Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Schloss Stein

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
<<< >>>
Autor: Otto Moser
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Schloss Stein
Untertitel:
aus: Erzgebirgischer Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band 4, Seite 97–98
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: [1856]
Verlag: Expedition des Ritterschaftlichen Album-Vereins
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Leipzig
Übersetzer: {{{ÜBERSETZER}}}
Originaltitel: {{{ORIGINALTITEL}}}
Originalsubtitel: {{{ORIGINALSUBTITEL}}}
Originalherkunft: {{{ORIGINALHERKUNFT}}}
Quelle: Commons = SLUB Dresden
Kurzbeschreibung:
{{{SONSTIGES}}}
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[Ξ]
[97]
Schloss Stein.
(vide 11. Heft des Erzgebirgischen Kreises.)


Das Schloss Stein, eine starke Stunde von der Stadt Schneeberg gelegen, gehörte als Hauptsitz der Standesherrschaft Stein zu der niederen Grafschaft Hartenstein. Die alte Standesherrschaft Stein begreift in sich drei unzusammenhängende Distrikte, von denen der kleinste bei Wiesenburg befindlich ist, den zweiten die Stadt Lössnitz bildet und der dritte zwischen Hartenstein und Schneeberg liegt, so dass ihn die Aemter Schwarzenberg, Wiesenburg, Wildenfels, Hartenstein und das Rittergutsgebiet von Niederschlema einschliessen. Nach ihrem jetzigen Bestande umfasst die Herrschaft Stein etwa eine halbe Quadratmeile mit wenig mehr als sechstausend Bewohnern. Sie besteht aus der Stadt Lössnitz nebst Dreihansen, den Dörfern Wildbach, Langenbach, Lerchenberg und Neudörfel, einem Antheil an Schönau und dem Oertchen Stein, welches letztere keine Gemeinde bildet. Früher gehörten auch Russdorf und Neudörfchen dazu.

Die Burg Stein hatte wahrscheinlich ursprünglich die Bestimmung, dem nahen Hauptschlosse Hartenstein zur Vormauer zu dienen, indem sie den hier befindlichen Pass über die Mulde vertheidigte. Beim Bau der Burg lichtete man natürlich einen Theil der hier befindlichen grossen Waldungen, baute nahe bei der neuen Veste ein Vorwerk, wies die später entstandenen Dörfer Langenbach und Wildbach mit ihren Diensten dahin und schuf auf diese Art ein Rittergut, welches Veit von Schönburg im Jahre 1406 vom Burggrafen Heinrich I. von Meissen, nebst der ganzen Grafschaft Hartenstein, gegen ein Darlehn von 8000 Goldgülden mit als Pfand erhielt. Obgleich nun die Herren von Schönburg bereits wirkliche Besitzer dieses Gebiets waren, fanden doch noch lange Zeit hindurch Misshelligkeiten hinsichtlich der Lehns– und Landeshoheit statt, bis endlich der letzte Burggraf von Meissen, Heinrich Reuss II. von Plauen im Jahre 1439 seinem Schwiegersohne, Veit II. von Schönburg, alle Ansprüche an Hartenstein als Aussteuer seiner Tochter abtrat und 1456 der Kaiser befahl, dass Hartenstein als kursächsisches Lehn betrachtet werden sollte. Die Trennung der oberen und niederen Grafschaft Hartenstein erfolgte im Jahre 1559 wo erstere an den Kurfürsten August für 146,000 Gülden verkauft wurde, während die niedere Grafschaft Hugo von Schönburg übernahm, der sich mit seinen Brüdern Ernst und Wolf über das Erbe des Vaters, Ernst’s II. von Schönburg, einigte.

Das Schloss Stein, seit 1649 der Sitz eines jetzt in Lössnitz befindlichen Amtes, war von 1632 an die zweite Residenz der Herren von Hartenstein, seit 1702 aber der eigentliche Sitz der Steiner Linie des Schönburgischen Hauses, obwohl sich diese Herren seit der Erbauung des Russdorfer Schlosses mehr dort aufhielten als in Stein. Die ehrwürdige Burg liegt hart am Ufer der Mulde, in einem zwar engen, aber unbeschreiblich schönen Waldthale, in welches das Hartensteiner Thal einmündet, das auch dem Mineralogen als Fundort des natürlichen Zinnobers merkwürdig ist. Dem Schlosse gegenüber erhebt sich ein steiles Gebirge, welches den Steiner Wald trägt. Beide Ufer der Mulde sind hart am Schlosse durch eine schöne Brücke verbunden, für deren Benutzung schon 1610 Hildebrand von Trützschler auf Stein einen Zoll verlangte. Die alte von ihm erbaute Brücke zertrümmerte 1694 die Fluth, nachdem schon 1573 eine hölzerne Brücke dasselbe Schicksal gehabt hatte. Die 1769 erbaute bedeckte Brücke wurde erst in neuester Zeit durch eine steinerne ersetzt. Bei dem Schlosse Stein befinden sich ausser einigen Häuslerwohnungen die Schlossmühle, das Jägerhaus und verschiedene Wirthschaftsgebäude. Im Jahre 1822 wurde von einem Herrn Kunz hier eine Pulvermühle angelegt. Das Schloss Stein ist mit seinen Umgebungen nach Wildbach eingepfarrt.

Mit allem Rechte nannte man die Burg Stein „zum Steine“ da sie nicht nur auf einem kleinen, isolirten Felsen sondern auch grösstentheils in denselben hineingebaut ist, indem das Gestein fast überall bis zum dritten Geschoss hinaufreicht. Die Südseite der Burg ist von der Mulde begrenzt und zeigt einen dicken, runden Thurm, den man später mit einer spitzen Haube bedeckte und mehrere Gebäude, die ein vor hundert Jahren stattgefundener Brand zwar theilweise zerstörte, welche aber in neuerer Zeit, wie das ganze Schloss, eine vollständige Renovation erfuhren. Auf die Höhe des Hauptgebäudes führen 155 Stufen. Nordöstlich ragt der Wartthurm empor, mit der daneben befindlichen, ebenfalls sehr hoch gelegenen Kapelle und auf der Ostseite steht das Brauhaus, über dessen Dach der Felsen hinausreicht. Von drei Seiten ist die Burg mit, jetzt trockenen, Gräben umgeben, über die vormals eine hölzerne Brücke nach dem gewölbten Burgthore führte. Ein Arm des Hartensteiner Baches bespühlt des Schlosses Ostseite, fällt in die Mulde [98] und macht dadurch den Schlossfelsen zur Insel. Auf einer nordöstlich gelegenen Felsenkoppe ist noch einiges Gemäuer vorhanden, welches man für Ueberbleibsel des ältesten Schlosses hält.

Der Ursprung des Schlosses Stein ist unbekannt und seine früheste Geschichte wird namentlich dadurch sehr unbestimmt, dass mehrere Schlösser Sachsens (wie Stenn bei Zwickau und Posterstein bei Altenburg) ebenfalls nur „Stein“ genannt werden. Nur wahrscheinlich ist es, dass hierher Gerhard und Heidenreich zum Stein gehören, deren eine Urkunde von 1254 erwähnt, ebenso werden 1330 „kunnicz vom Stein“ in Zwickau und Conrad Egerer daselbst, der auch Conrad vom Steine oder Conrad von Osterwen heisst, aufgeführt. Im Jahre 1411 gehörte Stein dem alten Hinze von Remse, welche Familie ihren Wohnsitz auf dieser Burg aufschlug, nachdem sie die Oekonomie zu Remse dem dasigen Kloster überlassen hatte. Die Ritter von Remse waren ohne Zweifel lange im Besitze der Burg Stein, da Veit von Schönberg ausdrücklich ein Lehnsherr dieser Familie genannt wird. In der Mitte des funfzehnten Jahrhunderts finden wir die Familie von Trützschler-Eichelberg auf der Burg, doch weiss man nicht ob dieselbe das Gut als Eigenthum besass, oder es nur in Niessbrauch hatte, für welche letztere Ansicht der Umstand spricht, dass die Trützschler erbliche Schlossvoigte auf Hartenstein waren und vermuthlich dafür die Einnahme des Gutes Stein empfingen. Im Jahre 1487 sagt Margarethe von Trützschler in einem Diplom: „dass ihr Junker den Stein auch schon besessen“. Diese Linie der Trützschler nannte sich zum Unterschiede von der Falkensteiner Linie, Trützschler von Eichelberg oder Eichenberg, wahrscheinlich nach einem Gütchen bei Glauchau, das jetzt Elzenberg heisst, gewöhnlich aber „der Trützschler“ genannt wird. Von dieser Familie hat der Trützschlerwald zwischen Zwickau und Werdau seinen Namen. Die Trützschler besassen Stein bis 1632, wo mit Hildebrand von Trützschler auf Stein diese Linie erlosch, und Stein an die Herren von Schönburg zurückfiel. Diese benutzten Stein noch als Veste, und als die Zwickauer das Holzflössen nach Glauchau hindern wollten, liess Ernst II. von Schönburg die Zwickauer Flösse aus den Fenstern des Schlosses beschiessen. Auf dem Schlosse Stein starb 1651 Veit von Schönburg, Hugo’s II. Sohn.

In früher Zeit hatte die Mulde hier wahrscheinlich viel engere Ufer als jetzt, dafür spricht eine Thür, welche aus dem Schlosse direct in das Wasser führt. Am linken Ufer dringt ein verfallener Gang in das Gebirge ein, von dem behauptet wird, dass er nach der nahen Eisenburg führte. Diese Eisenburg, deren Trümmer noch vorhanden sind, gehörte dem bekannten Kunz von Kaufungen und liegt in geringer Entfernung von der sogenannten Prinzenhöhle. Dass Kaufungen die geraubten Prinzen hierher, nicht aber nach Eisenburg in Böhmen bringen wollte, wird zwar vielfach behauptet, ist aber denn doch ziemlich unwahrscheinlich, da bei der grossen Nähe der Eisenburg die Prinzenräuber Mosel und Schönfels sich nicht drei Tage in der Höhle aufgehalten haben würden. – Der erwähnte unterirdische Gang, zu welchem dem Schlosse Stein gegenüber eine Thür führt, ist am Eingange zwei Ellen weit und dritthalb Ellen hoch, dann erreicht man ein Gewölbe von sechs Ellen Breite und mehr als zwanzig Ellen Länge, welches sich nach und nach auf drei Ellen verengt. Auf drei Seiten dieser Weitung führen wieder zwanzig Ellen lange und drei Ellen hohe Gänge tiefer in den Felsen, die man aber wegen mehrerer Verschüttungen nicht weiter untersuchen kann.

Zur Zeit befindet sich im Schlosse Stein eine Restauration, die von weit und breit besucht wird. Zu den häufig stattfindenden Concerten ladet der Wirth sogar regelmässig durch die Leipziger Zeitung ein. Hinter der Mühle liegt eine Insel, auf welcher 1779 bei Gelegenheit der Vermählung eines Grafen von Hochberg mit einer Gräfin Schönburg ein arkadisches Schäferfest dargestellt wurde. Die alte Burg ist jetzt sehr stattlich eingerichtet und gehört unstreitig zu den reizendsten Punkten des Erzgebirges. Unwillkührlich aber erfasst den Besucher des Schlosses, wenn er am Ufer der rauschenden Mulde sitzend die altersgrauen Mauern und Thürme beschaut, der wehmüthige Gedanke, dass Alles eitel ist! – Seit vielen Jahrhunderten ragen die alten Steinmassen empor, sie haben wohl zwanzig Generationen überdauert und werden noch stolz der Zeit trotzen wenn auch wir längst zu Staub geworden sind! –

Otto Moser.