Sagen von der heiligen Notburga

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Textdaten
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Autor: Unbekannt
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Titel: Sagen von der heiligen Notburga
Untertitel:
aus: Badisches Sagen-Buch II, S. 584–588
Herausgeber: August Schnezler
Auflage: 1. Auflage
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1846
Verlag: Creuzbauer und Kasper
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Erscheinungsort: Karlsruhe
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Originaltitel:
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Quelle: Commons, Google
Kurzbeschreibung:
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[584]
Die heilige Notburga.
Erste Sage.

König Dagobert hatte eine Tochter, Notburga mit Namen. Sie war schön, aber auch fromm wie keine der Jungfrauen des Landes, darum blieb auch ihr Sinn dem eitlen Glanze dieser Welt fremd und sie floh heimlich aus dem Schloß ihres Vaters, welcher damals in Mosbach Hof hielt. Sie verbarg sich in einer Felsengrotte am Neckar, nicht weit von dem Dorfe Hochhausen. Hier lebte sie Tag für Tag nur dem Gebete und strengen Bußübungen. Ein zahmer weißer Hirsch brachte ihr täglich ein Brod aus der Küche ihres Vaters. Dadurch ward aber ihr Zufluchtsort dem trauernden Könige verrathen, der alsbald dahin eilte und sie zuerst mit flehenden Bitten, dann unter grimmigen Drohungen aufforderte, mit ihm nach Hofe zurückzukehren. Notburga weigerte sich dessen, weil sie ein Gelübde gethan habe, dem Herrn in der Einsamkeit zu dienen. Da erreichte [585] der Zorn des Königs den höchsten Gipfel der Wuth und mit gewaltiger Faust packt er die Tochter an, um sie aus der Höhle zu reißen. Aber, wehe! der Arm, woran er sie ergriffen, blieb in seiner Hand und mit gesträubtem Haar taumelte der unglückliche Vater zurück und floh voll Entsetzen wieder nach Hause. Die fromme Jungfrau warf sich vor ihrem Felsenaltare nieder und siehe, da ringelte sich eine goldene Schlange hinter demselben hervor und legte ihr heilende Kräuter, die sie mit im Munde herbeigebracht, in den Schoos. Mit diesen verband sie den ausgerissenen Arm dem Stummel wieder, der bald wieder fest anwuchs und völlig geheilt war.

Als Notburga, nach langen Jahren, von vielen Andächtigen aus der Gegend umgeben, ihre reine Seele auf ihrem kalten steinernen Lager aushauchte, sah man helle farbenstrahlende Flammen über der Höhle wallen. Ihr Leichnam wurde nach Hochhausen gebracht und in der dortigen Kapelle beigesetzt, wo noch ihr Grab zu sehen. Ihr Bild liegt in Stein ausgehauen auf dessen Platte, das Haupt geschmückt mit der königlichen Krone. Neben ihr ruht die Schlange mit den Kräutern. Früher war das Grab durch ein mit Lilien verziertes Gitter geschlossen. Auf dem Altarblatte und dessen beiden Flügeln ist ihre Geschichte abgebildet.

Im Jahr 1517, unter Papst Leo X, wurde das Grab geöffnet. Zugegen waren Bischof Reinhard von Worms, Eberhard Horneck von Hornberg mit seinen Söhnen, Hans von Stein und die Brüder Geyling von Altheim. Man fand den Leichnam noch unversehrt.


Andere Sage.

Auf der alten Burg Hornberg am Neckar, wo Götz von Berlichingen starb, wohnte vor Zeiten ein mächtiger Fürst, dessen einzige Tochter, Notburga, an einen tapferen Ritter verlobt war, der aber einem Zuge nach dem heiligen Lande sich anschloß, von dem er nie wieder zurückkehrte. Die holdselige Jungfrau trauerte um ihn, wie eine Wittwe, und wollte von einer anderen Heirath nichts hören. Aber ihr Vater, [586] ein rauher und gebieterischer Mann, herrschte ihr eines Tages zu, sie möchte sich zu ihrem Hochzeitsschmuck anschicken, denn in drei Tagen werde der Bräutigam kommen, den er ihr ausgewählt.

Der Verzweiflung nahe, faßte Notburga den Entschluß, aus dem väterlichen Hause zu fliehen. In der Stille der Nacht rief sie einen alten vertrauten Diener zu sich und sagte zu ihm: „Begleite mich hinüber an die Höhle am Neckar, wo die Kapelle des heiligen Michael steht; dort will ich mein künftiges Leben unter gottesdienstlichen Uebungen in der Einsamkeit zubringen.“

Als sie an den Fluß kamen, war aber kein Nachen vorhanden, um sie überzusetzen; siehe da trabte plötzlich ein schneeweißer Hirsch aus dem Walde herbei, neigte sittiglich seinen Bug vor Notburga, und lud sie mit klugen Augen ein, sich seiner als eines Zelters zu bedienen. Sie schwang sich unbedenklich auf seinen Rücken, und er schwamm mit ihr durch den Neckar bis zu der Uferstelle, wo die Felsenhöhle sich befand.

Nicht lange, so vermißte der Fürst seine Tochter, und schickte viele Bothen und Kundschafter aus, ihren Aufenthalt zu erforschen; doch vergebens, nicht die geringste Spur leitete sie dahin. Zur Mittagszeit kam der weiße Hirsch zu dem treuen Diener auf Schloß Hornberg; der wollte ihm ein Brod reichen, doch der Hirsch neigte seinen Kopf, damit er es ihm an’s Geweih’ stecken möge. Kaum war dies geschehn, so flog das verständige Thier nach der Höhle zurück und brachte Notburga das Brot. So kam er jeden Tag und ließ sie keinen Mangel leiden.

Einst kam der Fürst gerade dazu, als der Diener dem Hirsche das Brod auf’s Geweih steckte, und zwang den Alten durch schreckliche Drohungen, ihm das Geheimniß zu verrathen. Kaum hatte sich am andern Tage der Hirsch wieder eingestellt, so schwang sich der Fürst auf sein Roß und folgte dem Brodträger nach, durch den Fluß bis zur Höhle, die seine Tochter barg. Er trat ein und fand sie vor einem Kreuze knieend in brünstigem Gebete. Der Hirsch hatte sich zu ihrer Seite gelagert, und blickte den hohen Eindringling mit großen verwunderten Augen an. Vergebens waren alle Bitten und Befehle des zürnenden Vaters, Notburga solle mit ihm nach Hornberg zurückkehren. [587] Sie weigerte sich deß standhaft, mit der Erklärung, ihr Leben sey fortan nur Gott geweiht, da sie dieser Welt auf immer entsagt habe.

Schäumend vor Ingrimm, will sie der Vater vom Kreuze hinwegreißen, das sie umklammert hielt. Siehe, da blieb der Arm, an dem er sie gepackt hatte, in seiner Hand; schaudernd ließ er ihn zu Boden fallen und floh, wie von bösen Geistern gehetzt, nach seiner Burg zurück.

Notburga lebte von nun an ruhig in ihrer Höhle, bis der Herbst kam und die welken Blätter niederraschelten. Da schwebten Engel herab und wiegten die fromme Jungfrau in den ewigen Schlummer. Aber ihre Seele trugen sie, nachdem sie deren starre Hülle mit weißen Rosen überstreut, hinauf in die Gefilde der göttlichen Freuden. Vieles Volk strömte herbei, denn man hatte schon von fern die ganze Nacht hindurch ein helles Leuchten über der Höhle gesehen. Zwei schneeweiße Stiere, die noch kein Joch getragen, wurden an einen neugezimmerten Wagen gespannt und die Leiche darauf gelegt. Die Stiere ließ man den Weg selber wählen, den sie einschlagen wollten, und sie führten den Wagen nach dem Dorfe Hochhausen, auf die Stelle, wo die jetzige Kirche steht; dort wurde Notburga beigesetzt. Der Hirsch war und blieb verschwunden.

Notburga wird vom Volke gewöhnlich die Kraichgauer Heilige genannt und die Leute in der Gegend zeigen noch auf dem Felde die Spuren des Weges, welchen der Hirsch von Hornberg aus nach der Höhle zu nehmen pflegte.

Dieselbe ist noch vorhanden. Sie wird von einem Kalkfelsen gebildet, der am linken Ufer des Neckars sich erhebt, wurde aber schon größtentheils von dem Strome und seinen Eisgängen zerstört. Wenn man den Namen der Heiligen, der Höhle gegenüber, ausruft, so wird er, wie von einer leisen Geisterstimme, wiederholt.

(Die Legende von der heiligen Notburga, deren Gründung in dem Siege des Christenthums über das Heidenthum besteht, findet sich mit kleinen Abänderungen vielfach verbreitet. Grimm, Jäger und Kaufmann erzählen dieselbe, in ihren Führern durch das Neckarthal, mit unbedeutenden Abweichungen, den deutschen Sagen der Brüder [588] Grimm nach. Langbein, Millinger, Julius Sturm und ebenso v. Keller („Notburga, eine Legende in sechs Gesängen“ von v. Keller. Mannheim 1823) feierten sie in poetischem Gewande.)