Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Kittlitz
Das schöne, grosse Dorf Kittlitz, wendisch Ketlice (Kesselsdorf) liegt nordöstlich von Löbau an der Weissenburger Strasse auf einem Abhange am linken Ufer des Löbauer Wassers und raint mit Unwürde, Belwitz, Kleinradmeritz, Krappe und Wohla. Dasselbe zählt sechsundneunzig Feuerstätte mit etwa sechshundert Einwohnern, zur Hälfte aus Deutschen, zur Hälfte aus Wenden bestehend und gleicht von der Abendseite gesehen einem Städtchen, wozu namentlich die äusserst stattliche Kirche und die Gebäude der Rittergüter beitragen. Ausser einigen Professionisten und Handelsleuten besteht die hiesige Einwohnerschaft nur aus Landwirthen und beim Feldbau beschäftigten Arbeitern.
Kittlitz ist ein sehr alter Ort. Es gehörte bereits im zwölften Jahrhundert einer adligen Familie von Kittlitz, aus der 1185 vier Herren am Hofe des Markgrafen von Meissen lebten; auch gehörte Bischof Johann III. von Meissen diesem Geschlechte an. Dietrich von Kittlitz, ein kluger und frommer Mann, wird in einer Urkunde von 1180 als Domprobst zu Meissen genannt, der nach seinem noch vorhandenen Epitaph 1207 mit Tode abging. Von einigen Genealogen wird der Familie Kittlitz auch der berühmte Heinrich von Kietelitz, Erzbischof von Gnesen, der bei der polnischen Geistlichkeit den Cölibat einführte, zugezählt; doch behaupten wiederum Andere, er sei ein Sohn des Grafen Friedrich von Brehna und Rochlitz und der polnischen Prinzessin Eudoxia gewesen. Burkhard von Kittlitz erwarb 1186 Seidenberg. Später werden noch genannt Otto von Kittlitz, Herr auf Baruth, Voigt der Niederlausitz, der 1394 auch Spremberg an sein Haus brachte, Brand von Kittlitz auf Baruth, Sehe und Kittlitz (1405) und Georg von Kittlitz, dessen Sohn.
Nach der ältesten urkundlichen Nachricht empfing Heinrich von Kittlitz die Lehn über sein Stammgut am Tage Margarethe 1348 vom Kaiser Karl IV. Die Tochter dieses Edelmanns war mit einem Ritter Thimo von Kolditz vermählt, von dessen Enkeln einer Bischof von Meissen, der andere, Albrecht von Kolditz, Hauptmann zu Jauer und Schweidnitz und 1425 bis 1448 Landvoigt in der Oberlausitz war. Kittlitz befand sich jedoch schon um das Jahr 1370 nicht mehr im Besitze der Familie von Kittlitz (die um dieselbe Zeit für tausend Mark Silbers Baruth erkauft hatte), denn wie eine zu Löbau verwahrte Urkunde darthut wohnten 1389 auf dem Schlosse zu Kittlitz die Gebrüder Henlin, Fritze, Otto und Lorenz von Nostiz, die mit der Stadt Löbau wegen der Obergerichtsbarkeit über die Dörfer Kittlitz, Georgewitz und Breitendorf einen Prozess führten, den Kaiser Wenzel 1390 zu Gunsten der Stadt Löbau entschied. Otto von Nostiz wurde 1400 von demselben Fürsten mit Kittlitz belehnt und erwarb 1401 auch das Dorf Unwürde. Bei dessen Familie blieb das Gut bis zum Jahre 1480, wo bereits zwei Rittergüter in Kittlitz erwähnt werden, deren eines Heinrich von Gussig auf Kleindehsa besass, während das andere noch Eigenthum der Nostize war. Heinrich von Gussig lebte im Streite mit dem Pleban zu Kittlitz, Paul Hoffmann, der sich angemasst hatte, Bier zu brauen und auszuschenken, worauf der Bischof von Meissen am 19. Juli 1482 dem geistlichen Herrn befahl, sich solcher unziemlichen Geschäfte ferner zu enthalten. Johann von Gussig, des Vorigen Sohn, besass beide Rittergüter zu Kittlitz. Nach des Vaters Tode traf dieser Herr mit dem Pleban Hoffmann einen Vergleich. Hoffmann hatte nämlich von den Gütern gewisse Gefälle an Vieh, Getreide und Geld zu empfangen, während der Edelmann alle Herrengefälle von Breitendorf bezog. Der Pleban erliess dem Rittergutsbesitzer die Gefälle unter dem Vorbehalt, dass dieser ihm noch auf neun Jahre hinaus jedesmal zu Michaelis drei Mark bezahlen sollte, wogegen der Geistliche die Breitendorfer Gefälle empfing. Diesen Vergleich bestätigte Bischof Johannes von Meissen 1507 auf dem Schlosse zu Stolpen.
[98] Zu welcher Zeit Johann von Gussig mit Tode abging, ist nicht bekannt, doch gehörte Kittlitz bereits 1520 Ludwig von Rosenhain, von dem jedoch, ausser der Kirchrechnung, keine Urkunde aus jener Zeit spricht. Seine Herrschaft dauerte höchstens bis 1527; denn am 27. September dieses Jahres, wo König Ferdinand von Böhmen den Gebrüdern Caspar, Georg, Christoph, Rudolf, Hans, Getsche und Melchior von Gersdorf aus dem Hause Baruth die Lehen über ihre weitläufigen Besitzungen ertheilte, gehörte zu diesen auch Kittlitz, das bei der Theilung an Rudolf von Gersdorf gelangte, unter dessen Herrschaft die Reformation hier Eingang fand. Rudolf von Gersdorf berief 1535 einen evangelischen Pfarrer, Namens Postor, nach Kittlitz, und gründete zu gleicher Zeit ein Diakonat, indem er den nach Kittlitz eingepfarrten Edelleuten das Versprechen gab, „einen steten Caplan zu halten, welcher den Eingepfarrten mit dem Worte Gottes und den heiligen Sakramenten treulich sollte vorstehen helfen.“ Dieses Versprechen wiederholte Rudolf von Gersdorf vor Land und Städten, unter dem Vorsitze des Oberamtshauptmanns Nicolaus von Gersdorf.
Nach Rudolf von Gersdorfs Tode kamen dessen Besitzungen an Hans Wenzel von Gersdorf, der um 1580 gestorben ist. Seine Nachfolger waren Sigismund, Caspar, Balthasar Hans, Hans Wenzel und Hans Sigismund von Gersdorf, von welchem Letzteren Niederkittlitz 1750 an die Familie von Hund und Altengrotkau gelangte, welche Oberkittlitz schon seit 1722 besass. Bereits 1607 gehörte einem Wenzel Hund von Altengrotkau Wendischcunnersdorf und Unwürde, später auch ein Theil von Kittlitz. Der Geheimrath Carl Gotthelf von Hund und Altengrotkau verkaufte 1769 seine ganzen Besitzungen, wobei auch Kittlitz, an die Gräfin Isabella von Salmour, von der dieselben durch Erbschaft an ihren Sohn Joseph Gabaleon übergingen, welcher sie 1819 an den Generallieutenant und Gouverneur der Residenzstadt Dresden, Freiherrn von Gablenz verkaufte. Dessen Söhne übernahmen 1837 die väterlichen Güter in der Art, dass der Rittmeister Heinrich von Gablenz Kittlitz und der Oberlieutenant Anton von Gablenz Unwürde erhielt. Zur Zeit gehört Kittlitz Herrn Pohlank.
Wie schon erwähnt wurde, ist eine besondere Zierde für Kittlitz die grosse, schöne Kirche. Schon im dreizehnten Jahrhundert muss sich hier ein Gotteshaus befunden haben, da eine Inschrift an der grossen Glocke sagt: Felix namque es sacra virgo Maria omni laude dig. M.CC.II. ie quia ex te or, und ein noch jetzt vorhandener Ablassbrief des Papstes Innocenz IV. vom Jahre 1252 die Schenkung des Ortes Breitendorf an Kirche und Pfarramt zu Kittlitz bestätigt. Die Kirche war dem heiligen Procopius gewidmet und hat mannigfache Schicksale erlitten, so dass sie viermal neu erstanden ist. Die älteste Kirche wurde, nach verschiedenen Spuren zu schliessen, durch Feuer vernichtet, worauf man 1415 das neuerbaute Gotteshaus einweihte. Sigismund von Gersdorf auf Kittlitz liess 1565 die Capelle abtragen und 1566 begann man mit dem Baue eines Thurmes, dessen Leitung Erasmus Hans von Gersdorf auf Lautitz übernahm. Während dieses Baues geriethen die eingepfarrten Edelleute unter einander in Streitigkeiten. Dazu kam, dass um diese Zeit in hiesiger Gegend eine heftige Seuche ausbrach, die viele Menschen hinraffte, welche man eine Viertelstunde von Kittlitz, am Birkenhölzchen, das aber jetzt ausgerodet ist, einscharrte; auch ereigneten sich sonst noch eine Anzahl unglücklicher Vorfälle, so dass die meisten Rittergüter in fremde Hände geriethen – hinreichende Ursachen, dass der Thurmbau vierzig Jahre lang ruhte, bis am Sonntage vor Peter-Paul ein Wetterstrahl die Kirche traf und sammt dem Thürmlein zerstörte.
Die neue Kirche entstand in den Jahren 1606 und 1607 auf Kosten der Gebrüder Hans Joachim von Gersdorf auf Lautitz und Caspar von Gersdorf auf Kittlitz, von denen namentlich der Erstgenannte sich um den Bau sehr verdient machte. Die Glocken der ältesten Kirche waren allen Schicksalen des oft heimgesuchten Gotteshauses entgangen, vermuthlich weil sie sich auf einem abgesonderten Glockenthurme befanden. Die grosse Glocke ist ohne Zweifel die älteste der Oberlausitz, die mittlere und kleine liessen Hans Wenzel und Sigismund von Gersdorf 1652 und 1658 umgiessen.
Im Laufe der Zeit war die Kirche zu Kittlitz durch Vermehrung der Parochianen dergestalt beengt worden, dass man sich genöthigt sah, abermals einen Neubau vorzunehmen. Im Jahre 1749, am 3. Juni, wurde im Beisein der beiden Collatoren Johann Adolf von Gersdorf auf Niederkittlitz und Carl Gotthelf von Hund und Altengrotkau auf Oberkittlitz der Grundstein zu der neuen Kirche gelegt, in welchem sich ein hölzernes Kästchen mit betreffenden Schriften befindet. Der Bau schritt rüstig vorwärts, und obgleich durch den siebenjährigen Krieg und andere Hindernisse aufgehalten, war er im Jahre 1769 bis auf den Thurm vollendet. Die Kosten betrugen 16652 Thaler 1 Groschen 6 Pfennige. – Einige Jahre später entstand auch der Thurm; doch war damals das Kirchenvermögen dergestalt erschöpft, dass man im Lande eine Collecte sammeln musste, um dem Thurme ein Dach zu geben.
Aus der alten Kirche finden sich noch manche Merkwürdigkeiten vor. So ist ein uralter, aus Granit gearbeiteter Stein vorhanden, auf dem noch das Nostiz’sche Wappen erkennbar ist, doch lässt sich die Umschrift nicht mehr entziffern. Der Freiherr Carl Gotthelf von Hund und Altengrotkau liess beim Neubau der Kirche viele alte Grabsteine ausheben und [99] als Baumaterial verwenden, den erwähnten Nostizischen Denkstein aber nahe bei der Sakristei einmauern. Vier Gersdorfische Leichensteine, welche zwei Männer in ritterlichem Costüm und zwei Frauen in der steifen Tracht ihrer Zeit darstellen, hat man an der Kirchhofsmauer zunächst der Schule befestigt. – Interessant ist auch der in des Pfarrers Sakristei aufbewahrte Altar, welchem Kenner ein Alter von fünfhundert Jahren zuschreiben. Es ist ein sogenannter Wandelaltar mit zwei Thüren. Sind diese geöffnet, erblickt man die heilige Maria mit dem Jesuskinde auf dem Arme und reich vergoldeter Krone auf dem Haupte, ihr zur Rechten die heilige Anna mit der ihr Haupt umgebenden Inschrift: „Santa Anna ora pro nobis!“ zu ihren Füssen ein Knabe und ein Mädchen. Der heiligen Jungfrau zur Linken steht der heilige Procopius, eine Bischofsmütze tragend, in der rechten Hand ein Buch, in der linken eine Geissel haltend, mit dem linken Fusse auf einem krokodillartigen Ungeheuer stehend, das den Rachen weit aufgesperrt hat. In der Thür zur Rechten steht der Evangelist Johannes, ein Buch und ein Lamm haltend, ferner der Apostel Petrus mit dem Kreuze. In der andern Thür zeigt sich die heilige Catharina, welche in der rechten Hand ein Buch, in der linken ein blosses Schwert hält und mit dem Fusse auf einem zerbrochenen Rade steht. Neben ihr sieht man die heilige Barbara mit einem Thurme in der linken und einem Buche in der rechten Hand. Werden die Flügel des Altars geschlossen, so zeigen sich zwei Reihen Gemälde, acht Darstellungen enthaltend. In der obern Reihe erblickt man die Heimsuchung Mariä, die Erscheinung Christi am Grabe, die Verkündigung Mariä, in der untern Reihe einen Heiligen in einem mit Schimmeln bespannten Wagen, an welchem das vordere Rad fehlt, während ein schweinähnliches Thier die Achse trägt; ferner die Erscheinung Christi vor den Weisen aus dem Morgenlande, die Flucht nach Egypten und einen Märtyrer am Kreuze. Unter dem Altartische befinden sich verschiedene vom Bildschnitzer gearbeitete Figuren, namentlich der Märtyrer Sebastian am Pfahle und ein knieender Heiliger, dem ein Nachrichter das Haupt abzuschlagen im Begriff ist. Ein drolliger Zufall hat gewollt, dass der Knieende das Haupt noch aufrecht trägt, während der Scharfrichter das seinige durch irgend einen Zufall verloren hat.
Merkwürdig ist, dass das Pfarramt zu Kittlitz mit dem Dorfe Breitendorf belehnt ist und früher Gerichtsherr über dasselbe, sowie über sieben Häusler und Gärtner in Kittlitz war. Aus Allem geht hervor, dass Breitendorf vormals ein Rittersitz war; auch giebt es dort noch jetzt drei Mannlehngüter, die aus dem ursprünglichen Herrensitze entstanden sein mögen. Ausser diesen Lehngütern waren zu Breitendorf in früherer Zeit noch elf Bauergüter, die später in kleinere Besitzungen zerspalten worden sind. Aufschluss über dieses Lehnsverhältniss giebt die schon erwähnte interessante Bulle Papst Innocents, die wir hier in der Uebersetzung wiedergeben:
„Innocentius IV., ein Knecht aller Knechte Gottes, ertheilen allen Christgläubigen, die diesen Brief kennen lernen, Heil und unsern apostolischen Segen.
Kund und zu wissen ist, dass wir aus freiwilliger Schenkung und Begnadigung gefunden haben wie das Dorf, Uyest genannt, mit aller Nutz, Dienst und Botmässigkeit zur Mutterkirche in Kittlitz gehöre. Und da sich Jemand besagtes Dorf, oder was anderes zu ermeldeter Kirche gehöriges, durch verwegenes Recht etwa unterfangen möchte anzufeinden und zu empören (das doch nicht geschehe), denjenigen wollen wir von der heiligen Mutterkirche durch apostolische Gewalt und Kraft abgetrieben, in Bann gethan, verflucht und verdammt haben. Und nicht allein dieser, sondern auch alle beipflichtende Gönner und Einwilliger sollen gleichmässiger Pein und Strafe gewärtig sein. Deswegen wollen wir diesem nach Kraft der apostolischen Schriften und wahrhaften Gehorsams gebieten und anbefehlen, dass ein jedweder Bischof des Meissnischen Bisthums über solcher gesetzten Meinung halten und ihr nachkommen solle. Gegeben zu Peruss im Jahre Christi 1252 am 26. Hornung Unsern päpstlichen Ehren im Zehnten.“
Die Kirchenbücher zu Kittlitz gehen nur bis zum Jahre 1700 zurück, und zwar soll einer unverbürgten Sage nach eine Pfarrwittwe, der man bei ihrem Wegzuge nicht Genüge that, die alten Bücher aus Rache mitgenommen haben. Eingepfarrt hierher sind Grossdehsa, Jauernick, Peschen, Eisenroda, Nechen, Breitendorf, Laucha, Unwürde, Carlsbrunn, die Hälfte von Wohla, Georgewitz, Wendisch-Paulsdorf, Wendisch-Kunnersdorf, halb Rosenhain, Zoblitz, Bellwitz, Oppeln, Kleinradmeritz, Glossen, Lautitz, Alt- und Neu-Cunnewitz, Mauschnitz und Hasenberg sammt einem neuen Anbau. Früher gehörten auch die sechs Ortschaften Nostiz, Trauschwitz, Grube, Krappe, Spittel und halb Wohla hierher, bis 1655 Joachim Ernst von Ziegler und Klipphausen auf Nostiz den Entschluss fasste, die Nostizer Capelle in eine Kirche umzuwandeln und die ihr zugehörigen sechs Ortschaften von Kittlitz zu trennen und hier einzupfarren. Die deshalb entstehenden Streitigkeiten wurden am 14. December 1660 im Oberamte zu Budissin unter dem Landvoigte Carl Reineck von Callenberg auf Musska zwischen dem Herrn von Ziegler und den Brüdern Sigismund und Wenzel von Gersdorf auf Kittlitz dahin beigelegt, dass Ersterer ein Aequivalent von 333 M. Gulden zahlte, welches unter dem Namen des Zieglerisch-Nostiz’schen Legats noch jetzt bei der Kirche zu Kittlitz existirt und dessen Zinsen Kirche und Geistlichkeit theilen.