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Salzburg (Meyer’s Universum)

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
CCLXXIII. Baden bei Wien Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Sechster Band (1839) von Joseph Meyer
CCLXXIV. Salzburg
CCLXXV. Upsala
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SALZBURG

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CCLXXIV. Salzburg.




„In Hallein bleiben mocht’ ich nicht; mich trieb’s nach Salzburg. Der Nachmittag war heiß, der Himmel wolkenlos; nur am äußersten Horizont quollen weißliche Wölkchen auf, einen gewitterschwülen Abend verkündigend. Schwerfälliger als je trabten unsere Braunen auf dem prächtigen Heerwege das Salzathal hinab. Keine Kühlung stieg heute von den Fluthen auf. Nur ein würziger, warmer Geruch von Erdbeeren und Alpkräutern parfümirte den lästigen Staub, mehr ermattend als erquickend. Langsam rollte der Wagen an einer Kette von freundlichen Dörfern: Kaltenhausen, Niederalbe, Anif, Morzig hin und den vor uns liegenden Schlössern Leopoldskron und Hellbrunn entgegen. Ueberall sahen wir auf den Alptriften die schönsten Kühe weiden mit harmonisch-klingendem Geläute; die Hirten bliesen auf ihren Schallmaien unter den schattigen Felsen, und auf den höchsten Thälern glänzten ruhige, friedliche, einsame Sennhütten. Gesättigt von diesen so oft schon genossenen Alpenbildern, ermattet von der Hitze und eingelullt vom rauschenden Gewässer der Salza schlummerte ich ein wenig ein. Wie lange, weiß ich nicht; als mich ein Geräusch wie fernes Donnern weckte. Aufschauend, blitzte mir die sinkende Sonne entgegen, als sie eben im Begriffe war sich hinter eine breite schwarze Wolke zu verbergen, aus derem glühenden Saum sie noch einen Halbkreis von Feuerstrahlen schoß. Finster lagen die Wälder und schwarzen Berghäupter unter ihr. Bald erhellte und röthete sich der Saum eines weit ausgebreiteten Gewitters und in dessen weiß-grauen Wolkenmassen fing blasses Wetterleuchten an zu zittern. Noch war die Sonne nicht untergegangen, – nur verhüllt; tiefblau glänzte über mir das Himmelszelt und die schwarze Wand in der Ferne brach das Tageslicht nur so viel, um die Gegenstände um so ruhiger betrachten zu können. Ueber das weite Thal hin schwelgte mein Auge in dem Anblick, eines entzückenden Alpengebirgs, dessen kühn aufstrebende Kegel und Zacken, vielfach gefärbt, sich im Luftmeere badeten. Während ich mich ganz der Betrachtung hingab, kamen wir auf fast ebenem Wege, in immer weiterm Grunde, an den Punkt, wo bei einer Wendung der Heerstraße Salzburg sichtbar wird. Doch ich – denn träumerisch hing noch mein Auge an der heiligen Alpenwelt – sahe es nicht eher, als bis es ganz entfaltet vor mir lag, so wie du es, lieber Leser, hier im Bilde vor dir siehst. Lebhaft rief mir der erste Anblick den von Berchtesgaden zurück. Auch dieses liegt in einem Alpenkessel von Bergen umgeben; nur ist für Salzburg’s Gegend [106] der Maaßstab größer. Berchtesgaden und Salzburg sind zu vergleichen wie eine hohe Jungfrau mit dem siegprangenden Weibe. Dort noch verschlossene Knospe; hier Blüthe und Frucht: dort die urkräftige Natur; hier die mit der Kultur vermählte, voll ihres Segens.

Der von der Salza durchströmte Salzburger Bergbusen ist auf drei Seiten mit Hochalpen umschlossen und nur nordwärts setzt sich das Thal gegen Baiern hin als Ebene fort. Am linken Ufer der Salza liegt der größte Theil der eigentlichen Stadt, die uralte Veste Hohensalzburg, der Mönchberg und die Vorstädte Nonnthal und Mühlen; der kleinere Stadttheil sammt Vorstadt Stein und der sogenannte Kapuzinerberg nehmen das jenseitige, rechte Ufer ein. Eine 370 Fuß lange Brücke von Stein verbindet beide Stadttheile. Wall und 10 Thore umschließen das Ganze.

Salzburg’s Inneres verräth das ehrwürdige Alterthum in engen, unregelmäßigen Straßen, aber zugleich Geschmack und Wohlhabenheit in den stattlichen, solid gebauten, durchaus massiven Häusern, deren es 800 mit etwa 13,000 Einwohnern zählt. Der große, ernste Charakter des Baustyls, die regelmäßigen Märkte etc. etc., die prächtigen Springbrunnen erinnern an die Nähe Italiens. Viele öffentliche Gebäude sind von ausgezeichneter architektonischer Schönheit; vorzüglich die Domkirche, ein Meisterwerk von Sanzio Solari, im Styl des Vatikans, mit 2 hohen Thürmen und prächtiger Marmorfaçade; im Innern voll vortrefflicher Malereien der besten deutschen und italienischen Meister des 17. Jahrhunderts. Das Baptisterum gilt als das schönste seiner Art in ganz Süddeutschland. Schön ist auch die Lyceums-Kirche in griechisch-römischem Style; ihr gegenüber steht das Haus, wo der berühmteste Tonkünstler der neuern Zeit, Mozart, das Licht der Welt erblickte. Daß Salzburg diese Ehre würdigt, zeigt das dem großen Manne jetzt in seiner Vaterstadt errichtete Denkmal. Schöne Altargemälde von Rottmeyer machen die Franziskanerkirche ebenfalls eines Besuches werth; und die alte Peterskirche zeigt die Grabmäler der Heiligen Rupert und Vital und des Componisten Haydn. Künstler wie Troger, Högler und Greitter schmückten die Bürgerspital- und Sebastianskirche mit Fresken und Altargemälden aus. Die ehemals fürsterzbischöflichen, jetzt kaiserl. Schlösser, die alte und die neue Residenz mit ihren prachtvollen Marställen (jetzt Kasernen) und Reitschulen, von denen die sogenannte Sommerreitschule ganz in den Fels des Mönchbergs gehauen ist, imponiren durch Größe, obschon ihr verlassenes ödes Ansehen an das SIT TRANSIT erinnert, was in Salzburg noch durch vieles Andere geschieht. Denn wie sehr auch die jetzige Regierung bestrebt ist, der Stadt den Verlust der fürsterzbischöflichen, später kurfürstlichen Vergangenheit vergessen zu machen, so wird dieser doch noch schmerzhaft gefühlt. Schneller würde die Wunde verharrschen, wären in Salzburg Handel und Gewerbe blühender, als sie sind.

[107] Bevor wir die nächsten Umgebungen Salzburgs betrachten, fesselt das Siegmundsthor unsere Aufmerksamkeit. Ehedem sperrte eine Wand des Mönchbergs hier den Zugang zur Stadt. Der Fürsterzbischof Siegmund ließ ein 39 Fuß hohes und 22 Fuß breites Gewölbe, 415 Fuß lang durchbrechen und durch den besten Bildhauer damaliger Zeit verzieren. Ueber dem Ausgange steht in einer Blende die colossale Statue des heil. Siegismund (von Hagenauer) aus weißem Marmor. Das Ganze ist ein Riesenwerk und dem großen Charakter der Umgebung würdig. – Von den nächsten Parthien sind das jetzt kaiserliche Luftschloß Mirabella mit den schönen Gartenanlagen, und der Rosenegger’sche Park am Bürgelstein (berühmter Fundort römischer Alterthümer) vielbesuchte Punkte; mehr als Alles aber zieht die ehrwürdige Hohensalzburg an, die auf dem 500 Fuß hohen Haupte des Mönchbergs wohlbehalten steht. Diese Burg ist die uralte Residenz der Fürst-Erzbischöfe, und ihre Umwandlung in eine Festung gehört einer viel spätern Zeit an. Herrlich und über alle Beschreibung erhaben ist die Aussicht von ihrer höchsten Warte. Der ganze Salzburger Kreis thut sich auf, der, von zahlreichen Thälern durchschnitten, eine ununterbrochene Folgenreihe der köstlichsten Alpenansichten gibt. Aus diesem Panorama treten, noch innerhalb des Kreises, die Bergriesen Dreiherrenspitz, 9340 Fuß, Breithorn, 7460 Fuß, der Rattenstein, fast 7000 Fuß hoch hervor. An der Gränze Berchtesgadens zieht das sogenannte steinerne Meer, 7000 Fuß über dem Meere, 3 Stunden lang hin und gibt dem erstaunten Auge den sonderbarsten Anblick. Die ganze Fläche ist wogenartig gefurcht und mit nichts anderem zu vergleichen, als mit einem sturmgepeitschten Meere, welches plötzlich erstarrte und versteinerte. Den berühmten Untersberg mit seinen schauerlichen Höhlen, Grotten und Sagen übersieht man ganz, und das wilde, vielarmige Tauerngebirge mit seinen Hörnern und Zacken streckt sich weit nach Steiermark aus. In dieser Tauernkette, deren meistens unzugängliche Spitzen sich bis über zwölftausend Fuß erheben, sind die größten Gruppen von Gletschern eingelagert, welche reißende Bergströme in Kaskaden und Wasserstürzen nach allen Richtungen hin entsenden. Viele dieser stundengroßen Gletschermassen sind 9000 bis 10,000 Fuß hoch und ihre Unersteiglichkeit spottet der Nähe der Menschen. Dort starrt auch der Ankogel jenseit des Gasteiner Wildbads empor, dessen in ewiges Eis gehülltes Haupt zur Hochsommerszeit noch um 10 Uhr Abends im Sonnenlichte strahlt.

In geognostischer Hinsicht ist Salzburg’s Gegend, (alle Uebergänge vom Alpenkalk an bis zu den ältesten Urgebirgen zeigt sie,) interessant und für den Bergbau war sie seit undenklicher Zeit klassischer Boden. Viele Gewerbe hängen von ihm unmittelbar ab, oder sie stehen doch mit ihm in näherer oder fernerer Beziehung. Man baut im Kreise auf fast alle Metalle; und hier ist das einzige noch gangbare und bedeutende Gold-Bergwerk Deutschlands. Auch in dem Charakter des Volks ist der Einfluß seiner Hauptbeschäftigungen nicht zu verkennen, und ich möchte behaupten, daß sich das Berg und Grubenwesen in den Physiognomien nirgends plastischer ausgedrückt hat. [108] Kein anderer Stamm der Aelpner hat jene ernste, fromme Richtung des Geistes und Stimmung des Gemüths, welche dem Salzburger eigen ist, der von Generation zu Generation hinabsteigt in die Bauche seiner Berge, um bei spärlichem Lichte mit Gefahr des Lebens die Schätze zu holen, welche von Andern oben an der Sonne genossen werden, während er selbst immer arm bleibt. Ausgeschlossen von der Lust und der Freude, die er Andern schaffte, wappnet und stärkt er sich im Ringen mit den dämonischen Gewalten der Tiefe mit dem kindlichen Glauben und Vertrauen an den Gott des Lichts, dessen Vaterauge auch im Dunkel auf seine Kinder sieht, und in der täglichen Rettung aus täglicher Gefahr lernt er Erkenntniß einer väterlichen Vorsehung und ächte Frömmigkeit.