Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Thammenhayn

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Autor: O. Moser
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Titel: Thammenhayn
Untertitel:
aus: Leipziger Kreis, in: Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen. Band I, Seite 84–85
Herausgeber: Gustav Adolf Poenicke
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Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Expedition des Albums Sächsischer Rittergüter und Schlösser
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Erscheinungsort: Leipzig
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Thammenhayn.


Thammenhayn, ein ansehnliches Dorf mit einem schönen Rittergute, liegt zwei Stunden nordöstlich von Wurzen an der Torgauer Strasse, in kurzer Entfernung von der Grenze des Preussischen Herzogthums Sachsen und erstreckt sich eine halbe Stunde lang in südlicher Richtung bis nach dem Dorfe Voigtshain an einem in die Lossa mündenden Bache hin. Sowohl der nahe Schildauer Berg, wie auch die nicht weit entlegenen Hohburger Höhen, geben der hiesigen flachen Gegend eine höchst angenehme Abwechselung und bieten vortreffliche Aussichten, namentlich vom Schildauer Berge überschaut man nach allen Richtungen eine weite Fläche, auf welcher das Städtchen Schildau, Torgau, der Berg vor Eilenburg, das Schloss Hubertusburg und bei ungetrübtem Horizonte selbst der Petersberg bei Halle die bemerkenswerthesten Punkte bilden. Im weiten Umkreise ist Thammenhayn von einem dunklen Waldgürtel umzogen, welcher die Feuchtigkeit des Bodens sehr vermehrt und nur nach einer Seite hin offen ist. Früher waren die hiesigen Felder den Verwüstungen der Wildschweine ausgesetzt, bis König Anton diese schädlichen Thiere ausrotten liess. Thammenhayn zählt in elf Hufengütern, siebzehn Halbhufengütern, zwei Viertelhufengütern, sechszehn Grosshäuslerwohnungen, siebenunddreissig Häusern, zwei Schenken, zwei Mühlen, einer Schmiede, der Schäferei und dem Gemeindehause über sechshundert Einwohner. Uebrigens besteht der Ort aus zwei Gemeinden, Ober- und Niederthammenhayn genannt.

Schon in einer Urkunde vom Jahre 1282 wird des Dorfes Thammenhayn Erwähnung gethan, indem darin gesagt ist „die Grenzen des Stiftes Wurzen erstreckten sich von dem Dorfe Treben bis an das Feld von Heinrichsdorf, (welcher Ort jetzt als wüste Mark zu Thammenhayn gehört) und von dem genannten Dorfe bis an das Feld von Thammenhayn.“ – Aller Wahrscheinlichkeit nach war der Erbauer des Rittergutes ein Edelmann welcher Damian, oder abgekürzt Dam, hiess und dadurch dem Orte seinen Namen gab, doch findet man auch die Behauptung aufgestellt, dass die vielen hier befindlichen Dämme dazu Veranlassung geboten. – Das Rittergut gehört zu den ansehnlichsten der Gegend und ist namentlich reich an trefflicher Waldung, die an Flächengehalt dem des Flurgebietes gleichkommt. Seine Gebäude bilden ein schönes Gehöft und befinden sich in sehr gutem Zustande, gleich dem mit einer Mauer umzogenen Lustgarten mit Gewächs- und Treibhaus. Die herrschaftliche Schäferei und das Brauhaus stehen von dem Hauptgebäude abgesondert, die eine Seite des Hofes aber enthält eine stattliche Kirche, die Hofkirche genannt, welche, fast so gross als die Dorfkirche, die ganze Gemeinde zu fassen vermag, und deren Boden zur Aufschüttung des Getreides benutzt wird. – Bei Thammenhayn lag einst auch das jetzt verschwundene Dörfchen Holbach und zum Rittergute gehörten vor Zeiten auch der Peisshaniger Busch und der Böhmer Werth bei Canitz an der Mulde.

Im funfzehnten Jahrhundert bestand Thammenhayn aus zwei Gutstheilen, von denen eines den Herren von Saalhausen, das andere den Herren von Korbitz gehörte. Hans von Korbitz wird 1498 und noch 1519 erwähnt, in welchem Jahre das Gut an den Amtmann Bernhard von Stentzsch auf Zschorna und Wäldgen gelangte, der es 1522 an Eberhard von Lindenau verkaufte. Dieser Herr besass beide Güter, verpfändete aber das eine an die Junker Dietrich und Christoph von Truchsess auf Wellerswalde und starb 1555 am Donnerstage nach Empfängniss Mariä. Hans von Lindenau wird in der Pfarrmatrikel noch 1582 genannt, und 1587 war das Thammenhayner Rittergut in drei Theile getheilt, welche den Brüdern Hans, Caspar Dietrich und Georg Caspar von Lindenau gehörten. Den Altar der Thammenhayner Kirche erbauten 1602 auf ihre Kosten die Herren Caspar Dietrich, Michael und Wilhelm von Lindenau, von denen die beiden Ersteren noch 1612 lebten. Im Jahre 1615 befand sich im Alleinbesitz der wieder vereinigten Rittergutstheile Nikolaus von Loss, der 1622 Thammenhayn an Heinrich von Bredelohe verkaufte, von dem es der Dänische Leibarzt Donat von Freywald an sich brachte und es 1654 seinem Sohne Christian Donat von Freywald hinterliess, der 1666 mit Tode abging. Der nächste Besitzer war Joachim Loth von Schönberg auf Gelenau, dessen drei Söhne, Hans Dietrich, Nikol und Rudolph von Schönberg das Gut noch 1692 besassen; 1701 aber gehörte es Hans Dietrich von Schönberg allein. Im Jahre 1734 wird Gotthelf Friedrich von Schönberg als [85] Besitzer von Thammenhayn, Trebitz, Lauterbach und Purschenstein genannt, der auch Churfürstlich Sächsischer Kammerherr, sowie sein Sohn Rudolf Dietrich 1750 Churfürstlich Sächsischer Kreishauptmann war. Nach diesem besass Thammenhayn, und zugleich auch Gelenau, Niederzwönitz, Lauterbach, Bieberstein und Trebitz der Churfürstlich Sächsische Kammerherr Rudolf Dietrich von Schönberg, dem 1790 der Kammerherr Caspar Heinrich Dam von Schönberg folgte. Später gehörte das Gut, zugleich mit Gelenau, Hofthum und Niederzwönitz, August Caspar Ferdinand Dam von Schönberg; der jetzige Besitzer desselben ist Herr Julius von Schönberg.

Thammenhayn ist der Geburtsort des berühmten Bischofs Johann VI. von Meissen, dessen Vater, Friedrich von Saalhausen, bis um 1450 abwechselnd auf dem hiesigen Rittergute und einigen anderen ihm zugehörigen nahen Edelsitzen, namentlich dem Stammgute Saalhausen wohnte. Der Bischof war einer der aufgeklärtesten Geistlichen seiner Zeit und würde ohne Zweifel die Reformation sehr begünstigt haben, wenn er nicht schon mit Beginn derselben (1518) gestorben wäre. Der Hussitenkrieg, wie auch der dreissigjährige Krieg, brachten Thammenhayn schreckliche Verwüstungen und noch erinnern die wüsten Marken Heinrichsdorf und Holbach an die Zeit, wo durch den grausamen Uebermuth der Soldaten diese blühenden Dörfer vernichtet wurden. Auch in dem nordischen Kriege traf Thammenhayns Einwohner ein grosses Unglück. Im Jahre 1707 rückte aus Wurzen ein Exekutionscommando von neun Schwedischen Soldaten ein, das jedoch die Thammenhayner nicht aufnehmen wollten, sondern es zum Orte hinaustrieben, bei welchem Handgemenge einer der Schweden getödtet wurde. Die Rache derselben blieb nicht aus, und erinnert an das grausame Treiben, wodurch schon ihre Grossväter für alle Zeiten in Sachsens Annalen sich ein blutiges Denkmal gesetzt hatten. Zwei der unglücklichen Landleute wurden erschossen und verschiedene Andere mit fortgeschleppt, die jedoch grösstentheils den Misshandlungen der erbitterten Soldaten erlagen, so dass nach der für den Schwedenkönig Karl XII. so verhängnissvollen Schlacht bei Pultawa nur zwei der entführten Thammenhayner zurückkehrten.

Es wurde schon erwähnt, dass mit dem Rittergute Thammenhayn eine Kirche, unter dem Namen Hofkirche, zusammengebaut ist. Schon 1569 hatte der damalige Herr des Rittergutes, Hans von Lindenau, hier eine Kirche erbauen lassen, die laut einer noch vorhandenen Matrikel von 1617 der Herr von Loss abbrechen liess, doch war sie 1671 wieder vorhanden. Die gegenwärtige Kirche ist ein Werk Hans Dietrichs von Schönberg, der dieselbe 1711 aufführen und 1713 einweihen liess, wobei er sie mit einigem Vermögen dotirte.

Sie hat einen hübschen Thurm mit drei Glocken und einer Uhr, ist mit Ziegeln gedeckt, sowie der Thurm mit Schiefer, zeichnet sich durch ein helles und freundliches Innere aus und besitzt eine treffliche Orgel. Im unteren Theile des Thurmes befindet sich ein zu Wirthschaftszwecken bestimmtes Gewölbe, darüber aber die herrschaftliche Kapelle. Bei einem 1822 stattgefundenen Gewitter schlug der Blitz in die Thurmspitze, warf einen Theil der Kuppel herab, drang durch die herrschaftliche Kapelle in die Kirche, beschädigte die Decke und fuhr endlich in einem anstossenden Gebäude nieder, wo er eine Ziege tödtete. Dadurch wurde eine bedeutende Reparatur nöthig, die über sechshundert Thaler kostete und erst im nächsten Jahre beendigt werden konnte.

Die Dorfkirche ist ein sehr altes Gebäude, über dessen Ursprung keine Nachrichten vorhanden sind. Dieselbe besteht aus einem höheren Baue, welcher einen kuppelartigen Thurm trägt, und einem angebauten Rondel. Zwei Grabsteine im Inneren der Kirche gelten dem Andenken Eberhards von Lindenau († 1555), und eines Hans von Lindenau († 1571), ein dritter deckt die Reste eines Mitgliedes der Familie von Bredelohe, und ausserdem ist noch ein Grabmal der Familie von Schönberg von 1772 in dem gewölbten Bogen zwischen Hauptgebäude und Rondel vorhanden. Einige ganz alte Grabsteine tragen nicht mehr zu entziffernde Ueberbleibsel einstiger Inschriften. – In beiden Kirchen findet der Gottesdienst das ganze Jahr hindurch abwechselnd statt, nur Taufen, Begräbnissreden, Trauungen an Wochentagen und Confirmation werden ausschliesslich in der Dorfkirche vorgenommen, das Abendmal aber wird sowohl in der Hofkirche wie in der Dorfkirche, je nach dem betreffenden Sonntage, ausgetheilt. Die Collatur über Pfarre und Schule steht dem Besitzer des Rittergutes zu.

Die beiden Kirchen zu Thammenhayn befinden sich fast an den äussersten Enden des Dorfes und demnach für die meisten Einwohner in ziemlich unbequemer Lage. Nach aller Wahrscheinlichkeit nahm man bei Erbauung der Dorfkirche auf das nahe gelegene Heinrichsdorf mit einem daselbst befindlichen Sattelhofe Rücksicht, wovon 1617 noch ein Vorwerk mit einigen Drescherhäusern übrig war, das im dreissigjährigen Kriege zerstört wurde. – Uebrigens gehörte die Parochie Thammenhayn seit der Reformation zur Ephorie Eilenburg, nach der Theilung Sachsens aber wurde sie erst provisorisch mit der Ephorie Oschatz, seit 1820 aber mit der Ephorie Wurzen verbunden. Die Schule ist 1834 neu erbaut worden und zählt durchschnittlich hundertzwanzig Kinder.

O. Moser.