Satyre und Nymphen (Gemälde der Dresdener Gallerie)
Die geschlossene Individualität der griechischen Götter und Halbgötter, sowie ihres Gefolges, des eigenthümlichen Mischgeschlechtes, welches zwischen Thier, Mensch und Halbgott spielt; oder die in der Form gesättigte, durch ihren vollkommensten Ausdruck zur Ruhe gelangte Idee [109] hat seit uralten Zeiten die künstlerische, bildende Darstellung jener mythologischen Gestalten der Bildhauerei und nicht der Malerei überwiesen. Diese letztere Kunst vermag die classische Ruhe der Sculptur nicht fest zu halten, sondern tritt, wenn solche Ruhe als Gegensatz betrachtet wird, auf das Gebiet der Romantik. Die gemalten Götter Griechenlands werden aus ihrer olympischen Abgeschiedenheit befreit, sie werden lebendig und bloße Personen, statt individualisirte Träger eines Begriffs. Der Gott ist verschwunden, welcher nur aus der ihn erfüllenden Idee heraus handeln konnte, und ein mit den Attributen der Gottheit versehener Mensch ist geblieben, der neben seinem ihm ursprünglich eignen Charakter Gefühle und Leidenschaften besitzt, wie sie dem Sterblichen eigen sind, dessen Wesen alle die Ideen einschließt, welche in dem Reigen der mythologischen Götter einzeln aufgefaßt und durch die Sculptur zu unwandelbarer Erscheinung gebracht sind. Meistens verunglücken daher die Versuche, „die Götter Griechenlands“ zu malen. Aber selbst diese in der Natur der Sache liegenden Hindernisse bei der malerischen Darstellung mythologischer Gestalten sind für den Genius keine Hindernisse. Rubens „Satyre und Nymphen“ bezeugen, daß der Maler derartige Gegenstände seiner Kunst gemäß auffassen darf, um ein inhaltreiches und schönes Gemälde zu schaffen. Mit graziösem Kraftwurfe giebt er uns seine drei Satyre, eigentlich Halbpanisken, und die vier Nymphen der Diana lebendig, athmend, farbenglühend, statt sie zu versteinern, und rollt uns in den mythischen Gestalten eine dichterische, allegorische Darstellung von dem geheimnißvollen, reizenden Leben von Wäldern und Fluren auf. Er hat von der individuell gefesteten Darstellung durch die Sculptur nur einen Schritt rückwärts zur allegorischen gemacht, um Spielraum für seine eignen Gedanken und Empfindungen zu gewinnen, mit denen er dies Bild in seinem reichen, fast überquellenden Schöpfungstalente ausstattete.
In diesem Gemälde scheint das ganze Natur-Leben, Weben und Walten gefesselt und umschlungen zu sein. Die üppige Fruchtbarkeit eines paradiesischen Bodens, den das Blut der vor Fülle zerspringenden Traube netzt; Wild, zwar vom tödtenden Speer und Pfeil getroffen, aber darum nicht weniger an den dichten, rauschenden, flüsternden, dunklen Wald, die Heimath der Satyre, und an die rieselnden Bäche erinnernd, die, klar wie die Augen der Nymphen, über Wiesen und durch Blätterüberhänge dahineilen, – diese Fülle von Naturbildern zusammengefaßt in den herrlichen Figuren mag uns wohl mit der dichterisch traumesvollen Empfindung erfüllen, welche Wald und Feld, heller Morgen über Wiesengründen und halbdunkle Sommernacht über Waldeseinsamkeit in dem empfänglichen Innern erwecken.