Sardinische Feuerreiter
[795] Sardinische Feuerreiter. (Mit Abbildung S. 793.) „Wir hatten,“ schreibt uns Albert Richter, der Maler unseres heutigen Bildes, „schon Tage lang die herrliche Insel an der Westseite Italiens durchstreift, welche man mit Recht einen Garten im Meer genannt hat, und befanden uns nun, nachdem wir die malerischen Küstenlandschaften derselben gründlich genossen, im Herzen Sardiniens, in der Provinz Sassari. Den Horizont goldig röthend, war die Sonne zur Ruhe gegangen, und nicht lange nachher leuchtete uns das stille, milde Licht des Mondes. Wir näherten uns unserem Ziele Fonni. Eine unheimliche Röthe lag über einem Theile des Ortes gebreitet. Dicker, schwerer Rauch zog über denselben dahin. Wir glaubten, daß dort ein gewaltiges Schadenfeuer zum Ausbruche gekommen sei, wurden jedoch von unserem Führer eines Besseren belehrt, indem er uns erzählte, daß man den Vorabend des heiligen Antonius, des Schutzpatrons der Sarden, feiere. Wir waren nicht wenig erfreut, daß uns hier Gelegenheit geboten werden sollte, ein Stück Volksleben im tiefen Innern Sardiniens kennen zu lernen. Unseren müden Thieren noch einmal die Sporen gebend, sprengten wir, vorüber an der immer von Frauen belagerten unvermeidlichen Fontana, die am Ein- und Ausgange jedes Ortes in Sardinien liegt, hinein in die Straßen von Fonni. Um eine Ecke biegend, erblickten wir ein herrliches Bild.
Auf einem Platze inmitten der Häuser war ein mächtiges Feuer angebrannt, welches fort und fort mit großen Stücken Holz genährt wurde. Blutroth beschien es die malerischen Gestalten, welche um dasselbe ihre Pferde tummelten. Wie es in vielen Gegenden des deutschen Vaterlandes Sitte ist, zu gewissen Zeiten über lodernde Feuer zu springen und je nach dem glücklichen oder unglücklichen Sprunge prophetische Schlüsse zu ziehen, so zeigte sich das Bild in seinem Aeußeren auch hier, nur mit dem Unterschiede, daß hier das Ueberspringen der Feuer zu Pferde geschah.
Wild lodert die Flamme auf, wenn neue Nahrung in die prasselnde Gluth geschleudert wird; knisternd springen ganze Feuergarben in die Höhe, deren Funken auf dem schwarzen Grunde des dicken Rauches wie feurige Augen umherzucken. Da – donnernde Hufschläge! Die eisernen Sporen fest an die Flanken des Pferdes gepreßt, saust ein Reiter heran. Die Nüstern aus Entsetzen vor dem feindlichen Elemente weit aufgerissen, mit funkelndem Auge, mit den Zähnen auf dem scharfen eisernen Gebisse knirschend, jagt das Thier daher, indem es mit dem Bauche fast den Boden berührt. Ein Riß am Zügel; die scharfen Sporen graben sich fester ein, und in gewaltigem Bogen übersetzt das Roß die Flammen, die nach ihm emporzüngeln. Fast bricht es zusammen, als es auf dem Boden ankommt, so gewaltig war der Sprung. Schon folgt ein zweiter Reiter, dem ein dritter und vierter nachstürmt. Manches der Pferde, entsetzt vor der Gluth, wendet sich rückwärts, aber mit Riesenkraft reißt es sein Bändiger herum und zwingt es zum Sprunge. Zu all’ dem das Beifallsgeschrei der Menge, die Rufe der Reiter, die ihre Thiere zu immer wiederholtem Sprunge antreiben, das Donnern der Hufe der fast bis zur Tollheit erregten [796] Rosse – es war ein Bild von unübertrefflicher Wirkung und Lebendigkeit. Mit Mühe nur konnte ich mich beherrschen, nicht auch mein erschöpftes Pferd durch die Flammen zu treiben – so hatte das Schauspiel mich erregt.
Das Feuer brannte niedriger. Die wilden Reiter sprengten, einer nach dem andern, davon, und auch wir lenkten nun unsere Thiere weiter durch Fonni dem Gensd’armeriecommando zu. Der Ort hat ein höchst ärmliches Aussehen. Mit Ausnahme einiger baufälliger größerer Häuser aus früherer Zeit besteht er fast nur aus rohen, meist nur ebenerdigen Häusern, die oft nicht einmal diesen Namen verdienen und viel eher auf die Bezeichnung ‚Ställe‘ Anspruch machen könnten. Uns aber wird sein Name im Gedächtniß bleiben, denn an ihn knüpft sich eine unserer interessantesten Reiseerinnerungen von der Insel Sardinien – die Erinnerung an die merkwürdige Erscheinung der Feuerreiter.“