Romanzen vom Rosenkranz/Romanze IX: Apo und Moles auf dem Turme
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Apo und Moles auf dem Turme
In des Turmes höchster Kuppel,
Unter seinem Fuß die Glocke,
Sitzt Apone, und die Uhren
Rasseln unter ihm im Boden.
Gegenüber einem Loche,
Sieht die weite Stadt er ruhen
Abgetürmt am Horizonte.
Doch des Meisters Blicke suchen
Bis sie auf der hohen Kuppel
Des Theaters fest geworden.
Also mit den Augen wurzelnd
Sieht er ziehn die wilden Wolken,
Aus des Himmels tiefer Woge.
Und er spricht mit finsterm Munde:
„Venus, du bist mir gewogen,
Du hast mich zu guter Stunde
Alle kenn ich euch, ihr Kunden,
Die, man sagt, den Herren loben,
Doch der Herr sitzt manchmal unten
Und die Diener stehen oben!
Ich hab mich mit euch verwoben,
Und ich kenne eure Stunden,
Lasse euch nicht warten droben.
Auf der Erde gehn die Dummen,
Doch ich kenne eure Summen,
Ja, ich weiß auch, was ihr sollet!
Halb nur sind die Kreaturen,
Denen Gott die Stirn erhoben
Nicht erkennen, die da droben.
Als der große Geist des Grundes
Wollte überm Lichte wohnen,
Überschlug er sich im Sturze,
Und das Leichte muß sich suchen,
Daraus ward das Licht geboren;
Schweres Dunkel war nun unten,
Leichtes Licht, das schwebte oben.
Von dem Leichten, und es rollet,
Bis geboren war das Runde,
Das unendlich ist geformet.
Da das Licht dazu gedrungen,
Hat mit seiner bösen Zunge
Schnell das Wasser hergelocket.
Und aus dieses Kampfes Schwunge
Ward der Raum zur luftgen Woge,
Wird der andre angestoßen.
Und dem Kampfe ist entsprungen,
Was hienieden irdisch wohnet,
Was da droben himmlisch rundet,
Der gespalten, was verbunden,
Ist der Geist zum Fleisch geworden,
Aber Fleisch war eine Zunge,
Und die Zunge ward zum Worte.
Suchet seinen Gott im Hohen,
Der doch ist im Mittelpunkte
Und ihn reißet zu dem Boden.
Doch ich habe ihn gefunden:
Der gestört die tote Ruhe,
Ihm ist diese Welt entsprossen.
Er trägt mich mit festem Grunde,
Er hat mich aus Staub geboren,
Ziehn mich neidisch auf im Zorne.
Adam aus dem Erdengrunde
Ward als Geisel ausgeboren,
Und das Licht gab einen Funken
Erde, feste Burg gerundet,
Schwebest in des Lichtes Wogen
Sicher, wie kein Schiff in Fluten,
Wie kein Kind im Mutterschoße.
Selbst des Lichts unehl’che Tochter,
Die Philosophia schlummert
Nie, und hält das Richt’ge oben.
Und Astronomia suchet
Und dem Kompaß; alle Stunden
Geht die Welt nach ihren Polen.
Medizina heilt die Wunden
Mutig ringend mit dem Tode,
Flügel und des Windes Rosse.
O Magia, du des Dunkels
Schwarze, lichtentsprungne Tochter,
Du allein genügst zum Schutze,
Doch zum frechen Überflusse
Hat der Erdgeist auch geboren
Flaggen jeglicher Naturen,
Die allfarbgen Religionen.
Und nicht trauet dem Piloten,
Wird die Flagge aufgewunden,
Und Begeistrung strahlt die Sonne.
Plagt die Krankheit und der Hunger,
Da souffliert der Erdgeist dunkel,
Und sie beten, die Kujonen!
Also schwebt die Erde munter
Um des dunklen Geistes Pole;
Und er schämt sich, sie zu holen.
Doch das Licht und auch das Dunkel
Haben beide sich belogen,
Und die Lüge war das Wunder,
Denn der Mann aus irdschem Grunde
War vom Erdgeist nur geformet,
Daß das Licht, in ihm gebunden,
Sei gefesselt an den Boden.
Ward der Mann, der Erdgeborne,
Daß der Erdgeist sei gezwungen
In dem Manne hin nach oben.
So im wechselnden Betruge
Und er herrscht im Mittelpunkte
Des unendlich ewgen Zornes.
Da das Licht den Schlaf erfunden,
Ward dem Mann das Weib geboren,
Führt der Erdgeist uns zum Tode.
Nach uns greift das Licht hinunter,
Ziehet mächtig uns nach oben,
Die Metalle schwer und dunkel
Beiden Welten so verbunden
Wehet betend auf der Odem,
Wer erkennen will, was unten,
Stiehlt das hohe Licht von oben.
Und um Weisheit fleht von oben,
Sprach das Wort: Du sollst gesunden,
Wenn du mir das Fleisch willst opfern!
Wenn das Böse du verblutet,
Wenn du wandelst in dem Guten,
Magst du schauen in die Sonne.
Fasten sollte ich und hungern
Und entbehren alle Wonnen,
Um im Lichte aufzusprossen.
Mit dem Licht stieg ich hinunter,
Und der Erdgeist, leicht gewonnen,
Gab zu trinken mir das Dunkel,
Und in diesem Licht betrunken
Ist mir die Erkenntnis worden,
Ich hab meinen Geist gefunden
Und verstehe seine Worte.
Die Metalle unten wohnen,
Wie die Sonnen gehen unter,
Wie herauf sich ziehn die Monde,
Fühl ich all in meinen Pulsen,
Wo die goldnen Schätze wurzeln,
Wo die Quellen gehn verborgen.
Eva, Eva! schlaue Mutter,
Hast den Apfel du gekostet,
Hast du uns den Tod geboren,
Hast das Böse und das Gute
Du erkennet, soll verloren
Mir nicht sein die teure Kunde,
Bin der Erde ich verbunden,
Bin ich an den Tod verloren
Um ein Schnitzchen sauren Obstes,
Dreht um mich sich doch die Sonne!
In dem dunkeln Erdenschoße,
Bis ich aller Sinnen Brunnen
Überfüllend ausgesogen!“ –
Also sprach Apone murmelnd
Seines Wunderspiegels Runde,
Daß er trüb war und umfloret.
Und der rote Mond steigt blutend
Über Wolken auf im Osten;
Heult der schwarze Hund Apones.
Und der Meister wischt mit Fluchen
Von dem Spiegel seinen Odem:
„Will denn des Theaters Kuppel
Er nimmt einen Schwefelkuchen
Und ein Glas voll goldnem Korne,
Und den Schwanz von einem Fuchse
Aus dem Kasten an dem Boden.
Stehet auf des Turmes Knopfe,
Nimmt er, greifend durch die Luke,
Setzt ihn zu dem goldnen Korne.
Peitschet dann den Schwefelkuchen
Und es springen helle Funken
In das Glas zum goldnen Korne.
„Simson,“ spricht er, „deine Wunder
Hab ich kürzer mir geordnet;
Der Philister Korn auflodern!
Ja, Geselle, werde munter!“
Spricht zum Hahne dann Apone,
„Beug den Schnabel zu dem Futter,
Der du in den Blitzen fußest,
Der du krähest in dem Donner,
Der du in der Sonne funkelst
Und die Flügel schlägst im Monde,
Du bestehst auf deinem Kopfe?
Wart, ich will dich lehren schlucken,
Daß dich Feuer reißt im Kropfe!“
Und er schlägt den Hahn mit Ruten,
Hetzet ihn mit seinem Hunde,
Und nun neigt er mit dem Kopfe,
Schluckt das Feuerkorn mit Hunger,
Das ihn brennt wie glühe Kohlen,
Und die roten Augen rollen.
Seine Sichel sprühet Funken,
Sein Metallgefieder lodert,
Plötzlich beide Flügel zucken
Und er greift ganz ungeduldig
Nach dem schwarzen Feuerhorne,
Setzt es an am dunklen Munde,
Lenkt hinaus es zu dem Loche.
In das weite Maul des Hornes,
Der wie eine Feuerzunge
Durch die Luft stürzt aus dem Horne.
Apo läßt die Feuerrufe
Und auf des Theaters Kuppel
Fliegt der Hahn, die hell auflodert.
Feuer! Feuer! schreit man unten,
Und die Hörner schreien oben,
Tief das Rasseln wilder Trommeln.
Aus des blauen Reno Ufern
Eilen bald die gütgen Wogen,
Hilfreich zu der Flammenkuppel
Hundert Eimer um die Brunnen
Kommend, gehend, Wasser fordernd;
Der Metallsirenen Busen
Schimmert in der Fackeln Lohe.
Und die blasenden Tritonen
Gießen aus die vollen Muscheln
In die Urnen rings erhoben.
In dem Widerscheine funkelnd
Blankgestahlte Reuter Runde,
Jeder steht an seinem Orte.
Aus der fernen Klöster Dunkel
Tragen schon die frommen Orden,
Wasser zu in Prozessionen.
Niederstürzend aus den Stuben
Sammeln schnell sich die Legionen
Der Studenten, und sie rufen:
Auf den festen Sammelpunkten
Ordnen sich die Nationen,
Und es schallen, sie berufend,
Rings die Stimmen der Senioren.
Bald die munteren Franzosen,
Und die Hebel auf und unter
Hört man kreischend, jammernd toben.
Und die langgehosten Ungern
Durch die weite Stadt umtummelnd,
Wache haltend nach dem Tore.
Bei dem schiefen Eselsturme
Sammeln sich mailändsche Chore,
Den Palästen ihrer Nobels.
Bei der Kirche Sankt Proculens
Stellet sich der Römer Horde
Auf zum Schutz der hohen Schule
Sankt Januari Blut anrufend
Füllen ihre Wasserrohre
Zu der Büchersäle Schutze
Neapolitansche Chore.
Mit den Ellenbogen stoßend,
Schleppen auf den breiten Schultern
Feuerleitern, Haken, Kloben.
Bald mit Macht hinangeschwungen
Nun die sichern Leitern ruhen,
Allen Fliehenden zum Troste.
Viele retten sich im Sprunge;
Andre, an den Feuerkloben
Kommen nieder in dem Bogen.
Denn zum wilden Rettungssturme
Sind zu eng des Hauses Tore,
Und auf ewig wird verschlungen
In dem Brausen des Tumultes
Bricht des Kerkers Tor Meliore,
Eilet zu Biondettens Brunnen,
Einen Eimer voll zu holen.
Hat den Eimer voll schon oben,
Spricht: „Geh hin und hilf, du Guter,
Traue auf die Allmacht Gottes!“
Bei der Kirche Sankt Proculens,
Steht Meliore, heftig rufend:
„Komme, alter Guido, komme!
Werft die Äxte mir herunter:
Ich und du und deine Tochter
Denn die Hilfe kömmt von oben!“
Und zum Feuer hingedrungen
Mit dem Meister und der Tochter,
Sieht aus einem Fenster, rufend:
Jacopone, der sein Bruder,
Hält die Gattin hoch erhoben,
Und um sie im Hintergrunde
Schon die roten Flammen lodern.
Weihe dich der Mutter Gottes,
Sie tut heut noch manches Wunder,
Hält in ihrer Hut die Frommen!“
Rosarosa springt im Fluge,
Neben sie stürzt auch im Sprunge
Jacopone an den Boden.
Als Meliore sie umschlungen,
Schrie sie laut: „Gott sei gelobet!“
Stürzen von ihr aller Orten.
Und vier deutsche brave Bursche,
Einen Mantel breit aufrollend,
Tragen heim sie auf dem Tuche,
Aber mit dem Wasserkruge
Dringet aufwärts nun Meliore
Auf der Jakobsleiter Stufen
Mit dem Maler und der Tochter.
Sie sind göttliche Genossen;
Hoch zu des Theaters Kuppel
Steigen sie die lichten Sprossen.
Und nun hauet ohne Ruhe
Eine Öffnung in die Kuppel,
Seinen Krug leert Meliore.
Segen ist in seinem Kruge;
Wie er gießt in stetem Strome,
Guido kniet und seine Tochter.
Und die Hände fest verschlungen
Beten sie, den Herren lobend.
Aber in des Hauses Runde
Eine Stimme hört er rufen;
Wo sie rufet, wird er folgen,
Rief sie aus der Hölle Schlunde,
Rief sie von des Himmels Throne.
Ist die wilde Feuerlohe
Bald in seiner Flut ertrunken,
Und die Not ist rings erloschen.
Niedersenket sich die Ruhe.
Rinnen auch des Volkes Fluten
Ab zum Bette ihres Stromes.
Ruhig schaut von seinem Turme
In den Jammer hin Apone;
Fühlt er froh sein Herz erhoben.
Aber als er auf der Kuppel
Sah den Maler und die Tochter,
Grüßt er sie mit bösem Fluche
Denn aus einem armen Kruge
Löschet er die wilde Lohe,
Und so viele schwere Stunden
Hat ihn selbst sein Hahn gekostet.
Laut der Hahn, der zu dem Knopfe
Wiederkehrte, und im Turme
Tönt herauf die Pfortenglocke.
Apo öffnet mit dem Zuge,
Wie er auf den Wendelstufen
Hell sich aufdreht hin nach oben.
Dumpfer schallte es von unten –
Es war schier, als sei er doppelt –
Als trüg man die Last nach oben.
Weiter oft der Tritt verstummet,
Denn der Träger holet Odem,
Endlich auf den letzten Stufen,
Apo blicket durch die Stube,
Ob auch alles sei geordnet,
Jagt den Hund vom roten Stuhle,
Den er vor den Spiegel rollet.
Belladonna, Hundsviolen,
Frauenschuh und Eisenhute,
Kränzet er des Stuhles Stollen.
Zeichnet dann mit einer Rute
Seinem Gast zum bösen Gruße
Schnell ein magisches Willkommen.
Aber mitten in der Stube
Brennt an einem Totenkopfe,
Eine zauberische Lohe.
Eine süße Laube duftend,
Von des Mondes Strahl durchflochten,
Scheint des Turmes rußge Stube,
Und die Flamme scheint ein Brunnen,
Funkelnd in des Mondes Wonne,
Wundersüße Träume murmelnd
Durch den Duft wollüstger Rosen.
Tritt der Famulus Apones,
Moles, seufzend ob dem Buche,
Das er anschleppt auf dem Kopfe.
„Du allein! Elender Bube!“
„Prahler! ist dir nicht gelungen,
Was du frech mir zugeschworen?
Wo ist sie, die heilge Jungfer?
Hat ein andrer sie gewonnen?“ –
Spricht und lacht der schlaue Moles.
„Du sitzt hier im Mondschein munkelnd
Bei wollüstger Brunnen Wonne,
Eine andere Laube funkelnd
Trug ich gleich die süße Jungfer,
Sprach sie doch unselge Worte;
Ihr half eine andre Jungfer,
Der ich nicht bin mächtig worden.
Auf mich ein der Meliore,
Und des Feuers wilde Zungen
Leckten mich bis auf den Knochen.
Aber dummer als das Dummste
Den ein Mönch – im Höllenpfuhle
Durst er – auf mich ausgegossen.
Meister, Meister, trotz der Gluten,
Trotz dem scharfen Weihebronnen
Bis Biondette uns geworden!
Ach, wer dieses Leibes Wunder
Einmal trug in seinen Pfoten,
Wer den Druck des süßen Busens
Disteln sind mir alle Blumen,
Seit mir nah des Mundes Rose;
Der Kometen Haar gleicht Ruten
Vor der Goldflut ihrer Locken.
Aus der Leda Ei geboren,
Duftig wie des Schwanes Busen,
Da er taumelte in Wonne.
Unter ihrer Brauen Runde
Wie in Wolkenbetten schlummern
Liebestrunkne Nebelsonnen.
Und der Flammen durstge Zungen
Konnten nicht die Luft austrocknen,
Mir ein süßer Quell ergossen.
Welche Hölle kann verdunkeln
Dieses Himmels Wollustsonne?
Ja, die Sünde hat Minuten,
„Schweige, du berauschter Bube!“
Spricht Apone nun im Zorne –
„Soll mich in der Zauberbude
Trösten dein verdorbner Odem?
Wardst du toll in deinem Kopfe;
Bringst du mir vielleicht vom Juden
Dieses Buch zum schlechten Troste?“ –
„Meister, Meister, wollt nicht fluchen,
Und von aller Schönheit Wunder
Wird dies Buch nicht aufgewogen!
Bringe mir Biondetten ruhend
In dem Schoße süßer Moose,
Wie das Lied des Salomone –
Nicht kauf ich sie mit dem Buche!
Vor ihm seien die Kleinode,
Die in Licht und Dunkel ruhen,
Ein Geschenk mit diesem Buche
Mach ich dir, wenn du gelobest,
Mir zu stellen diese Stunde,
Ja jetzt gleich, die Horoskope.
Die drum einen Mönch ermordet.
Der es in dem Sarg gefunden
Eines zauberischen Mohren,
Der von einem alten Juden
Wahren Leibs und wahren Blutes,
Die er vom Altar gestohlen.
Und der Jude, einen Hunnen
Hat er um das Buch betrogen,
Von Cracovia es erobert.
Und der Arzt kam zu dem Buche
Durch die Erbschaft eines Kopten,
Dessen Stamm durch manch Jahrhundert
Doch daß über Adams Schulter
Einstens an dem dritten Morgen
Es ein Engel abschrieb munter,
Stehet auf dem letzten Bogen.“ –
„Wisse, wann des Himmels Sonne
Und die Sterne gehn zur Schule,
Ist dies Büchlein in der Mode.
Da der Herr die Welt erfunden,
Alles war sehr kurz gebunden,
Auf die lange Bank geschoben.
Des Vokals belebend Wunder,
Ehgeheimnis der Diphthonge,
Lernt er draus zu Worten kochen.
In dem A den Schall zu suchen,
In dem E der Rede Wonne,
In dem I der Stimme Wurzel,
In dem U des Mutes Fluchen,
Hat er aus dem Buch geholet,
Als im H des Hauches Wunder
Gottes Geist in ihm gegossen.
Und der Herr Gott wir dich loben
Findst du drin in grobem Drucke,
Wie es beten Mond und Sonne.
Und manch Rätsel von der Tugend
Die Auflösung stehet unten
In verkehrt gedruckten Noten.
Fabeln mischen sich mit drunter,
Wie die Tiere sich besprochen,
Da die Eva kam in Wochen,
Da sie trug ein groß Gelüsten
Nach ausländschem Himmelsobste,
Wie die Schlange sie entbunden,
Unterhaltung und auch Nutzen
Sind verbunden hier gar vornehm,
Denn du findest angebunden
Kunstrezepten aller Sorten:
Surrogate für die Toten,
Restaurantia für die Tugend,
Manch Rezept zu Religionen.
Freier Wille ist des Buches
Gottes Wille heißt’s im Grunde,
Seit die Freiheit ging verloren.
Und Notwendigkeit am Schlusse
Heißt es auch mit anderen Worten,
Und das Wenden wird verboten.
Gott sprach zu den Menschen: Surge,
Eheu, eheu Christofore,
Nam ad scholam tempus nunc est!
Und vom Himmel kam herunter
Diese A-B-C-Methode,
Und die neugeschaffne Jugend
Ist daraus zum Doktor worden.
Nötig sind die Rotationen,
Und fatal ist das Versuchen,
Seit das Weib den Tod geboren.
Und du lernst aus diesem Buche,
Daß lebendig bleibt die Mutter
Und das Kind auch sei gewonnen!
Denn wie alle ihre Wunder
In den ersten Schriftleinsbogen
So ging’s hier auch den Autoren.
Und weil Adam bei dem Buche
Sich den Kopf zu sehr gebrochen,
Fragte Eva, Rat sich suchend,
Was im Stile oben dunkel,
Hellen auf die untern Noten;
Über oben, über unten
Schrieb am Rand ein Geist die Glosse.
Spricht zu Moles nun Apone,
„Ich weiß nicht, ob du den Dummen
Spielest oder ob du spottest!
Hatt ich das in dir gesuchet?
Oder bist du ein Verruchter,
Der mich höhnisch denkt zu foppen?
Hat ein Arzt dies Buch beim Sturme
Von Krakovia verloren,
Rede, sage es unverhohlen?“ –
„Amber, ja, so steht im Buche,
Und er war ein Äthiope.“ –
„Hei! so ist ein Schatz gefunden!“
„Gib es her!“ – „Nein!“ spricht der Bube,
„Stelle mir die Horoskope,
Jetzt, sogleich, in fünf Minuten,
Und dir geb ich’s, wie gelobet!“
„Wann bist du geboren, Moles,
Sag das Jahr, den Tag, die Stunde,
Und ich stell die Horoskope.“ –
„Meister, meine letzte Mutter
In dem Jahre Siebenhundert,
Am Geburtstag des Herodes,
In der lustgen roten Stunde,
Da die Kindlein man gemordet.
Angemerkt mit kurzen Worten.“
Apo merkt sich diese Punkte,
Hat der Kreise viel gezogen
Und geschrieben viele Nummern
Und hierauf die ganzen Summen
Von den halben abgezogen,
Dann sich ernstlich drob verwundert,
Als er fand die Horoskope.
Sprach er, „hüte dich vor Rosen!
Du bist heut in diesen Stunden
Von Gefahren schwer bedrohet!
Hüte dich, denn ob dir runden
Einge Stellen bleiben dunkel,
Die vom Feuer und vom Tode.
Denn dein Schicksal ist verbunden
Mit unzähligen Legionen,
Um Betrug wirst du betrogen
Und wirst sein von großem Nutzen
Einem hohen Philosophen,
Und dies ist schon mit dem Funde
Aber dunkler wird’s und dunkler,
Denn ich sehe die drei Rosen,
Die zu einem starken Bunde
Gegen dich sich fest verschworen.
Wo die Kinder drinnen wohnen,
Denn du teilest diese Punkte
Mit dem Tage des Herodes.
Und in manchen Konjunkturen
Mit den deinigen verbunden,
Denn mir drohen auch die Rosen.
Durch dich, was mich gar sehr wundert,
Wird entstehen einst ein Kloster,
Wächst im Garten dieses Klosters.
Einem ungeheuern Sturze
Bist du auch noch unterworfen;
Jetzt wird’s klarer: Deine Stunde
Und nun greift er nach dem Buche.
„Nimm es hin!“ sprach lachend Moles,
„Du weissagst mir wenig Gutes,
Mein Geschick ist nicht zu loben.“
Schallet heftig nun die Glocke,
Und da Apo schaut hinunter,
Sieht er seiner Schüler Horde.
„Was nur mag zu dieser Stunde
Und er öffnet mit dem Zuge
Schnell des Turmes kleine Pforte,
Löschet in der grünen Urne
Schnell das Licht des Totenkopfes,
Einem alten dunkeln Boden.
Da die Schüler auf den Stufen
Seiner Türe näher kommen,
Spricht: „O Meister, laß mich suchen
„Weil in diesen bösen Stunden,
Wie du sprachst, Gefahr mir drohet;
Daß die Schüler dich besuchen,
Macht mich ängstlich und betroffen.“
Bist du gänzlich wohl verborgen;
Ich verhäng dich mit dem Tuche,
Das ihn rings bedeckt zum Boden.“
Und es öffnet sich die Stube.
Und in eine halbe Runde
Sich die Schüler um ihn ordnen.
Einer tritt dann mit der Urne
Vor ihn, spricht: „O Herr, des Moles
Er starb eines seltnen Todes.
Ja, sein Tod war recht ein Wunder,
Denn die Sängrin retten wollend,
Stürzten zu ihm alle Gluten,
Und wie auch des Wasser Fluten
Rings wir auf ihn niedergossen,
Brannt er bis zum letzten Funken,
Und es blieb auch nicht ein Knochen!
Zu ihm sprengte ein’ge Tropfen,
Ward er Asche; in der Urne
Haben wir sie aufgehoben.
Herr verzeih, daß wir zur Stunde
Denn wir kommen hoch verwundert
Zu dir, und entsetzt, erschrocken!“
Apo höret ihre Kunde,
Und ihm stocket fast der Odem;
Schüler, hat sie nicht gelogen?“
Alle sprechen in der Runde:
„Meister, es ist nicht gelogen,
Denn es sah’s die ganze Schule,
Und es schrieen alle: Wunder!
Die gelöschet in der Oper,
Da sie unsern teuern Bruder
Sahn zu Asche niederlodern!“ –
Sprach Apone tief erschrocken,
„Daß ich Ehre an ihm tue,
Denn ich war ihm stets gewogen.
Längst wußt ich, daß dieser Stunden
Seht: hier mit dem schwarzen Ruße
Stellt ich seine Horoskope.
Er war eine der Naturen,
Die im Zentrum aller Sonnen
Das sich in sich selbst vertrocknet.
Seine Asche untersuchen
Wollen wir am nächsten Morgen,
Daß er uns belehrend, nutze,
Da enthüllten von dem Tuche
Sie die Urne; eine Wolke
Schoß heraus, ganz dick und dunkel,
Die rings durch die Stube rollte.
Daß der Schüler stürzt zu Boden,
Und die Treppentüre suchend
Alle übernander stoßen.
Wunderliche Zerrfiguren
Flog dann summend, eine Hummel,
In den schwarzen Bart Apones.
Da er sie zu jagen suchte,
Wuchs sie, ihm zu großem Zorne,
Und flocht sich zu einem Zopfe.
Apo fängt nun an zu fluchen,
Und ein hohles Lachen kollert
Um ihn her. Nichts mehr zu suchen
Und die Treppe schier kopfunter
Schossen sie hinab von oben,
Ihre Seelen auch mitunter
Diesem, jenem angelobend.
Daß sie seiner spotten wollten,
Und stürzt nach mit seiner Rute
Auf die armen jungen Toren,
Bis in seinem Bart verschlungen
Denn er stieß mit einem Fuße
Auf dem Weihbrunnkessel oben,
Der hellklingend auf den Stufen
Widerspringend niederrollet
Wie ein böser Donner folgte.
Hei! wie hat ein muntres Fluchen
Da der zornge Mann erhoben!
Aufwärts tappend nach der Stube
Da er eintrat in die Kuppel,
War der Bart dem Zug gefolget
Und fiel vor ihm in der Stube
Schwarz als Asche auf den Boden.
Aber statt des Schelmen Moles
Sieht er dort nur seinen Pudel
Sitzend auf den Hinterpfoten.
Dieser Anblick macht ihn stutzen,
Vor der Überraschung Wunder
War er innerlich erschrocken.
Er erkannte in dem Hunde
Und in seinem Schüler Moles,
Einen heimlichen Dämonen.
Und sprach nun mit kalter Ruhe:
„Bist du solchen Schrot und Kornes,
Soll dir alles auch zugute,
Greifet dann nach einem Buche
Und nach einer Glasesglocke,
Die bezeichnet mit Figuren
Und beschrieben rings mit Formeln.
Töne aus der Glocke lockt er,
Die dem wundersamen Pudel
Peinlich schallten in den Ohren.
Mit dem Winseln eines Hundes
„Laß mich nicht so schwer verschulden,
Daß ich scherzhaft bin geworden!“
Doch zu quälen ihn nicht ruhet
Apo mit dem Ton der Glocke,
Sich ihm hoch und tief verschworen.
„Sprich, in welcherlei Figuren
Soll ich künftig bei dir wohnen?“
Fragt er, „da ich in den Gluten
Apo sprach: „Du bleibst mein Pudel;
Aber soll ich deiner schonen,
So erklär die dunklen Punkte
Gleich jetzt deines Horoskopes.
Wer hat dich zuletzt geboren?
Wie steht es mit jenem Buche?
Was bedeut der Haß der Rosen?
Was hast du mit einem Brunnen,
Nun spricht aus dem Hundeknurren
Zu dem Herrn der schlaue Moles:
„Ich weiß nichts von jenem Brunnen
Und auch nichts von jenen Rosen,
Auch die Stiftung jenes Klosters.
Denn es gibt gar manche Wunder,
Die mir ewig sind verschlossen:
Aber ganz auf andre Spuren
Wenn Biondetten du errungen,[2]
Wenn getötet du Meliore,
Wenn ohn Abendmahls Genusse
Starb das Weib des Jacopone,
Starb der Fackelgießer Kosme,
Und wenn stürzt in schwere Schulden
Seine jungfräuliche Tochter,
Und in Raserei zugrunde
Pietro, der die schönen Blumen
Ziehet vor dem römschen Tore:
Dann magst du und ich in Ruhe
Ewig hausen vor den Rosen
Und vor jenem neuen Kloster!
Aber willst du meine Mutter
Kennen, lies die ersten Bogen
Des dir hochgepriesnen Buches
Also sprach der Geist. Zum Buche
Sitzt begierig nun Apone,
Ihm zu Füßen liegt der Pudel
Augenfunkelnd an dem Boden.
Sind ihm unbekannte Formen,
Und erzürnt der Meister fluchet,
Moles mit den Füßen stoßend.
„Was soll mir der welsche Plunder?
Als im Schnee die krausen Spuren
Hungrig scharrnder Hühnerpfoten!“
Zu ihm schwänzelnd spricht der Pudel:
„Meister, diesen Fall ich lobe.
Nun kannst du zu meiner kommen.
Ich will dir zur rechten Stunde
Bald ein paar Tinkturen kochen,
Und hast du davon getrunken,
Und dann geb ich dir in kurzem
Auch die rechte Lesmethode,
Wie von oben du nach unten,
Und von unten liest nach oben.
Trotz dem Werk der Philosophen:
Du magst lesen drüber, drunter,
Immer gleich bleibt dir geholfen.
Weil auf Schlüssen es beruhet,
Was nach oben, was nach unten
Ward verknüpfet, schnell entknoten.
Konsequenz allein ist Tugend,
Und das Ding verkehrt genommen,
Kann das Laster selbst uns frommen.
Hast du Kraft dazu gefunden,
Magst du immer unverhohlen
Schwimmen gen den Strom des Flusses,
So findst du der Freiheit Wurzel,
Dringst vom Abgrund du nach oben;
Allen Zwang hat überwunden,
Wer entwurzelt das Verbotne!“ –
Sprach beschämet nun Apone,
„Sage her des ersten Buches
Inhalt!“ – Und zu ihm spricht Moles:
„Du liest in dem ersten Buche,[3]
Or Haënsoph ohne Dunkel,
Ein unendlich Leuchten Gottes.
Wie dem Lichte ist entsprungen,
Sich rückziehend durch das Wollen,
Worin ward die Welt geboren.
Wie sich in des Rückzugs Spuren
Kreisend dann das Licht ergossen,
Mannigfach des Raumes Dunkel
Und wie, alles durchfiguret,
Adam Kadmon war geboren,
Aus sich selbsten ausnaturend
Die zehn Kräfte Sephirote.
Da lebendig ward das Wollen:
Asia, Briat, Aziluthe
Und Jezirah, Antlitz Gottes.
Aziluth der Gottesbrunnen,
Briat ist aus ihr entsprungen,
Ihre Geister sind geboren.
Die Jezirah ist durchdrungen
Von zehn hohen Engelchoren,
Sind sie alle schon personet.
Die Asia ist die untre,
Materialisch schon geformet,
Drin die bösen Geister wurzeln,
Sie ist aus dem Streit entsprungen,
Als das Ebenbildnis Gottes,
Adam Kadmon, zu bewundern
Gott die Engel aufgefordert.
Und hat da im ersten Stolze
Adam Kadmon ausgerufen,
Nicht als Bild, nein als den Gott selbst.
Denn als Gott sich ausfiguret
Wollte Luzifer naturet,
Über ihm als Herr nun thronen.
Aber aus dem Licht ins Dunkel
Ward er da hinabgestoßen;
So ward untre Welt geformet.
Die nun materialisch rundet
Als die Erde, Mond und Sonne,
Aber doch in ihrem Schwunge
Und so sind in Gott entsprungen,
Aber doch in ihrem Wollen
Widerstreitend scharf zwei Punkte:
Ewges Licht und ewges Dunkel.
Wo die starken Geister wohnen,
Der wird stark in ihrem Bunde;
Jeder ist dem Geist willkommen.
Selig aber sind die Dummen,
Wissen nicht das was sie tuen;
Hast du Lust dazu, Apone?
Geißle blutig dir den Buckel,
Schlafe auf dem harten Boden,
Gehe stolz einher im Spotte!
Und vor allem sei ein Kluger,
Wählst du in den Religionen
Unter Heiden, Christen, Juden,
Oder willst du im Abgrunde
Mit dem hohen Geiste wohnen?
Willst du leuchten in dem Dunkel
Vor den andern Philosophen?
Plätschre in des Lebens Wogen,
Daß dich heben Wollustfluten
Übers Tor des ewgen Todes!
Denn das ist das hohe Wunder
Daß wir nimmer gehen unter,
Weil wir streben nur nach oben!
Wir allein sind fest gefußet,
Sind es durch Erkenntnis worden
Stürzen können die von oben,
Steigen können die von unten!“ –
Also sprach der schlaue Moles,
Und begann von seiner Mutter
Anmerkungen des Herausgebers
- ↑ [400] Amber, der Adoptivvater Apos, der mit ihm nach Krakau geflohen war, hatte von seiner Schwester Zinga kabbalistische Bücher erhalten. (S. Vorgeschichte in der Einführung und „Notizen“.)
- ↑ [400] Hier zählt Moles alles auf, was geeignet ist, die durch die drei Rosen prophezeite Genugtuung zu verhindern: die durch ihn und Apo betriebene Häufung dieser Hindernisse bilden weiterhin den Hauptinhalt der Romanzen.
- ↑ [400] Die hier vorgetragene Kosmologie Moles entstammt der Kabbala. Die hebräischen Worte bedeuten nach den Feststellungen M. Morris in seiner Ausgabe der Romanzen:
Or Haënsoph: Licht des Unendlichen. Adam Kadmon: Der Uradam. Die zehn Kräfte Sephirote: Die zehn Zahlen oder Kräfte Gottes als Grundlagen alles Seins. Asia, das Machen die vier Arten der Wesensentstehung Briat, das Erschaffen Aziluth, das Erneuern Jezirah, das Bilden
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