Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Zöbigker
Eines der am reizendsten gelegenen Dörfer in Leipzigs Umgegend ist Zöbigker. Umgeben von herrlichen Eichenwaldungen, üppigen Wiesen und fruchtbaren Feldern gehört es zu den beliebtesten Vergnügungsorten der Leipziger Jugend, wenn sie, hinter Ladentischen und staubigen Schreibpulten hervorkriechend, das Bedürfniss fühlt, sich einmal in Gottes freier frischer Natur zu bewegen. Obgleich die schöne breite Heerstrasse das Dorf Zöbigker durchschneidet, zieht man es doch vor, den etwas längeren Weg von Leipzig nach diesem Orte durch Wälder und Wiesen einzuschlagen, und nach anderthalbstündiger Tour erblickt man aus dem Gehölz heraustretend das freundliche Zöbigker mit seinem stattlichen Schlosse und hohem weissen Kirchthurme. In dem trefflichen Gasthofe findet man einen freundlichen Wirth und ein Glas delikates Bier aus der hiesigen berühmten Rittergutsbrauerei.
Wie fast alle Ortschaften in Leipzigs Umgebung ist auch Zöbigker von den Slaven gegründet worden, und Todtenurnen, die man bisweilen auf den nahen Fluren ausgräbt, erinnern an die ferne Vorzeit, wo in unserem Gau noch Alles im finsteren Heidenthume befangen dem Flyntz seine Opfer brachte und in den dichten ungeheuren Eichenwaldungen die geheimnissvollen Gebete der mächtigen Priester ertönten. Wer das erste Schloss zu Zöbigker erbaute, lässt sich aus Mangel an zuverlässigen Nachrichten nicht ermitteln; der erste Edelmann, welcher urkundlich als Herr auf Zöbigker genannt wird, war Dam Pflugk, auch Herr auf Grosszschocher, Gohlis und Möckern, Niklas Pflugks auf Strehla Sohn. Er war Rath am Hofe des Markgrafen Wilhelm von Meisen, und vermählte sich mit Agnes von Hirschberg, die ihm zwei Söhne, Niklas und Siegmund, gebar. Nach seinem, um das Jahr 1376 erfolgtem Tode theilten die beiden Söhne das väterliche Erbe, wobei Siegmund auch Zöbigker bekam. Dessen Sohn Heinrich Pflugk, besass zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts, ausser Zöbigker auch Lössnig und war der letzte des Pflugkschen Geschlechts auf Zöbigker, indem das Gut nach seinem Tode an den Gemahl seiner Tochter, einem Herrn von Dieskau, fiel. Von den Dieskaus werden später Otto Geissler von Dieskau und Adolph von Dieskau auf Zöbigker genannt, vor denen es kurze Zeit ein Herr von Gehofen besass. Von Adolph von Dieskau erkaufte das Gut Friedrich Wilhelm von Marschall auf Grossenstätt, Erbmarschall von Thüringen, von welchem es 1687 an einen Leipziger Patrizier, Johann Jacob Kees, Königlich Polnischen und Churfürstlich Sächsischen Commerzienrath und Oberpostmeister zu Leipzig gelangte, in dessen Familie Zöbigker geblieben ist bis auf den heutigen Tag. Der Commerzienrath Kees starb am 20. September 1705 und ihm folgte im Besitze Zöbigkers sein Sohn Johann Jacob Kees, der anfänglich ebenfalls Oberpostmeister, später aber Königlich Polnischer und Churfürstlich Sächsicher Hof- und Justizrath, sowie auch Vornehmer des Raths und Baumeister zu Leipzig war. Er starb im Jahre 1726.
Von diesem Besitzer hatte Zöbigker ungemeine Vortheile. Dass Schloss sammt den Wirthschaftsgebäuden wurde von ihm neu aufgebaut, ein prachtvoller Garten mit herrlicher Orangerie angelegt, ein neues Brau- und Malzhaus, ein grosser Gasthof, eine Mühle und manches ander stattliche Gebäude aufgeführt. Er liess die Kirche innerlich und äusserlich renoviren, eine neue Kanzel und Emporkirche bauen und einen neuen Altar errichten. Von ihm wurde auch der noch jetzt stehende stattliche Kirchthurm erbaut, und da er durch Reisen und Studien sich zu einem tüchtigen Architekten herangebildet hatte, so verdanken wir seinem Kunstsinn und seiner Baulust nicht nur hier sondern auch anderwärts manches treffliche Gebäude.
Des vorgenannten Sohn, Jacob Friedrich Kees, Kammerrath bei dem Stift und Herzogthume Zeitz, war ein sehr gelehrter und erfahrener Mann. Er beschenkte die Ortskirche mit einer Orgel und unternahm um das Schloss einen sehr kostspieligen Wallbau. Von seinem Sohne den Oberhofgerichtsrath und Consistorialassessor Dr. Jacob Friedrich Kees wurden im Jahre 1785 die drei Kirchenglocken angeschafft; derselbe starb 1821, und sein Sohn, der Leipziger Senator, Hofrath Carl Jacob Kees, im Jahre 1831. – Der jetzige Besitzer von Zöbigker ist des Letztgenannten Sohn, Herr Dr. Carl Jacob Kees.
Zu dem Rittergute Zöbigker gehören 275 Acker sehr gute Felder, 100 Acker Wiesen, 145 Acker ausgezeichnet bestandene Eichenwaldungen, treffliche Gärten und eine starke Ananastreiberei, Mehl- und Schneidemühle, [40] Gasthof, Ziegelei und eine sehr bedeutende Bierbrauerei. Das Dorf hat etwa sechzig Feuerstätten mit fast vierhundert Einwohnern, darunter vierundzwanzig Gutsbesitzer. Die Einwohnerschaft nährt sich hauptsächlich von Feldbau, doch finden auch Viele Beschäftigung in dem nahen Leipzig.
Das Dorf wurde im dreissigjährigen Kriege sehr oft von streifenden Partheien heimgesucht, und litt zugleich wegen seiner Lage an der Heerstrasse nicht wenig durch die Hin- und Herzüge der verschiedenen Armeen, sowie durch epidemische Krankheiten. Im Jahre 1680 brachte aus Leipzig ein Fremder, der an einer in dieser Stadt herrschenden Seuche litt, und in hiesigem Gasthofe einkehrte, die gefährliche Krankheit auch nach Zöbigker, von wo sie bald nach dem naheliegenden Prödel drang und in beiden Ortschaften beinahe hundert Menschen in das Grab stürzte.
Die stattliche mit einem hohen schönen Thurme gezierte Kirche wurde lange vor der Reformation erbaut, und wie schon bemerkt durch den Hof- und Justizrath Johann Jacob Kees restaurirt und mit einem neuen Thurme versehen. Am 10. Juli 1733, an einem Busstage, erhob sich unter der Nachmittagspredigt ein fürchterliches Gewitter, welches dreissig Stunden lang das Volk in Angst und Sorgen erhielt. Der Blitz erschlug nahe bei Rehbach eine Frau, entzündete das Schulgebäude zu Kötschau, beschädigte die Kirchen zu St. Thomas und St. Nikolai nebst fünf Häusern zu Leipzig und traf ausser den Gotteshäusern zu Gautsch und Markkleeberg auch die Kirche zu Zöbigker so gewaltig, dass er im Thurme einige Balken zerschmetterte, die Fenster beschädigte, den Beichtstuhl zersplitterte und dessen Gerüste fortschleuderte. Im Jahre 1808 wurde die Kirche durch frechen Einbruch um ein Kapital von 1000 Thalern bestohlen.
Vor der Reformation stand die Collatur über die Kirche zu Zöbigker dem Thomaskloster in Leipzig zu, welches dort Plebane unterhielt, von denen im Jahre 1375 Dietrich, von 1505 bis 1518 Gregor Strauss genannt wird, welcher letztere früher Pleban in Schönfeld war und als Prior des Augustinerklosters zu Leipzig starb. Von 1518 bis 1535 verwaltete das hiesige Plebanat Andreas Skölen, zuvor Küchenmeister im Leipziger Thomaskloster, mit dem die Reihe der katholischen Priester schloss. Sein Nachfolger, Heinrich Dietze, bisher Kaplan auf dem Schlosse zu Grosszschocher, trat 1539 zum Protestantismus über und starb 1554 im siebzigsten Lebensjahre. Das zum Rittergute Zöbigker gehörige Dorf Prödel mit dreizehn Gütern und zwölf Häusern ist in die Kirche zu Zöbigker eingepfarrt. Beide Dörfer machten früher eine besondere Parochie aus, und wurden zur Zeit der Reformation mit Gautsch vereinigt; doch hat Zöbigker noch jetzt Parochialrechte, deshalb wird hier wie in Gautzsch die gewöhnliche Probepredigt gehalten, auch eine besondere Vokation vom Rittergutsbesitzer als Kirchenpatron ausgestellt. Der in Gautzsch wohnende Pfarrer hat auch in Zöbigker eine ihm zustehende Wohnung, die er vermiethet. Die Schule besuchen etwa funfzig Kinder.