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Rosen (Olha Kobyljanska)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Textdaten
Autor: Olga Kobylanska
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Titel: Rosen
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aus: Ruthenische Revue, 2. Jahrgang (1904), S. 457–458
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1904
Verlag: Verlag der Ruthenischen Revue
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Erscheinungsort: Wien
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Quelle: Commons = Internet Archive
Kurzbeschreibung:
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[457] Rosen.

Von Olga Kobylanska.

In einem feingeschliffenen Glase, das durchsichtig, fast bis an den Rand mit frischem Wasser gefüllt war – standen sie.

Die „Schwarzrote“, umgeben von nachlässig herabfallenden Blättern, purpur atmend. Als Blüte vollkommen vollendet, sich selber berauschend und voller auffordernder Erwartung.

Dicht neben ihr, und gleichsam behütet von klein gearteten, etwas steifen Rosenblättern gedämpfteren Grüns, lehnte eine halbaufgeblühte Zartrosa.

Es schien als hätte sie – sie die noch vor wenigen Minuten eine Knospe gewesen, ein einziger kräftiger Atemhauch der Morgenluft aufblühen gemacht und nun sähe sie aus, als sei sie von selber so prächtig geworden, während sie noch lange eine Knospe blieb.

Sie blieb noch eine Knospe voller poesievoller Ahnungen, dem Mittag mit seinen bunten Schmetterlingen glücklich entgegenlächelnd.

Während ihre Randblätter von Dunkelrosa durchdrungen waren, schienen die inneren nur von einem rosigen Atem angehaucht zu sein. Zart und duftig und von einer unbeschreiblichen Keuschheit lehnte sie sich an die Schwarzrote und stach ab und forderte unbewusst zum Insichaufnehmen auf.

Dann kam die Weisse.

Geborgen zwischen dichten Blättern verlor und fand sie sich selber wieder. Kaum ahnend von der farbenreichen Umgebung, leuchtete sie von Unschuld und Reinheit und duftete so hinreissend, dass die grünen Blätter den Atem anhielten und wie berauscht ihr süsses Wesen tranken …

Neben der und einer Zentifolie stak eine einzelne mattgelbe Knospe.

Sahen so die Knospen aus?

[458] Tief über den Rand des Glases hing sie.

Und grosse fast glänzende Blätter schwangen sich um sie in sanften Linien und strebten um ihre nächste Nähe. Aber sie – schwermutsdurchdrungen und ermattet von einer unbefriedigten Sehnsucht – hatte keinen Blick für sie.

Stets nach unten waren ihre Blicke gesenkt, der Kopf nach unten geneigt, als fürchtete sie, von irgend einer Seite ein unerwartetes Aufleuchten, oder einen zudringlichen Strahl der Sonne in ihr verschlossenes Inneres, den sie um keinen Preis hätte ertragen mögen. – Ihre grossen Randblätter rollten sich, wurden langsam braun und welkten vorzeitig …

Neben ihr zwei dickhalsige Moosrosenknospen mit hellgrünen Blättern.

Der Tisch – worauf das Glas steht – weisser Marmor.

Hintergrund – goldbraun.

Dicht daneben gedämpfte Lampenbeleuchtung.

Schlummerten sie?

Schwerlich. Eher sah es aus, als stünden sie in Erwartung vor etwas Neuem, Unbekanntem, das an Märchen mahnte …


Aus einem hohen schmalen Bogenfenster gegenüber, dessen Flügel weit offen stehen, dunkeln unbestimmte grosse Baummassen entgegen und darüber erhebt sich der Himmel leicht bewölkt und mit halbverschleiertem Neumond.

Nun erhebt sich ein Säuseln. Anfangs sanft und mild, aber nach und nach stärker und wird zum heissen heimlichen Geflüster. Dann weht ein frischer, mutiger Luftzug durchs Fenster herein.

Er fährt gerade aus in die Richtung, wo die Rosen stehen, und berührt sie alle kühn, gleichsam kosend, dass die dicke Lichtflamme erschreckt aufflackert und zittert … dann bleibt es wieder still.


Fast hörbar fielen die schwarzroten Rosenblätter auf die weisse Marmorplatte.

Zuerst drei, vier, dann mehrere – zuletzt fast alle.

Aus dem Fallen derselben erdichtete die ringsum herrschende Stille ein Schicksal …