Salomo in seinem Alter

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Autor: Johann Gottfried Herder
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Titel: Salomo in seinem Alter
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aus: Zerstreute Blätter (Dritte Sammlung) S. 285-287
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Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1787
Verlag: Carl Wilhelm Ettinger
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Erscheinungsort: Gotha
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Quelle: ULB Düsseldorf und Commons
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[285]
Salomo in seinem Alter.


Wohllust, Reichthum und Ehre hatten Salomo in seinen männlichen Jahren also verblendet, daß er die Braut seiner Jugend, die Weisheit, vergaß und sein Herz zu allen Bethörungen lenkte. Einst als er in seinem prächtigen Garten ging, hörte er die Thiere sprechen, (denn er verstand die Sprache der Thiere) und neigte sein Ohr zu hören, was sie sagten. „Siehe, sprach die Lilie, den König; er gehet mich stolz vorüber und ich Demüthige bin herrlicher als Er.“ Und der Palmbaum webete seine Zweige und sprach: „Da kommt er, die Bedrückung seines Landes, und dennoch singen sie ihm, daß er ein Palmbaum sei. Wo sind denn seine Früchte, seine Zweige, mit denen er Menschen erquickt?“ Er ging weiter und hörte die Nachtigall singen zu ihrer Geliebten: „wie wir uns lieben, so liebet Salomo nicht: so wird er von keiner seiner Bulerinnen geliebt.“ Und die Turteltaube girrete [286] zu ihrem Gatten: „von seinen tausend Weibern wird keine ihn betrauren, wie ich dich klagen würde, mein Einiger.“ Zürnend beschleunigte der König seinen Schritt und kam zum Neste des Storchs, der seine Jungen erzog und sie mit seinen Schwingen auffing, da er sie fliegen lehrte. „Das thut, sprach der Storch zu seinen Jungen, der König Salomo seinem Sohn Rehabeam nicht: darum wird auch sein Sohn nicht gedeihen: Fremde werden herrschen in dem was er bauete.“ Da entwich der König in seine innerste Kammer und war still und traurig.

Und als er also im tiefen Nachdenken saß, siehe da trat die Braut seiner Jugend, die Weisheit Gottes, unsichtbar vor ihn und berührete sein Auge. Er fiel in einen tiefen Schlaf und sah ein trauriges Gesicht der künftigen Tage. Er sahe durch die Antwort seines unweisen Sohns sein Reich zertheilt; in zehn abgefallenen von ihm unterdrückten Stämmen herrschte ein Fremder. Verfallen sah er seine Häuser, seine Lustgärten [287] durch ein Erdbeben versunken, die Stadt verwüstet, das Land verheeret, und den Tempel Gottes im Brande. Erschrocken fuhr er aus dem Schlaf empor, und siehe da stand mit weinendem Auge die Freundin seiner Jugend sichtbar vor ihm und sprach: „Du hast gesehen, was nach diesem geschehen wird, und zu alle diesem hast du den Grund geleget. Es stehet nicht mehr in deiner Macht, das Vergangene zu ändern: denn du kannst dem Strome nicht gebieten, daß er sich wende zu seiner Quelle, noch deiner Jugend, daß sie zurückkehre. Deine Seele ist ermattet, dein Herz erschöpft und ich, die Verlassene deiner Jugend, kann deine Gespielin nicht mehr seyn im Lande des irdischen Lebens.“ Sie verschwand mit einem mitleidigen Blick, und Salomo, der seine Jugend mit Rosen bekränzt hatte, schrieb in seinem Alter ein trauriges Buch von der Eitelkeit aller menschlichen Dinge auf Erden.