Sagen vom Thurmberg bei Durlach

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Textdaten
<<< >>>
Autor: Bernhard Baader
Illustrator: {{{ILLUSTRATOR}}}
Titel: Sagen vom Thurmberg bei Durlach
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 366–370
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
Drucker: {{{DRUCKER}}}
Erscheinungsort: Karlsruhe
Übersetzer:
Originaltitel:
Originalsubtitel:
Originalherkunft:
Quelle: Commons und Google
Kurzbeschreibung:
Eintrag in der GND: {{{GND}}}
Bild
[[Bild:|250px]]
Bearbeitungsstand
fertig
Fertig! Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle Korrektur gelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Um eine Seite zu bearbeiten, brauchst du nur auf die entsprechende [Seitenzahl] zu klicken. Weitere Informationen findest du hier: Hilfe
Indexseite
[366]
Sagen vom Thurmberg bei Durlach.

1. Auf diesem Berge haben sich vor Zeiten Riesen aufgehalten und der Kopf eines solchen, mit einer Reihe von ungeheueren Zähnen, ist vor noch nicht vielen Jahren im Boden gefunden worden.

2. Bei dem Heidenthurme, welcher auf dem Gipfel des Berges steht und so tief in den Grundboden hinabgeht, als er daraus emporragt, befand sich vordem eine stattliche Burg. Darin hausten zur Zeit als das untenliegende Rheinthal noch einen einzigen See bildete, Seeräuber[1], welche ihre Gefangenen in das finstere feuchte Verließ des Thurmes an Stricken hinabzuversenken pflegten, um sie nie mehr wieder das Licht des Tages erblicken zu lassen. Einst erbot sich ein Gefangener, das [367] Thal vom Wasser zu befreien, wenn man ihm dafür die Freiheit schenkte. Nachdem dieser Vertrag eingegangen war, begab sich der Gefangene zu dem damals noch geschlossenen Binger-Loche und ließ die dortigen Felsen durchbrechen, wodurch der Rhein seinen Abfluß erhielt und das Thal zu einem urbaren gesegneten Landstrich wurde.

3. Von der Burg führten drei unterirdische Gänge, der eine in die Augustenburg, der zweite in das Schlößchen und der dritte in das Schloß zu Durlach. Durch den letzteren Gang konnte man sechsspännig fahren und eben so in dem Durchlacher Schloße, (welches vor seiner Niederbrennung eines der schönsten in der Welt war) bis zum Speisesaal im oberen Stockwerke.

4. In dem unterirdischen Burg-Gewölbe liegt ein großer Schatz, um dessentwillen sich schon mehrmals einzelne Männer hinuntergewagt haben, aber niemals wieder herausgekommen sind.

5. Diesen Schuh hütet eine weiße Jungfrau, welche häufig, zuweilen sogar unter Tags, sich auf dem Schloße zeigt und unter anderm schon mit Geisfüßen, wie auch mit langen spitzen Fingernägeln gesehen worden ist. Sie trägt ein Gebund Schlüssel, woraus sie, wie Einige behaupten, den Hauptschlüssel verloren hat und nun emsig nach ihm sucht.

6. Vor langer Zeit kam sie einst zu einem jungen Mann, der auf der Bank vor dem Thurme saß, und sagte ihm, er könne sie erlösen und den Schatz gewinnen, wenn er drei Tage hintereinander, zwischen Elf und Zwölf Mittags, hieherkomme und sich durch die Gestalten, worin sie vor seinen Blicken erscheinen werde, nicht abschrecken lasse, sie jedesmal zu küßen. Der beherzte junge Mann erklärte sich zu Allem bereit, fand sich gleich am ersten Tage zur bestimmten Stunde ein, und küßte die Jungfrau, welche als Frosch sich zeigte. Ebenso that er am zweiten Tage, wo sie sich als Schlange vor ihm blicken ließ. Am dritten Tage jedoch, wo sie als feuerspeiender Drache ihm entgegen rauschte, überwältigte ihn der Schrecken und er [368] ergriff die Flucht. Jammernd eilte und rief sie ihm nach, er möge doch zurückkehren und sie erlösen, weil der Baum zur Wiege des nächsten Menschen, der sie wieder erlösen könne, noch nicht einmal gepflanzt sey; allein der junge Mann floh über Hals und Kopf, bis er drunten in der Stadt war.

7. Als der Durlacher Geishirt eines Tages seine Heerde auf dem Berge weidete, kam zwischen Eilf und Zwölf vom Thurme her eine vornehm gekleidete Frau zu ihm, die einen langen Stab von gediegenem Gold in der Hand trug, und bat ihn, sogleich nach Durlach zu gehen und dem Stadtrathe zu melden, daß die der Stadt längst fehlenden, verloren gegangenen Aktenstücke und Urkunden über ihre Gerechtsame hier oben sich befanden, weßhalb Jemand vom Rathe heraufkommen und sie von ihr in Empfang nehmen solle. Der Hirt, ein alberner Mensch, weigerte sich hartnäckig, seine Heerde zu verlassen, obgleich die Frau inständig flehte und ihm den goldenen Stab zur Belohnung dieses Dienstes versprach. Ueber diesem Hin- und Herreden schlug es drunten Zwölf Uhr; worauf die Frau in lautes Jammern ausbrach, daß sie nun abermals noch so lange unerlöst bleiben müsse, und nach dem Thurme zurückging. Als der Hirte bei seiner Heimkunft am Abend die Sache anzeigte, begaben sich sogleich mehrere Rathsglieder auf den Thurmberg, konnten aber weder Frau noch Urkunden auffinden.

8. In dem Burgbrunnen war ein schwarzer Mann eingemauert, den man einst aus Weingarten in einer Butte hinaufgebracht und hineingebannt hatte. Als später die Brunnenmauer verfiel, konnte das Gespenst heraus und es pflegte nun bei Nacht hinauf zum Thurm und zurück in den Brunnen zu gehen. Als es einmal wieder in demselben war, stellte man die Mauer schleunigst wieder her, so daß der schwarze Mann jetzt nimmer herauszukommen vermag.

9. Bei dem Burgbrunnen ist schon am Tage zuweilen eine Schlange mit einem Gebund Schlüssel um den Hals gesehen worden und um Mitternacht ein geharnischter Ritter, welcher starr und unbeweglich da stand. Ebendaselbst gehen manchmal [369] einige Tapezierer, die bei ihren Lebzeiten oft im Schloße zu Gast gewesen, und ein graues Männlein, als Geister um.

10. Auf dem Berge gauckelte in gewissen Nächten eine Menge Lichtlein umher und über ihnen, wie auch über Durlach ist schon Nachts das wilde Heer mit Geknall und Geschmetter dahingebraust. Wer sich unter freiem Himmel befindet, wenn dasselbe oben herangesprengt kommt, muß sich flüchten oder sogleich platt zu Boden werfen, sonst wird er vom Zuge in die Luft empor und mit fort gerissen.

11. Drei Durlacher Metzger, die bei einbrechender Dämmerung von Stupferich heim gingen, erblickten auf dem Thurmberg ein mächtiges Feuer. Sie stiegen hinauf und sahen bei dem Feuer einen vornehmen Mann in alter Tracht mit einem Spitzhute sitzen und in einem großen Buche lesen, das vor ihm auf einem steinernem Tische lag. Als er damit fertig war, brachte ihm ein Diener eine Menge anderer Bücher, die er alle nach einander rasch durchblätterte. Verwundert und, ihrer Meinung nach, unbemerkt, schauten ihm die Metzger zu; auf einmal aber wandte sich der vornehme Mann gegen sie um und rief: „Jetzt aber macht, daß ihr fortkommt; ihr habt die höchste Zeit!“ – Da rannten sie, so schnell ihre Füße sie trugen, den Berg hinab von dannen.

12. An einem Sonntage begaben sich mehrere noch unerwachsene Mädchen in den unbewohnten Bergthurm. Dort fanden sie die Stiege zierlich mit Sand bestreut und kamen in ein schönes Zimmer, das sie früher niemals gesehen hatten, worin ein Bett stand, dessen Vorhang oben von einer Krone festgehalten ward. Als sie denselben zurückschlugen, wimmelte das Bett von Goldkäfern und wiegte sich von selbst auf und nieder. Voll Erstaunen sahen die Mädchen eine Weile zu, plötzlich überfiel sie aber ein solcher Schrecken, daß sie aus der Stube und die Stiege hinab flohen, während ihnen ein schreckliches Geheul und Gepolter nachschallte.

13. Ein Mann, welcher nach der Betzeitglocke im Steinbruche des Thurmberges noch arbeitete, hörte, da er trotz aller [370] Anstrengung einen Stein nicht losbringen konnte, hinter sich auf einmal ein spöttisches Gelächter. Als er umschaute, stand ein langer schwarzer Mann da, vor dem er erschrocken davon lief.

14. Zwei Schwestern aus Durlach wollten eines Mittags den Taglöhnern, welche im Weinberge hinter dem Thurm arbeiteten, das Essen bringen. Als sie an die Bank vor dem Thurme kamen, sahen sie daselbst eine Menge der schönsten Citronen liegen, aber alle zur Hälfte auseinandergeschnitten. Eins der Mädchen nahm mehrere davon in seine Schürze, warf sie aber, von ihrer Schwester gewarnt, wieder weg und gieng mit dieser zu den Taglöhnern, denen sie gleich den Vorfall erzählten. Unverweilt liefen die Leute nun, auf einen Schatz hoffend, jener Bank zu, fanden aber daselbst keine einzige Citrone mehr.

(Nach mündlicher Ueberlieferung mitgetheilt von Bernh. Baader in Mone’s „Anzeiger etc.“ Jahrg. 1838.)

  1. Siehe die Note 1 in Dr. J. Bader’s Einleitung zu diesem Werke. 1. Bd. S. XII.