Schäferidyll
[505]
[516] Schäferidyll. (Mit Illustration S. 505) Es gab eine Zeit, wo die Schäferidyllen Mode waren und wo man auf allen Porzellantassen und Tellern die lieben Schafe mit ihren Hirten und Hirtinnen sah. Das war die selige Rokokozeit, in welcher selbst eine Königin wie Marie Antoinette in ihrem Trianon sich mit dem ganzen Hofe an selbst ausgeführten Schäferspielen ergötzte; doch das waren buntbebänderte elegante Salonschäfer, und auch die Maler und Dichter liebten es, solche Gestalten auf die Leinwand zu zaubern oder in ihren Versen zu feiern. Heutigentags ist man, wie das reizende Genrebild von Blume-Siebert zeigt, der Wahrheit der Natur wieder nahe gekommen. Das ist ein urwüchsiger alter Schäfer, der hier sein Enkelchen und zugleich das jüngste Lämmlein der Herde auf seinem Schoße hält und mit schmunzelndem Behagen sich darüber freut, wie das Kleine sich an dem zarten Thierlein ergötzt und jedenfalls verspricht, einmal des Großvaters Laufbahn einzuschlagen, auf der man es zwar nicht zu Gold und Ehren, doch zu friedlichem Behagen bringen kann. Und auch die Mutter, die mit nicht geringerer Freude auf ihren Liebling blickt, die Tasse, aus der er gewiß oft getrunken, in der Hand, ist ein echtes Landweib, frisch und kernig, und keine Chloe oder Daphnis hat zu ihr Modell gesessen. Auch der treue Schäferhund betrachtet das Familienbild mit Antheil, während das Mutterschaf offenbar mit Angst über dem Geschicke seines Sprößlings wacht.