöne neue Presse, eine bedeutende Brauerei, und ausserdem existiren noch 3 Ziegel- und Kalköfen.

Pillnitz, ehemals Belonitz, Beulnowitz, hatte ursprünglich eine Felsenburg, nach Einigen auf der Stelle der heutigen Ruine, nach Andern auf dem Hausberge. Der Erbauer dieser Felsenburg ist unbekannt. Nur so viel steht fest, dass im 13. Jahrhundert ein Heinrich von Baulnowitz solche besass, von welchem Geschlecht es zu Anfang des 15. Jahrhunderts an die Familie von Carlowitz kam, welche die Hälfte davon im Jahre 1435 an die Gebrüder von Ziegler verkaufte, deren Name schon im 14. Jahrhundert vorkommt. In der Mitte des 15. Jahrhunderts gab es der Burgen zwei. So wurden laut Urkunde von 1443 und 1444 Einige aus der Familie der Ziegler von Pillnitz mit dem sogenannten halben Hofe (oder Vordersitze) zu Billonitz und mit dem Fach (Fähre) uff der Elben belehnt. Im Jahre 1547 besass das Gut die Ziegler’sche Familie ebenfalls noch. Erst im Jahre 1569 verkaufte Christoph von Ziegler dasselbe an den Reichspfennigmeister Christoph von Loss. Der Hofmarschall Ernst von Loss, der 1609 starb, erbaute die ehemalige Schlosskirche zu Pillnitz unten an der Elbe. Im Jahre 1616 gründete der Reichspfennigmeister und Hofmarschall Christian von Loss das sogenannte alte Schloss, von welchem nur noch ein Theil auf die neuesten Zeiten kam. In der Mitte des 17. Jahrhunderts kam Pillnitz durch Günther von Bünau, der in das von Loss’sche Geschlecht heirathete, an die Bünau’sche Familie. Damals bediente sich der Hof, wenn in den oberen Gegenden Jagden veranstaltet waren, des Pillnitzer Schlosses, um daselbst kalte Küche einzunehmen; erst im Jahre 1693 kaufte es Johann Georg IV. gegen Vertauschung von Lichtenwalde von Heinrich von Bünau und schenkte es darauf dem Fräulein von Neidschütz, der Gräfin von Rochlitz, von welcher es kurz darauf der geh. Rath von Einsiedel für 60,000 M. Gl. kaufte; doch trat derselbe solches der Kammer wieder ab, und nun belehnte August der Starke die Gräfin Kosel im Jahre 1765 damit. Nach dem Fall dieser Gräfin kam es abermals an die Kammer, welche es dem Feldmarschall Rutowski zum Sommeraufenthalt einräumte. Bald aber bezog es August der Starke selbst in der schönen Jahreszeit wieder, und baute hier neben dem alten Loss’schen Schlosse bis zum Jahre 1734 noch zwei grosse Paläste, welche nach seinem bekannten Geschmacke eingerichtet und seit dieser Zeit immer von der regierenden Familie bewohnt wurden. Eine neue, schönere Gestalt bekam das Ganze erst im Jahre 1788 bis 1792. Nun bilden vier grosse, einzeln stehende Pavillons, aus Pirna’schem Sandstein erbaut, die Flügel eines grossen Quadrats, an welches nach Abend der königliche Garten, so wie Promenaden und Alleen, nach Morgen zu aber die alten Schlossgebäude grenzen. Zwei der Pavillons stehen gegen die Weinberge und die beiden andern ihnen gegenüber nach der Elbe zu. Zwischen den beiden letzten oder südlichen Pavillons steht das sogenannte Wasserpalais, zwischen den nördlichen aber das Bergpalais. Die Pavillons sind in ganz einfachem Style erbaut, nicht hoch, mit chinesischen Kupferdächern und mit toskanisch geordneten Säulengängen versehen. Drei waren schon im August 1791 fertig, der vierte aber wurde erst im Jahre 1800 vollendet, wodurch sich der (jedoch nordwestwärts offene) neuere, meist mit Bowling greens, Spielvorrichtungen und der Orangerie bedeckte, sehr grosse Hof gestaltete. Der geöffnete Theil des weitläuftigen Gartens stösst an die offene Seite dieses Hofs und verbindet sich durch eine vierfache, vortreffliche, 800 Schritt messende, Kastanienallee (sonst Maillebahn) mit dem Dorfe Hosterwitz. Als am 11. Mai 1818 die Burg abgebrannt war, errichtete man auf der Südostseite des neuern Schlosses seit 1819 ein grosses, mit Säulen decorirtes Gebäude, welches ausser dem prächtigen Speisesaal, der eine erleuchtende Kuppelöffnung hat und das [122] Uhrthürmchen trägt, eine gefällige, durch Vogels Meisterhand gezierte Capelle, ein Theater, die Localien für Küche und Keller, Geistlichkeit und Dienerschaft enthält. Der Saal ist übrigens schön decorirt und das daran stossende Zimmer, worin der Hof nach aufgehobener Tafel Caffee trinkt, grandios. In der Capelle hat der Maler Vogel die königliche Familie portraitirt. Besonders sprechend sind die verstorbenen Könige Friedrich August und Anton und der Prinz Max, weniger getroffen der letztverstorbene König Friedrich August. Der geschlossene oder nordöstliche Theil des Gartens enthält unter anderen einen durch Kunstwerke, botanische Sammlungen u. s. w. interessanten Pavillon, reiche Gewächshäuser, 1 botanisches Gärtchen. Im Südosten befindet sich die Wache, die schön erneuerte Restauration für Hofleute und Fremde und jenseits des Gutes die 3 grossen Stall- und Wagengebäude.

Dicht hinter dem Dorfe Pillnitz öffnet sich der Pillnitzer Grund, in welchen der sogenannte Friedrichsweg nach dem berühmten Borsberge, der 458 Ellen über der Elbe sich erhebt, leitet. Am Eingange zum Grunde ist eine Eisgrube und ein seit 1796 verschönerter Weinberg angelegt, der so bedeutend ist, dass 16 Winzer hier arbeiten. Von der Eisgrube weg führt ein geschlängelter Pfad auf den Schlossberg (das Pillnitzer Vorgebirge) wo das sogenannte Raubschloss, welches im Jahre 1788 der Hofconducteur Schade künstlich anlegte, sich befindet. Diese Ruinen sind mit geschmackvollen Zimmern versehen, in welchem der Hof während des Sommers einige Male zu speisen pflegt. Die Aussicht von hier auf die Elbe und deren Thal gehört zu den schönsten, zu den entzückendsten. Von diesen Ruinen gelangt man zu einer zwischen Laub- und Nadelholz versteckten Brücke und dann an einen Wasserfall, der im Jahre 1778 angelegt wurde, und 500 Fuss hoch ist. Derselbe erhält sein Wasser aus einem Teiche, der Maxmühle und aus mehrern Quellen, die man in drei grossen Behältern sammelt. Der Wassersturz geschieht nur durch Aufziehen der Schütze in den Bassins. Thau und Regenwetter müssen die Kunst oft unterstützen.

Eine in künstliche Felsen versteckte Grotte, mit Zimmern und breternen Zellen umgeben, Eremitage genannt, ziert die höchste Spitze des Borsberges, zu welcher man auf romantischem Wege in einer Stunde gelangt. Ueber der Grotte ruht auf dem Felsen ein Altan, von wo aus man das Elbthal, von Meissen bis Königstein hinauf, begränzt von den Gebirgen des Meissner Hochlandes, Böhmens und des Erzgebirges übersehen kann. Den Rückweg nach Pillnitz macht man durch das hochgelegene Dorf Borsberg.

Pillnitz selbst auch ist historisch denkwürdig durch die am 25.–27. August 1791 hier gehaltene Convention des Kaisers Leopold, des damaligen Erzherzogs Franz, der Könige Friedrich Wilhelm II. und III., des Grafen von Artois, Sachsens Regenten, des Prinzen von Nassau-Siegen gegen die französische Revolution, eine Convention, die in der neueren Geschichte Europas so wichtige Folgen hatte. Bei dieser Gelegenheit fanden prächtige Feste, grosse Erleuchtungen und herrliche Feuerwerke Statt, die auf der hier befindlichen Insel der Elbe abgebrannt wurden. Man prägte auf diese Zusammenkunft eine eigne silberne Medaille, die jetzt zu den numismatischen Seltenheiten gehört.

Die Schlosskirche zu Pillnitz, früher in dem alten, 1818 abgebrannten Pillnitzer Schlosse befindlich, ist von dem frühern Besitzer des Gutes, Christoph von Loss, erbaut, nachdem er Pillnitz 1596 von Hosterwitz ausgepfarrt hatte. Bis zum Jahre 1638 hatte Pillnitz nun auch seinen eignen Schlossprediger. Von diesem Jahre an ist die Schlosspredigerstelle mit dem Pfarramte zu Hosterwitz verbunden. Der Gottesdienst wird abwechselnd in beiden Kirchen gehalten; auch wird jährlich zehn Mal des Nachmittags in Pillnitz gepredigt. Bei Abtragung der alten Schlosskirche 1724 fand man viele Denkmäler, ziemlich gut erhaltene Särge, Pretiosen und Bücher, welche letztere aber alle, ausser einem einzigen, verfault waren, das schwarz gebunden und mit kostbaren Perlen umwunden war. Alles, sowie auch die Särge mit ihrem Inhalte, wurden in ein Behältniss bei der neuen Kirche geschafft.

Der erste Schlossprediger zu Pillnitz war M. Jacob Daniel Stark von Mühlhausen im Jahre 1597 angestellt; unter M. Gottfried Rüdiger ward die Schlosskirche mit der Hosterwitzer vereinigt. Die neue Kirche ist hinter dem Dorfe am Fusse der königlichen Weinberge auf August I. Kosten 1725 neu erbaut.

Das Collaturrecht mit dem zu Hosterwitz stand nach der Kirchenvisitation dem Rittergute Pillnitz zu und wird jetzt vom Cultusministerium ausgeübt.

M. G.