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Schatten des dunklen Ostens/Im Zeichen des Antichrist

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Opferblut Schatten des dunklen Ostens von Ferdynand Antoni Ossendowski
Im Zeichen des Antichrist
Mutter und Kind
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Im Zeichen des Antichrist.


Während der christlichen Ära, als Rußland schon das Kreuz als Emblem genommen hatte, war es trotzdem immer und ununterbrochen bemüht, durch Sekten und Erhaltung von Gebräuchen aus dem Götzentum ganz instinktmäßig, sogar unbewußt, aus Gründen, die tief in der Seele dieser Wald, Feld- und Bergmenschen liegen, ein Band mit den alten Göttern zu erhalten.

So war es noch in der letzten Periode des russischen Kaiserreiches unter dem letzten Zaren, da der Petersburger Hof der ganzen Welt imponierte und das kulturelle Europa an der russischen, überaus raffinierten Aristokratie und Intelligenz, an seiner Literatur und Kunst, sogar am russischen Dorfe, das der populäre Tolstoi so pathetisch beschrieb, Gefallen fand.

In das Dunkel der russischen Provinz aber, wo es neben den halbheidnischen Nomaden noch von allen anderen möglichen Teufeln wimmelte, ist kein Forscherauge eingedrungen.

Dann sind neue Zeiten gekommen, die Zeiten der Proletariat-Diktatur, des Kommunismus, des Bolschewismus und der Sowjets, dieser blutdürstigen Sowjets, an deren Spitze Persönlichkeiten ohne jegliche Religion und Tradition getreten sind. Es kam die Zeit, wo die Idee des Materialismus, die Macht der spekulativen Philosophie und das eifrige Bemühen um das Wohl des Leibes die Oberhand gewann.

Es gibt keine Seele, es gibt nur höchstens den Dunst. Die Seele muß verschwinden, haben schon die alten, kaum schreibkundigen, halb unwissenden russischen Nihilisten gesprochen, die aus den Bergwerken, aus den Schmieden und Gefängnissen hervorgegangen.

Dasselbe haben in einer anderen rhetorischen Form die Volkskommissare, die Diktatoren wiederholt, indem sie aus Millionen von Russen diesen unnötigen Dunst als Blut abgezapft haben.

Es waren Zeiten eines großen und echten Rationalismus und der radikalen Ansichten gekommen. Mußten nicht alle religiösen Sekten, Kulte, Vorurteile vom Horizont verschwinden? Hätte es nicht ein Ende nehmen müssen mit allen Zauberern, Wahrsagern, Hexen und Priestern der alten Götter?

Das Bild aber, welches sich uns bietet, ist ein anderes, als es die logische Folge bedingt hätte.

Noch nie hat das Ansehen und der Ruhm der Kirche in einer solchen Blüte gestanden wie heute, noch nie hat ihr Zauber mit einer solchen mystischen Kraft geleuchtet, noch nie vorher haben die früher verborgenen Kirchensekten sich so entfalten können, noch nie waren die Mysterien der Selbstgeißler so stark besucht, das Siegel der „weißen Taube“ so streng eingehalten, noch nie hat das einfache, ermüdete, verhungerte Volk sich so leidenschaftlich zu den Zauberern gedrängt und die Wahrsagekunst hatte noch nie einen so erstaunlichen Erfolg und eine solche Bedeutung im Leben der russischen Gesellschaft erlangt als gerade heute.

In den orthodoxen Kirchen lagen haufenweise ungezählte Menschenmengen mit ausgebreiteten Armen am Boden, Gott anbetend und ihn nicht mehr um das eigene, sondern um das Wohl und die Rettung des ganzen Landes anflehend.

Keine Verfolgung und kein Spott waren imstande, Schrecken einzujagen. Es gab Fälle, daß die Bolschewiken, als sie in Kirchen eindrangen und losfeuerten, sich umsonst mühten, die Betenden auseinander zu treiben. Alles war umsonst! Es gab keine Panik und die Menge hat sich beim Knallen der Schüsse kaum bewegt. In solchen Augenblicken konnte man sehen, wie Rußland im Mystizismus bereit war, den Märtyrertod für das Wohl der nächsten Generation zu erleiden.

Während einer Andacht in den Osterfeiertagen im Jahre 1919 sind die Bolschewiken in Moskau in eine Kirche eingedrungen, wo der allgewaltige Erzbischof Tichon in eigener Person die Messe las. Es hat sich niemand gerührt. Da gab einer der Kommunisten einen Schuß auf den Patriarchen ab und verwundete ihn an der Hand. Der Patriarch schaute sich nicht um und betete weiter, dann wendete er sich der Menge zu und begann das hohe religiöse Lied zu singen: „Christ ist erstanden!“ Eine Begeisterung ohne Grenzen bis zur Ekstase bemächtigte sich der Menge. Die Bolschewiken haben diese Stimmung des Volkes begriffen und die Kirche sofort verlassen.

In allen Sekten herrschte eine ähnliche religiöse Stimmung.

Die Anhänger des alten Glaubens wurden noch vorsichtiger in ihren Beziehungen zu Andersgläubigen. In den Glaubensgemeinden erstarkten die Leute in ihrer Moral und Disziplin. Die berühmtesten Priester und Bischöfe der verschiedenen Sekten wurden von den Grenzen des Landes wieder zum Schutze gegen den moralisch vergiftenden Einfluß der Sowjets zurückgerufen. Die Altgläubigen haben gegen Zahlung hoher Steuern ihre Jugend aus der roten Armee ausgelöst. Die Kirchen und Betstuben waren von Andächtigen, welche die Ankunft des Teufels erwarteten, dessen Diener eine so fürchterliche Saat des Verderbens und Elends ausgestreut, überfüllt.

Die Sekte der Chlysten zählte 100.000 Anhänger, da ihre Andachten bis zu einem gewissen Grade das Vergessen, die Befreiung von dem zur Unerträglichkeit gewordenen Alltag mit sich brachte und dabei einen physischen Anteil an der Vertreibung des Teufels hatte, dessen schwere Schritte die Menschen zu hören vermeinten.

Es haben sich die Chlysten nicht mehr mit Weiden- und Grasruten geschlagen, sie geißelten sich nun mit zusammengewickelten Eisendrähten oder mit rotglühenden, eisernen Stäben.

„Noch mehr der Qual, noch mehr der Tortur am eigenen Leibe, noch mehr Blut!“ riefen die Priester dieser Sekte. „Denn so wird der Kampf mit dem Teufel erfolgreicher, so wird er vielleicht Sieg. So wird vielleicht wieder Glück und Frieden auf dieser Erde, die jetzt mit Blut getränkt und mit Sünde besudelt ist.“

Die bolschewistischen Zeitungen haben am Anfang des Jahres 1920 einen Chlystenpriester ausgelacht, der an die Sowjetregierung folgenden Brief geschrieben:

„Seht Ihr den Teufel nicht? Er geht herum in den Flammen der Feuersbrunst, die sein Gesicht und seine Hände glutrot färben. Er schreitet in blutigem Mantel einher, sein Haupt reicht zu den schwarzen hochfliegenden Wolken, die, mit Donner und Blut gefüllt, am Himmel treiben. Seine schweren eisernen Tritte pressen aus der Erde Menschenblut hervor, zerstören die Städte, zerstampfen die Unschuldigen und drohen der Menschheit mit Vernichtung! Seht Ihr denn nicht, hört Ihr denn nicht, wie seine schweren Schritte weithin erschallen? Helfet dem Volke, helfet dem Lande, helfet uns allen, solange es noch Zeit ist!“

Die Sektierer und die Nicht-Sektierer, sie sahen den Teufel überall auf der russischen Erde.

Waren Gründe dafür vorhanden? Vielleicht doch …

In allen Städten Rußlands von Petersburg und Moskau bis zu den dunkelsten Provinzstädten konnte man unter der Diktatur der Sowjets den neuauferstandenen Glauben an den Teufel erkennen. Er war sogar durch die Sowjetbehörden und einige private Zirkel halb offiziell unterstützt, da es in ihrer Absicht lag, dadurch das Christentum zu vernichten, der Kirche einen Stoß zu versehen und den alten Glauben, der so manche ethische Grundlagen besitzt und daher den Ideen des rationalistischen Kommunismus feind ist, abzuschwächen. Der Teufelskult hat zuerst bei der Jugend angefangen. Da wurde die Geschichte des Julian Apostata gelesen, ebenso die Werke über die Teufelsanbeter aller Jahrhunderte. Man vertiefte sich in die Kulte des babylonischen Baal und suchte die Künste des geheimnisvollen, teuflischen Cagliostro zu verstehen, man blätterte in der Geschichte der schwarzen Magie, der Kabala, man übersetzte Stücke aus der Geschichte der heiligen Inquisition, als diese mit dem Teufelskult in Spanien und Holland im Kampfe lag.

Diese Studien haben den Boden für die Annahme der Antithese des Christus vorbereitet: des Teufels Beelzebub, des Antichrist und des Satans Mephisto.

Es begann jetzt ein unerhörtes Bacchanal auf moralisch-religiöser Grundlage. Man feierte schwarze Messen, wobei man die Kommunion in der Gestalt von Menschenblut reichte, und zwar in einer widerwärtigen, unmoralischen, degenerierten, psychisch bis ins Mark verderbten Form.

Auch haben sich Priesterinnen des Teufels eingefunden, zumeist aus dem Kreise der Kabarettschauspielerinnen und der Kokotten. Aus den Tiefen der Gesellschaft sind dunkle Gestalten aufgetaucht, die sich der Teufelswissenschaft widmeten, Popen, die ihrer Würde wegen ihrer Zügellosigkeit beraubt waren, dann deklassierte, in Wahnsinn verfallene, halbbetrunkene Mönche und sogenannte Gelehrte, die ihr Leben lang den Diabolismus studiert zu haben vorgaben.

Da ist in Petersburg eine Priesterin des Teufels berühmt geworden, eine gewesene Schauspielerin aus Odessa, eine gewisse Irene Heinzei, deren Name in Wirklichkeit ein anderer und welche im Gefängnisse der Bolschewiken in Ufa die Aufseherin gewesen war, wo sie sich durch Grausamkeiten auszeichnete, die Gegner der Sowjets quälend und sie eigenhändig niederschießend. Ihre Ausgelassenheit, ihre furchtbar blutige Vergangenheit haben dieser Satanspriesterin einen prickelnden Reiz gegeben und sie besonders berühmt gemacht. Sie wurde oft zu feierlichen Gottesdiensten, zu den schwarzen Mysterien in andere Städte gerufen, wo ihre Verirrungen, ihre Hysterie und ihr Pathos einen starken Eindruck gemacht haben.

Auch der Pope Elias, ein sehr belesener und beredter, die Menge aufreizender, wohllüstiger und an Epilepsie erkrankter Mensch, war unter den Diabolisten nicht weniger bekannt und populär. Als Mönch hatte er einen Klosterdiener getötet und wurde deswegen zu schweren Arbeiten nach Sibirien versandt. Unter den Bolschewiken ist er zurückgekommen und hatte bald eine hohe Stellung unter den Diabolisten inne.

Der Diabolismus zählt jetzt in Rußland viele Anhänger und ist im Besitze großer Kapitalien, die fleißig vermehrt werden. Eine energische Propaganda dieser Idee hat stattgefunden, wofür es spezielle Verlagsanstalten gab. Dadurch, sowie durch den Glanz seines Rituals zieht der Teufelsglaube immer mehr Leute heran, Menschen, die in der Häßlichkeit und Sklaverei des russischen Lebens sich nach Eindrücken sehnen, nach neuen Richtlinien, nach einer nervösen Anregung, da Gefängnis, die Todesstrafe, Quälerei, Hunger und Elend die Menschen nicht mehr aufzupeitschen vermögen.

Die Menschen sind gleichgültig geworden und man muß etwas haben, um leben zu können so werden sie durch Sekten, durch Ausschweifung, Morphium und den Diabolismus angelockt.

Die Sekten sind den Sowjets und dem russischen Kommunismus feindlich, die anderen Elemente sind ihm erwünscht. Daher war die innere Sowjetpolitik darauf gerichtet, der Ausschweifung Vorschub zu leisten, um damit die Bande der Familie, der Gesellschaft, des Staates und der Zivilisation zu lockern und auf diese Weise die Hindernisse und den Widerstand gegen ihr System zu besiegen. So ist die Toleranz des Staates für die Ausschweifung und das lockere Leben bei der Jugend, bei den Erwachsenen und bei Kindern wohl zu verstehen. Der Diabolismus ist natürlich der Gipfel jeglicher Ausschweifung und darum ist er dem offenen und geheimen Entgegenkommen seitens der staatlichen Behörden begegnet.

Der Teufel scheint doch auf die Erde gekommen zu sein …

Die Sektierer, die Priester und Priesterinnen, die Satansanbeter behaupten, ihn gesehen zu haben. Ist es der Satan, ist es ein Teufel oder Beelzebub?

„Nein!“ verneinen die orthodoxen Kreise, „das wird er nicht sein, das ist erst sein Vorläufer, der Antichrist.“

Diese Frage wurde bei den Zusammenkünften des Klerus in Nowgorod, in Moskau, in Jaroslau, in Kiew und in Omsk lange und ganz ernstlich erörtert und diskutiert.

Sie wurde zum Anlaß einer Bewegung, welche von den Bischöfen Jewdokim, Sylvester und dem Metropoliten Makar ins Leben gerufen worden war und mit dem leidenschaftlichen Studium der Revelationen des heiligen Apostels Johannes, der Apokalypse, begann. Die feurigen, nebelhaften, mystischen Worte der Apokalypse haben Anlaß zu Prophezeiungen und Voraussagungen gegeben.

Die unklaren Bilder und Zahlen haben die Neugier und den Drang, das Geheimnisvolle zu lüften, wachgerufen. Und keiner wollte wissen, daß der bekannte russische Gelehrte N. A. Morozow der Ansicht war und dieselbe kundgab, daß der Apostel Johannes die durch ihn nur sehr selten gesehenen astronomischen Erscheinungen beschrieben hatte und sie in eine poetische, geheimnisvolle, mystisch hellseherische Form gebracht hat. Ich habe manche, sehr gelehrte Professoren gekannt, die stundenlang im verwirrten Text der Apokalypse geblättert haben, welche sie vor der bolschewistischen Regierung kaum dem Namen nach kannten.

Eine ungeheuere Literatur mit Kommentaren über die Apokalypse ist entstanden und hat praktische Folgerungen gezogen, um die nebelhafte Undeutlichkeit der Prophezeiungen zu erklären. Es gibt kaum einen Erdenwinkel in Rußland, wo diese mystische Literatur nicht eingedrungen wäre. Kein Mittel gab es, um zum Verstände dieser Verblendeten zu sprechen, die das zu glauben wünschten, was sie seit langem so heiß ersehnt haben. Als man zeigen wollte, daß alle Zeitpunkte, die der Apostel Johannes vorausgesagt, schon längst vorbei waren und sich doch nichts in Rußland verändert hätte, daß der vorausgesehene russische Herrscher mit dem Namen „Michael“ nicht Zar in Rußland sein könne, da der Großfürst dieses Namens „Michael Alexandrowitsch“ in Perm durch die Bolschewiken ermordet worden, als man über das apokalyptische Ungeheuer lachte und über die Reiter auf weißen, schwarzen und roten Pferden, in denen die Leute England, Frankreich, Japan oder auch Denikin, Wrangl und Koltschak zu erkennen glaubten, da wurden zur Antwort Erläuterungen gegeben, die nicht weniger nebelhaft wie die Apokalypse selbst waren.

Man hat über dieses Geheimnisvolle mit einer Überzeugung gesprochen, die zu erschüttern fast unmöglich war, da der Verkünder entweder bei diesem Glauben bleiben, oder aus Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit sterben mußte.

Während die intelligenten Klassen und das Bürgertum sich in die Lektüre des heiligen Johannes vertieften, fing der Klerus unter den Massen des Volkes eine Agitation an. Hunderte, tausende von nach dem Schließen der Kirchen und Klöster arbeitslosen Mönchen und Popen begannen ihre Arbeit unter der Masse der Landbevölkerung und der Arbeiterschaft. Die Apokalypse, die Apokryphen, die persönliche Anregung, die Rednerkunst, der Pietismus und Asketismus, alles war in den Dienst der Propaganda gestellt für die Idee des Antichrist.

Der Antichrist wäre schon geboren und sammle jetzt seine verbrecherischen und unzüchtigen Heerscharen. Seine Diener hat er nach Rußland, in dieses reichste der Länder und Völker, ausgeschickt, um dessen Menschen ins Verderben zu stürzen. Denn siehe! Da, wo die von Gott Gesalbten, die Zaren, gewohnt haben, wo die großen Patriarchen gebetet, wo die Überreste der heiligen Wundertäter liegen, da herrscht jetzt ein Haufen von Feinden Gottes und des Kreuzes und folgt dem Willen des Antichrist.

Das ist die Hauptidee dieser Bewegung.

Man muß also trachten, diese Idee zu verwirklichen und dafür greifbare Beweise zu finden.

Und jetzt fängt das Mittelalter in seiner ganzen düsteren Schauerlichkeit an.

Da werden, wie es während der Napoleons-Kriege mit Rußland war, aus den apokalyptischen Zahlen, aus den Buchstaben, die sich in den Namen der Volkskommissäre befanden, Namen des Beelzebub, des Satans zusammengesetzt und der eigentliche Name des Antichrist erforscht.

Es werden Zeichen aus den astronomischen und alltäglichen Naturerscheinungen für das Nahen des Weltunterganges gesucht, gefunden und gedeutet. Eine Sonnen-, Mondesfinsternis, Sternenregen, Form und Farbe der Wolken, dies alles ruft fürchterliche und beängstigende Gedanken hervor. Ist zufällig irgendwo ein Knabe mit langen roten Haaren und grünen Augen geboren, oder ist ein Mädchen zur Welt gekommen, mit Zähnen im Munde, oder mit längeren Fingernägeln, wie es sonst üblich ist, so werden diese Kinder als Vorläufer des Antichrist angesehen.

Viele von solchen, die in diesem dunklen Zeitabschnitt der geistigen Verwirrung zur Welt gekommen sind, wurden getötet und in den Fluß geworfen.

Wenn ein neugeborenes Kind zufällig bei seinem ersten Schrei einen Laut ausgestoßen hatte, der dem Namen Beelzebub ähnlich schien, so war es schon ein Satanskind. Im Gouvernement von Olonez fanden einige gerichtliche Prozesse statt, die bewiesen, daß die Eltern ihre Säuglinge in den Badestuben mit brühendem Wasser übergossen und getötet haben.

Ein Kalb, das mit zwei Köpfen geboren war oder mit fünf Beinen, die wunderlich gekrümmten Hörner einer Kuh oder Ziege, die krummgebogenen und in einer besonderen Art wachsenden Äste der alten Weiden, alles das sind Stigmen des Antichrist.

In seinem Zeichen steht das ganze große russische Reich.

Auch wilde Tiere, Vögel, Fische, Insekten, gewisse Schlangen und Spinnen sollen Beweise vom Erscheinen des Antichrist geben und es wurden manchmal in den Sandspuren einer sich windenden Schlange oder im feinen Netz einer Spinne von diesen Anhängern des Antichristglaubens geheimnisvolle Zeichen, die auf seinen Namen deuten, gesehen.

Und noch andere Zufälle, wie das Entzweispringen eines Geschirres oder Spiegels und das Krachen der Holzmöbel oder undeutlich klingende Laute in der nächtlichen Stille, alles das setzt die Einbildungskraft in Erregung und gibt Anlaß zu Phantasien und bestimmten Behauptungen dieser krankhaft veranlagten Menschen.

Sie erinnerten sich an Worte, die vor langer Zeit die verschiedenen „Menschen Gottes“, die armen halbidiotischen Landstreicher, die Epileptiker, die „Klikuschen“, die Landpropheten und andere unbekannte, rätselvolle Persönlichkeiten ausgesprochen haben, welche jetzt unter dem Einflüsse der allgemeinen Manie eine rätselhafte Bedeutung erlangten. Alle alten Legenden, Erzählungen, Prophezeiungen, Ahnungen, auch solche, die vor Jahrhunderten gemacht worden sind, werden aufgestöbert und der Kritik und Untersuchung unterzogen.

Man hat mit einem Wort die grausigste und hoffnungsloseste Legende im zwanzigsten Jahrhundert neu belebt. Das Volk beugt sich unter allen diesen Schrecken, die Manie des Kokainismus und die Morphiumsucht nehmen Oberhand, immer mehr Selbstmorde werden ausgeübt, denn die Menschen, zum Kampfe mit anderen Menschen vielleicht noch fähig, können nicht mit dem Antichrist kämpfen, der so keck gegen den Schöpfer der Welt aufgetreten war, ein solcher Kampf wäre ja aussichtslos. So schneiden sie sich die Kehlen durch, werfen sich in die Teiche, begießen sich mit brühendem Wasser, nehmen Gift ein und lassen sich vom Feuer verbrennen.

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