Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen: Oberschöna
Dieses Dorf, in Urkunden auch Oberschönau genannt, liegt an der Chaussee zwischen Freiberg und Oederan, fast zwei Stunden von erstgenannter Stadt entfernt, circa elfhundert Fuss über dem Meere, und erstreckt sich fast eine halbe Stunde lang in der Richtung von Südost nach Nordwest. Das Dorf ist von dem Kirchbach, vom Volke Körrbach genannt, durchflossen, der an der Grenze des Amtes Augustusburg entspringt und nahe bei Oberschöna die grosse Striegiss in sich aufnimmt. Die Häuser des Ortes bestehen aus dreiundachtzig Feuerstätten, nämlich neunundzwanzig Bauergütern, zweiunddreissig Gärtnergrundstücken, dreissig Häuslerwohnungen und einigen Zechenhäusern und sind in einem ziemlich breiten Thale erbaut, dessen östliche Höhen nahe am Bache ziemlich steil ansteigen, im Westen dagegen sich sanft abdachen. Die Einwohnerschaft, welche aus mehr als siebenhundert Personen besteht, nährt sich hauptsächlich von Feldbau und Viehzucht, doch befinden sich darunter auch mehrere Bergleute. Südöstlich von Oberschöna erreicht das Gebirge, welches von Kleinschirma, als von Norden her, sanft ansteigt, seine bedeutendste Höhe und senkt sich dann steil nach dem Michelzer Grunde hin, wo sich vorzüglich der Spitzberg durch einige Felsen auszeichnet, die aus ganz reinem, weissem Quarz bestehen, der hier zu Tage ausgeht, und gleich dem bekannten Quarz auf dem weissen Flinz am schlesischen Riesengebirge sich ganz vortrefflich zur Erzeugung von Glas eignen würde. In früheren Zeiten war hier, namentlich nach Osten hin, ein sehr ergiebiger Silberbergbau, und besonders ausgezeichnet durch reiche Ausbeute erscheint die Zeche „unverhoffter Segen Gottes Erbstolln“ indem dieselbe sich binnen drei Vierteljahren völlig verbaute, so dass nicht nur die Verlagskosten sondern auch ein bedeutender Gewinn erzielt wurden. Minerophilus, ein pseudonymer Schriftsteller des vorigen Jahrhunderts, schreibt: „es sei vor einigen Jahren ein bergmännisch Geschrei gewesen auf dem Dorfe zu Oberschöna, wobei es geschehen, dass in etlichen Quartalen über dreissig Zechen gemuthet und gebaut worden und des Schärfens kein Ende gewesen“. Auf einer dieser Gruben, Augustus genannt, fuhr im Jahre 1717 der Czaar Peter der Grosse an, arbeitete darin mit eigener Hand und nahm das gewonnene Silbererz mit sich nach Petersburg. – Die schon erwähnte Grube „unverhoffter Segen Gottes Erbstolln“ war im Jahre 1801 wieder aufgenommen und der Kux gab einen Thaler funfzehn Groschen Zubusse. Noch jetzt zeugen eine Menge alter Halden von dem vormaligen eifrigen Betriebe des hiesigen Bergbaues. Erwähnenswerth ist der Gasthof zu Oberschöna, wo das Frachtfuhrwerk, welches nach Freiberg, Oederan oder auch abwärts der Chaussee nach dem drei Stunden entfernten Frankenberg geht, Vorgespann zu nehmen pflegt, weshalb der Wirth eine Anzahl Pferde hält die ihm guten Nutzen bringen. In der Nähe dieses Gasthofs endete im Jahre 1816 unter den Händen eines Mörders ein nach der Heimath wandernder Frankenberger Bürger, welches traurige Ereigniss auf der Unglücksstätte durch einen Stein, mit dem Namen und Todestage des Ermordeten, bezeichnet ist. Bemerkenswerth ist ferner die unbegreifliche Caprice, mit welcher man die Chausse zwischen Freiberg und Oederan in einer weitgedehnten Krümmung anlegte, deren westlich gebildeten stumpfen Winkel ein fast drei Viertelstunden langer Fussweg verkürzt und interessant dabei der Umstand, dass auch der Kaiser Napoleon, als er im Jahre 1812 mit der Kaiserin Marie Louise von Zwickau nach Dresden reiste, sich tadelnd über diesen Strassenbau aussprach, der durch einen Neubau leicht hätte abgeändert werden können.
[58] Stattlich hervor aus dem Thale ragen die Gebäude des Rittergutes Oberschöna, dessen Schloss aus drei Etagen besteht, elf Fenster Breite zeigt eine Schieferbedachung trägt, und von äusserst angenehmen Gartenanlagen umgeben ist. Als im Jahre 1632 die Kaiserlichen dem Dorfe Oberschöna einen Besuch abstatteten, wurde das alte Schloss von ihnen niedergebrannt, und erhob sich erst nach einigen Jahren wieder aus der Asche. Das Rittergut ist nicht unbedeutend, enthält schöne Waldungen, eine vorzügliche Schäferei und eine weitbekannte Brauerei, in der das „Oberschönaer Doppelbier“ gebraut wird, welches Jahre lang von der Allerhöchsten Familie getrunken und zu den besten Lagerbieren des Landes gezählt wurde. Zu dem Gerichtsbezirke des Rittergutes gehörten vormals die Dörfer Kirchbach und Oberreichenbach.
Das Rittergut Oberschöna war in frühester Zeit Eigenthum der alten Familie von Schönberg, die durch Bergbau zu grossem Reichthume gelangte und im Meissnerlande und Erzgebirge bedeutende Güter besass. Im Jahre 1399 wird Dietrich von Schönberg als Herr auf Sachsenburg und Oberschöna genannt, und 1488 gehörten diese Güter nebst Neusorge und Börnichen dem geheimen Rathe Caspar von Schönberg, welcher sammt seiner Gemahlin, Barbara von Maltitz, auf einem in der Capelle zu Sachsenburg eingemauerten Denksteine genannt ist. Sein Sohn war Hans von Schönberg, der um das Jahr 1559 starb und Oberschöna Moritz von Schönberg vererbte, welcher 1612 als Herr auf Börnichen, Auerswalde, Wingendorf und Oberschöna mit Tode abging. Der nächste Besitzer Oberschönas war Nikolaus von Schönberg, der die schweren Leiden des dreissigjährigen Krieges zu ertragen hatte. Er war Oberkreissteuereinnehmer und Amtshauptmann und schenkte 1657 der hiesigen Kirche ein Legat von 1500 Gülden, mit der Bedingung, dass an seinem jedesmaligen Namenstage die Zinsen dieses Capitals an Schulkinder und arme Leute vertheilt werden sollten. Sein Bild befindet sich in der Kirche. – Nach des Amtshauptmanns von Schönberg Tode gelangte Oberschöna in Besitz des Geheimrathes Adam Friedrich von Schönberg, welcher 1707 starb und acht Rittergüter hinterliess. Ihm folgte Johann Tham von Schönberg, gestorben 1748. Der letzte Herr auf Oberschöna aus dem Geschlecht der Schönberge war der Berghauptmann Curt Alexander von Schönberg, welcher 1761 zur letzten Ruhe einging, worauf das Gut bis 1771 an den Amtshauptmann von Gersdorf auf Mittelsayda und von diesem an die Familie von Carlowitz gelangte. Grosse Verdienste um die Schulverhältnisse des Erzgebirges und Oberschönas insbesondere erwarb sich der Domherr von Carlowitz. Nach ihm wurde das Gut Eigenthum des königlich Sächsischen Cultus-Ministers Hans Georg von Carlowitz, dessen Gemahlin, Jeanette Caroline geborene von Schönberg aus dem Hause Pfaffroda, am 5. Juni 1826 zu Dresden starb und auf hiesigem Friedhofe ihre Schlummerstätte fand. Das Bild dieser edlen wohlthätigen Dame wird in der Kirche aufbewahrt. – Der jetzige Besitzer von Oberschöna ist Herr Kammerherr E. M. von Carlowitz.
Es wurde bereits erwähnt, dass der dreissigjährige Krieg traurige Tage über Oberschöna gebracht habe, und namentlich geschah dies im Jahre 1632, wo eines Sonntags in der Frühe ein Croatenschwarm in das unglückliche Dorf einbrach. Die bestürzten Einwohner, welche grösstentheils in der Kirche waren, stürzten auf den Ruf: „die Croaten kommen!“ voller Entsetzen ins Freie, während die wilden Gäste bereits in die Wohnungen eindrangen und mit aller Brutalität der Soldaten damaliger Zeit zu wirthschaften begannen. Langsam erhoben sich dunkle Rauchwolken, denen bald die hellen Flammen folgten. Das Schloss mit seinen Nebengebäuden, die Kirche, das Pfarrhaus, die Schule und einige Wohnhäuser gingen in Feuer auf. Während die Freibeuter die Leute misshandelten und ihre beste Habe plünderten, hatte nebst mehreren Mitgliedern seiner Gemeinde auch der Oberschönaer Pfarrer Johann Petzold die Flucht ergriffen, wurde aber vor dem Dorfe von einigen verfolgenden Croaten eingeholt, von denen einer nach dem wehrlosen Pfarrherrn eine Feuerwaffe abschoss, deren Kugel dem Unglücklichen die Kinnlade zerschmetterte und in dem Muskeln des Halses stecken blieb. Ein alter schlachtenergrauter Croat aber war über seines Kameraden Grausamkeit dergestalt entrüstet, dass er diesen sofort niederstach und den schwerverwundeten Prediger freundlich ermunterte, seine Flucht fortzusetzen ehe andere Unmenschen seines Corps herbeikämen. Petzold wankte, mit Blut überströmt, davon, und kam glücklich nach Freiberg, wohin schon vorher sein Weib mit den Kindern in Sicherheit gebracht worden war, und hier hatte er eine dreissigwöchentliche, schmerzliche Kur abzuwarten, nach deren Beendigung der Genesene in der Domkirche eine fröhliche Dankpredigt hielt. – Ein zweites Unglück traf Oberschöna 1681 wo wiederum ein Brand stattfand der auch die neue Kirche in Asche legte, ein Schicksal, welches dieselbe auch 1761 heimsuchte. Als man 1755 in dem herrschaftlichen Erbbegräbnisse eine neue Gruft auswerfen wollte stiessen die Arbeiter auf ein altes Grab in welchem ein zwar verwitterter aber doch noch kenntlicher männlicher Körper lag. Um den Hals desselben hing eine Kette und an deren Ende eine kleine Goldmünze mit der Inschrift: „die güldene Gesellschaft 1589“. Bekanntlich stiftete Churfürst Christian I. einen „Orden aufrichtiger Vertraulichkeit“ unter dem Namen „die güldene Gesellschaft“, dessen Insignien er nur an fürstliche und sehr bevorzugte Personen verlieh und selbst mit in das Grab nahm. Das Mitglied der güldenen Gesellschaft, dessen Ueberreste man in Oberschöna fand, war ohne Zweifel Moritz von Schönberg. – Die Kirche zu Oberschöna stand vor der Reformation unter der Dompropstei Meissen und deren Sedes Freiberg. Eingepfarrt hierher ist das nahe Dorf Linda; Filial ist Wegefarth. Die Collatur über Kirche und Schule zu Oberschöna steht dem Rittergutsbesitzer zu.