Scenen aus dem Volksleben in Neu-Orleans

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Autor: Balduin Möllhausen
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Titel: Scenen aus dem Volksleben in Neu-Orleans
Untertitel:
aus: Die Gartenlaube, Heft 26, S. 411-414
Herausgeber: Ferdinand Stolle
Auflage:
Entstehungsdatum:
Erscheinungsdatum: 1860
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung:
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[411]
Scenen aus dem Volksleben in Neu-Orleans.
Von Balduin Möllhausen.

„Komm, laß uns den Kampf der Jenny Lind mit dem General Kossuth ansehen; das Wetter ist herrlich, eine kühlende Seebrise weht vom Golf herauf, und die Fahrt auf dem Mississippi ist allein schon einen halben Dollar werth.“ So rief mein Freund, als er eines Sonntags Nachmittags zu mir in mein Logirzimmer im Tchoupitoula-Hotel trat, den breitrandigen Panama-Hut in die eine Ecke, den leichten Rock in die andere Ecke und sich selbst auf das bequeme, rohrgeflochtene Sopha warf.

„Also findet der Kampf heute bestimmt statt?“ fragte ich.

„Natürlich,“ antwortete mein Freund, ein beweglicher junger Creole, „und zahllose Menschen strömen schon nach den Fährbooten, um sich zur rechten Zeit einen Platz in dem Circus zu sichern, der dieses Mal auf dem jenseitigen Ufer errichtet ist. Auch hohe Wetten sind schon eingegangen worden.“

„Auf wessen Seite wird am höchsten geboten?“ fragte ich weiter.

„Bis jetzt ist kaum ein Unterschied zu bemerken,“ fuhr der Creole eifrig fort; „man traut freilich dem Kossuth mehr Kraft zu, doch soll Jenny Lind um so größere Gewandtheit besitzen. Ich selbst möchte auf letztere wetten, schon deshalb, weil sie vor drei Wochen erst den Präsidenten Fillmore im redlichen Zweikampfe besiegte und ihn mit ihren scharfen Zähnen und den langen Krallen so zurichtete, daß derselbe heute noch als Patient betrachtet werden muß.“

„Ich denke, Fillmore hat der Lind einen so furchtbaren Rippenstoß versetzt, daß sie lahm geworden ist?“

„Es war nur ein Streifstoß, der ihr kaum die Haut ritzte, und die Jenny ist jetzt wieder so rüstig wie jemals; genug, ich wette auf sie, so hoch Du nur willst.“

„Und ich wette unbesehenn auf Kossuth,“ gab ich zur Antwort, „vorausgesetzt, daß er nicht mit stumpfen Waffen kämpft.“

„Angenommen! doch was gilt die Wette?“

„Drei Flaschen von dem Bewußten.“

„Hier ist meine Hand! aber nun vorwärts.“

Fünf Minuten später saßen wir auf dem Verdeck eines vollgepfropften Omnibus und rollten lustig die Tchoupitoula-Straße entlang, bis dahin, wo eine Querstraße nach dem Mississippi hinunter führte. Nicht ohne Gefahr für unsere Glieder kletterten wir dann von dem erhöhten Sitz, schlossen uns dem Menschenstrom an, der sich der Fähre zubewegte, und befanden uns bald darauf im Gedränge vor dem Schlagbaum eines Dampfbootes, wo Mann für Mann gegen Entrichtung von zehn Cent, zur Fahrt über den „Vater der Flüsse“ zugelassen wurde.

Die Fähr-Dampfer, deren Eigner mit an der Speculation des Kampfspiels betheiligt waren, hatten zu dieser Gelegenheit ein festliches Kleid angezogen: zahlreiche Flaggen zierten Tauwerk und Schornstein; riesenhafte Anschlagezettel, die eben so bunt waren, wie die dortige Bevölkerung, bedeckten jede Wand, auf welcher sich ein ebener Flächenraum von nur zwölf Quadratfuß befand; aber hoch oben, an der äußersten Spitze des Mastes, da flatterten die lustigen Sterne und Streifen der Vereinigten Staaten, die jedem echten Amerikaner voranleuchten müssen, sei es nun zur Schlacht und zum Sieg oder zu harmlosem Spiel und Faschingscherz. – Nach vielem Drängen und Stoßen gelangten wir endlich mitten auf’s Boot, welches sich inzwischen wieder in Bewegung gesetzt hatte, und zwar gerade vor ein Zwillingspaar der gigantischen Papierfelder, die, das eine feuerroth, das andere himmelblau, die Bildnisse der Kämpfer, deren Namen und die Beschreibung ihrer hervorragendsten Tugenden und Eigenschaften zur Schau trugen.

Auf dem rothen Grund prangte ein prächtiger Stier, und unter demselben las man: „General Kossuth!!! Einer der wildesten Stiere [412] der Atacapas, der bei seiner Gefangennehmung einen Menschen und vier Pferde tödtete, sechs Menschen und fünf Pferde verwundete, wird dem Riesen-Bären Jenny Lind im tödtlichen Kampfe begegnen: seine Hörner sind zu diesem Zwecke spitz gefeilt worden.“

„Also mit scharfen Waffen,“ sagte mein Freund, indem er mich anstieß.

„Ja, mit scharfen Waffen,“ gab ich zur Antwort, „und die Wette gilt.“

Der himmelblaue Zettel zeigte einen aufrecht stehenden Bären, der sich ein Pferd über die Schulter geschwungen hatte. Unter diesem stand: „Jenny Lind, der schreckliche kalifornische Gebirgsbär, zwölfhundert Pfund schwer, der lange eine Geißel der Goldgräber am obern Sacramento-Flusse gewesen ist, und zu dessen Habhaftwerdung eine ganze Compagnie der gewandtesten Arrieros aufgeboten werden mußte, ist bereit, sich mit dem wüthendsten Stier der Atacapas im Kampf auf Tod und Leben zu messen.“

„Eine naive Art, die Namen bekannter Persönlichkeiten zu feiern!“ bemerkte ich zu meinem Freunde.

„Aber ganz den Verhältnissen, sowie auch den Eigenthümlichkeiten der Nation entsprechend,“ erhielt ich zur Antwort; „glaube mir, es würde Mancher nicht über den Mississippi fahren, um dort seinen halben Dollar los zu werden, wenn die Kämpfer, anstatt die hier so populairen Namen zu tragen, ganz einfach Sokrates und Penelope hießen. Der Name thut sehr viel hier, und die wirklichen Eigner von Namen, welche auf diese Weise ihren Weg unter’s Volk, ja unter die Thiere finden, haben gewiß keinen Grund, sich darüber zu beklagen, daß man ihrer nicht freundlich gedenke. Ich bin überzeugt, man würde sogar einen räudigen Hund nicht mit dem Namen eines Mannes zu belegen wagen, der durch ein Bündniß mit fremden Nationen zum Verräther an seinem Vaterlande zu werden trachtete, denn nicht nur der unglückliche Hund würde sehr bald todtgeschlagen werden, sondern sein noch unglücklicherer Herr liefe auch Gefahr, bei der ersten besten Gelegenheit gefedert und getheert zu erscheinen. Dagegen fand ich einst in einer Menagerie die Namen aller Präsidenten, vom General Washington bis herab zum General Pierce, ja, europäische Namen, die laut genug gesprochen wurden, um auf dieser Seite des Oceans verstanden zu werden, waren bei der Bezeichnung von Thieren verwendet worden, und im Grunde genommen ist ein stattliches Thier solcher Ehre ebenso würdig, als ein Berg oder gar ein Dampfboot.“

Unter solchen Gesprächen gelangten wir über den Strom, und halb getragen, halb geschoben von einem lachenden, wettenden, auch wohl fluchenden Menschenknäuel, erreichten wir glücklich das Ufer, wo eine Anzahl der verschiedenartigsten Fuhrwerke bereit stand, die Angekommenen gegen gute Bezahlung nach den eine englische Meile weiter gelegenen Schranken zu schaffen. Wir wählten einen Einspänner, zahlten den geforderten Preis, und zehn Minuten später hielten wir vor dem Circus, der, von rohen Bretern amphitheatralisch errichtet, Sitze für etwa viertausend Personen bot und eine Arena einschloß, die gegen hundert und funfzig Fuß im Durchmesser haben mochte. Wir überreichten unsern halben Dollar und traten ein, fanden die obern Bänke aber schon so gedrängt voll, daß wir es vorzogen, unten zu bleiben und uns hinter die fünf Fuß hohen Schranken zu stellen, von wo aus wir, wenn auch stehend, das zu erwartende Schauspiel vortrefflich übersehen konnten.

Mein erster Blick fiel auf den Bären, der an einer zwanzig Fuß langen, starken, aber sehr geschmeidigen Kette in der Mitte des Circus lag. Es war ein mächtiger Bursche, der wohl seine tausend Pfund wiegen mochte, und gewiß gehörte ein ausgesuchter Stier dazu, um einem so grimmigen Feinde die Spitze zu bieten. Von dem Stier war indessen noch nichts zu sehen, denn wohlweislich hatte man denselben in einen dunkeln Breterverschlag gebracht, um ihn später, das Blenden der Sonne benutzend, mit größerer Leichtigkeit in den Bereich des Bären bringen zu können. Trotzdem nun ein starkes Musikcorps auf geräuschvolle Weise zu unterhalten strebte, so scheiterten seine Bemühungen doch gänzlich an der Ungeduld, mit welcher der Beginn des Kampfes erwartet wurde; ja, man vermochte oft kaum das Trompetengeschmetter vor den donnernden Zurufen zu vernehmen, mit welchen abwechselnd neue Ankömmlinge begrüßt, dem Bären ein Hurrah gebracht und das Erscheinen des Stiers verlangt wurde. Immer dichter füllten sich die schwankenden Bogengerüste; und immer lauter erdröhnte das Holzwerk von herausforderndem Stampfen und Klopfen; selbst der Raum hinter den Schranken füllte sich auf eine Weise, daß wir wie in einem Schraubestock eingepfercht standen. Da endlich ertönte ein lauter Tusch, begleitet von einem Dutzend Musketenschüssen, und weit öffnete sich die Thüre, hinter welcher der Stier so lange verborgen gestanden hatte.

„Hurrah für General Kossuth,“ brüllte die Menge; und wohl verdiente das Thier ein solches Hurrah, denn in die Arena schritt langsam und bedächtig ein junger rothbrauner Stier, den man mit Recht als das Urbild physischer Kraft hätte bezeichnen können. Der kurze, gedrungene Hals schien von Eisen und Stahl zu sein. Der abgerundete Kopf mit den spitzen Hörnern und den großen glänzenden Augen, stand im Verhältniß zu der mächtigen Gestalt, unter deren glänzender Haut sich die vorspringenden Muskeln geschmeidig hin und her schoben. Es war eine Freude, dieses Thier zu beobachten, als es, wie im Bewußtsein seiner Kraft, dumpf brüllend der Mitte des Circus zuschritt.

Kaum vernahm nun der Bär die tiefen Töne, welche der Brust seines Feindes gleichsam entrollten, als er sich blitzschnell auf die Hinterfüße aufrichtete, den Kopf etwas zur Seite neigte und mit komischer, neugieriger Geberde den Stier betrachtete. Ein Beben seines Unterkiefers bewies indessen, daß er lange gefastet haben mußte und lüstern einem Kampfe entgegensah, der ihm eine gute Mahlzeit einzubringen versprach. Durch die helle Sonne geblendet, hatte der Stier seinen Feind noch immer nicht erkannt; als er aber das leise Wimmern desselben vernahm, hemmte er plötzlich seine Schritte, seine stolze Haltung verschwand wie durch Zauberschlag, und ängstlich schnaubend, mit emporgehobenem Haupte, die Blicke fest auf den Bären geheftet, suchte er rückwärts gehend seinen Stall wieder zu erreichen. So leichten Kaufs sollte er indeß nicht davonkommen, denn noch ehe er bis in die Nähe des Breterverschlags gelangte, fielen ihm, von geschickter Hand geschleudert, von beiden Seiten Schlingen um die gespreizten Hörner, und mehrere Leute versuchten es dann, ihn mit Gewalt in den Bereich des nunmehr eilfertig auf- und abtrabenden Bären zu zerren. Eben so leicht hätte man eine Eiche entwurzelt, als das erschreckte Thier von der Stelle gebracht. „Schäme dich, Kossuth! Schäme dich!“ brüllte die ungeduldige Menge; lautes Pfeifen und Zischen erschütterte die Luft, die Wetten auf den Bären wurden verdoppelt, selbst mein Gefährte rief mir mit schlauem Lachen zu: „Zweimal drei ist sechs!“ worauf ich aber nicht einging.

Der Stier verharrte indessen unerschütterlich in seiner Stellung, obgleich der seinen Mundwinkeln entströmende Geifer von der aufsteigenden Wuth zeugte; als aber mehrere an langen Riemen gehaltene Hunde ihn mit scharfem Zahn anfielen, und in demselben Augenblicke die gelösten Lassos von seinen Hörnern glitten, da sprang das ergrimmte Thier mit zwei mächtigen Sätzen vorwärts, und sich dann schnell umwendend zeigte es, mit den Hufen den Rasen aufwühlend und hoch emporschleudernd, das krause Haupt seinen nächsten Feinden, den Hunden zu, welche, von den Schranken aus gehalten, ihren Angriff nicht weiter fortsetzen konnten.

Der Lärm der Zuschauer war plötzlich verstummt, denn Jeder erkannte, daß der Stier mit den Hinterfüßen in dem Kreise stand, welchen der Bär an seiner Kette zu beschreiben vermochte. Doch auch dem Bären war dieser Umstand nicht entgangen; seine Ohren legten sich dicht an den breiten Schädel, und mit der Gewandtheit einer Katze durchmaß er den Raum, der ihn von seinenn Opfer trennte, und sich plötzlich aufrichtend, versetzte er demselben mit der kralligen Tatze einen solchen Hieb über die Hüfte, daß das Blut hoch aufspritzte und ein breiter Lappen der losgerissenen Haut herunterhing. „Hurrah für Jenny Lind!“ donnerte es von den Tribünen, doch der Ruf war noch nicht verstummt, als der auf hinterlistige Weise verwundete Stier sich wie ein Wirbel auf derselben Stelle umwendete und in blinder Wuth keuchend und schnaubend seinen Feind auf den Boden zu spießen trachtete. Der Bär war aber auf seiner Hut, denn sich abermals aufrichtend, wich er dem furchtbaren Stoße aus, und als er sich dann auf den vorbeistürmenden Stier werfen wollte, war derselbe schon wieder seinem Bereich entschlüpft.

Nach diesem ersten Zusammenstoß begann ein Scharmützel, welches für beide Theile weniger gefährlich war. Fast eine Viertelstunde lang schritten die beiden wüthenden Bestien im Kreise neben einander hin. So oft der Stier seine Hörner senkte, hob sich der Bär auf seine Hinterfüße, und suchte jener ihn dann zu umgehen, so folgte dieser nicht nur mit den Augen, sondern auch [413] mit dem ganzen Körper jeder Bewegung seines Feindes. Das Publicum wurde ungeduldig, die Gerüste bebten unter dem Stampfen und Klopfen, die Musik erschallte, noch lauter als diese aber der allgemeine Ruf: „Schämt Euch, ihr feigen Memmen!“ Noch einmal suchte Kossuth seinen Stall zu erreichen und wie früher wurde er von den bissigen Hunden zurückgetrieben, worauf er, ohne letztere weiter zu beachten, sich mit fürchterlichster Wuth auf den Bären stürzte.

Der Zusammenstoß war heftig, trotz seiner Gewandtheit hatte der Bär nicht schnell genug ausweichen können, und in einen Haufen rollten die beiden erbitterten Streiter zusammen. Man gewahrte ein Verschlingen mächtiger Glieder, der Sand wirbelte empor, ein ersticktes, dumpfes Brüllen ertönte, und als es dann stille ward, erblickte man eine Gruppe, die, obgleich von der Grausamkeit der Menschen zeugend, doch nicht prachtvoller gedacht werden kann, und welche würdig genug darzustellen wohl kaum einem Maler, einem Bildhauer gelingen möchte.

Kossuth im Kampfe mit Jenny Lind.

Regungslos stand der Stier, mit der ganzen Schwere des Körpers nach vorn drängend; tief hafteten die Hufe im Sande, und den Kopf niederwärts beugend, kniete er auf seinem Feinde und suchte mittelst seiner Hörner denselben auf dem Boden festzuhalten. Der auf dem Rücken liegende Bär schien indessen, trotzdem sein linker Vorderschenkel von dem spitzen Horn aufgespießt war, Sieger zu bleiben, denn die ganze Schnauze des Stiers befand sich in seinem weitgeöffneten Rachen zwischen den furchtbaren Zähnen, während sich die langen Nägel der rechten Vordertatze tief in seines Feinden fleischigen Hals eingegraben hatten, und die rechte Hintertatze dessen Rippen von Fleisch und Haut entblößte. Der Jubel war endlos, und zum Ergötzen des Publicums ließ man die grimmigen, von Blut überströmten Kämpfer wohl zehn Minuten lang in dieser Stellung verharren, ehe man einschritt. Mehrere Arrieros sprangen alsdann in die Schranken, ließen einige Augenblicke die Lassos in der Luft kreisen und ihren geübten Händen entgleitend, legten sich die festen Schlingen mit unglaublicher Genauigkeit fast zu gleicher Zeit um den gehobenen Huf des Stieres und die freie Tatze des Bären, worauf eine bereit gehaltene Feuerspritze, mit Heftigkeit bewegt, die beiden erbitterten Kämpfer mit einer ganzen Ladung kalten Wassers überschüttete. Die Wirkung war augenblicklich; die Thiere ließen in ihren Griffen nach, die Leute zogen an den Leinen, und unterstützt von immer neuen Wasserstrahlen, gelang es ihnen endlich, dieselben ganz von einander zu trennen. Der blutende Stier wurde alsdann zurück in den Stall gezerrt und die Thüre hinter ihm geschlossen; der Bär dagegen, sobald ihm der Anblick seines Feindes entzogen, schüttelte seinen triefenden Pelz, legte sich nieder, leckte seine stark blutende, aber anscheinend leichte Wunde und nahm dann, wie um seine heiße Zunge zu kühlen, die eiserne Kette zwischen die Zähne, wobei er, den Unterkiefer in bebender Bewegung haltend, durch lautes Wimmern und Knurren seine Unzufriedenheit über das ganze Verfahren zu erkennen gab.

Der Kampf war beendigt, das Publicum aber noch lange nicht zufrieden gestellt, denn da noch nichts entschieden war, so schwebten auch noch alle Wetten. – „Kossuth heraus!“ tobte die aufgeregte Menge. „Der Kampf muß beendigt werden!“ brüllten Einzelne, „Betrügerei!“ riefen Andere, bis zuletzt durch Stampfen, Klopfen, Zischen und Pfeifen jedes andere Geräusch übertäubt wurde.

Die Unternehmer des Kampfspiels schienen indessen nicht geneigt, das Leben ihres kostbaren Bären weiter auf’s Spiel zu setzen, ohne vorher noch einige ähnliche einträgliche Geschäfte mit demselben gemacht zu haben, wenn ihnen auch an dem leichter zu ersetzenden Stier weniger gelegen war. In Folge dessen nahm aber der Lärm und das Toben dergestalt zu, daß ich mich ernstlich aus dem Menschenknäuel fortwünschte, in welchem ich förmlich eingekeilt stand. – Da, als das Getöse den höchsten Grad erreicht hatte, vernahm man plötzlich den Ausruf der Angst von mehreren Hundert Menschen; ein Augenblick nur, und ein jäher Schrecken bemächtigte [414] sich meiner, als ich das gegenüber liegende Gerüst wanken und sich zur Seite neigen sah; ein lautes Krachen folgte, und Menschen, Breter und Balken stürzten in einen Haufen zusammen.

Alles verstummte, nur aus dem Trümmerhaufen erschallte Lechzen, Schreien, Stöhnen und Fluchen. Kaum aber war der erste Schrecken verflogen, als Jeder das Freie zu gewinnen trachtete, und wie im Umsehen leerten sich die noch stehenden Gerüste und Schranken. Ich war von meinem Freunde getrennt worden, und da ich keine Neigung fühlte, mich in das dichte Gewühl neugieriger Leute zu mischen, welche zu Hunderten die Verunglückten umgaben, zugleich aber vernahm, daß die Folgen nicht so böser Art seien, wie man anfangs befürchtete, so ging ich zurück nach dem Landungsplatze der Fährboote, um an einem schon verabredeten Punkte mit meinem Gefährten wieder zusammenzutreffen. Derselbe langte bald nach mir an und theilte mir mit, daß, außer einigen Arm- und Beinbrüchen, Quetschungen und Verrenkungen, kein Unglück stattgefunden habe, daß die Unternehmer ein außergewöhnlich gutes Geschäft gemacht hätten, und Kossuth als der verlierende Theil betrachtet werden müsse. Nach unserer Ankunft in Neu-Orleans sträubte ich mich daher nicht länger gegen die Entrichtung der drei Fläschchen von dem Bewußten, die zur kühlen Abendstunde unter der reizenden Veranda des Tchoupitoula-Hotel gemeinschaftlich getrunken wurden.

Als ich am folgenden Morgen nach gewohnter Weise über den so prachtvoll und reich besetzten Markt im Creolenviertel schritt, bemerkte ich vor einer Schlächterbude neben einem dort ausgestellten blutigen Stierkopfe ein Placat, auf welchem, das Fleisch des im Kampfe mit dem grauen Bären gefallenen Kossuth angepriesen und zum Verkauf ausgeboten wurde.

Der böse Leumund wollte zwar wissen, daß der eigentliche Kampfstier dunkleres Haar gehabt habe, als der ausgestellte Kopf, und sich sogar auf dem Wege der Besserung und auf dem Wege nach einer fetten Weide befinde; ich habe es aber nicht geglaubt, bezweifle auch nicht, daß von dem 1800 Pfund schweren Stier wenigstens 3000 Pfund Fleisch als „Kossuthfleisch“ zu erhöhtem Preise verkauft wurden.