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Schatten des dunklen Ostens/Mutter und Kind

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Im Zeichen des Antichrist Schatten des dunklen Ostens von Ferdynand Antoni Ossendowski
Mutter und Kind
Ein Bürgermeister aus Tomsk
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Mutter und Kind.


Mit was für herrlichen Frauentypen haben die russischen Dichter, ein Turgenjew, ein Puschkin, Nekrasow, Gontscharow, Lermontow, die Literatur bereichert! … Im Westen Europas hat man aber nicht begreifen wollen, daß es Frauenbildnisse waren, die den alten Adelsgeschlechtern und aristokratischen Häusern angehörten, wo die westliche Kultur, speziell die französische, blühte.

Feodor Dostojewski, der Sänger des russischen Bürgertums, Anton Tschechow und der Apostel der bäuerlichen Moral, Leo Tolstoi, hingegen, haben die Frauen Rußlands ganz anders geschildert.

Die russische Frau der mittleren Klasse ist eine Person ohne jeglichen Typus. Für sie war kein Platz im großen Rußland. Vom Standpunkte eines zivilisierten Menschen aus gesehen, besaß sie keine allgemein menschlichen Rechte und ihren geistigen Forderungen hat ein einförmiges, farbloses Leben ohne Inhalt, mit einem Säufer zum Manne oder einem idiotischen, auf seine Uniform und seinen Rang stolzen kleinen Provinzbeamten zur Seite, genügt. Die Familie, der sie entstammte, steckte in veralteten Ansichten, sie selbst war kleinstädtisch, klatschsüchtig, ab und zu eine faule Liebschaft, die Unlust oder Schande zurückließ, ohne die Spur eines Dramas zu hinterlassen.

In solcher Atmosphäre der Unzufriedenheit und Erbitterung ist diese Frau gezwungen, ihre Kinder zu erziehen. Was wird sie aus ihnen machen? Die russischen Autoren beantworten diese Frage.

Aus den Knaben gehen Väterchen hervor oder ihre Antithese, die Revolutionisten. Die Mädchen werden zu denselben Frauentypen ohne Typus gehören, zu stöhnenden, klagenden Geschöpfen, die nur fähig sind, ihresgleichen zu verstehen, ohne eigenen Willen, nur im besten Falle eines passiven Widerstandes fähig.

Als Dostojewski das apokalyptische Bild Rußlands schuf und so viele Teufel und Antichristen beschrieb, hat er die Frau tragisch eingereiht als das Opfer des Mannes. Das Leben trägt die Frauen und Mütter aus den bürgerlichen Kreisen in seinem bodenlos rasenden Strudel dem Abgrunde zu.

Leo Tolstoi wiederum zeigt uns das bäuerliche Weib und die halbheidnische Frau, die vom Mystizismus der ihr unverständlichen Naturerscheinungen wie verzaubert ist.

Ist es verwunderlich, daß solche Zustände die russische Frau in die blutigen Feuerarme der Revolution, in die Raserei des Bolschewismus, in die in ihrer Grausamkeit widerwärtige Rachsucht trieben?

Vielleicht war es auch ihre Lebensstellung, welche die russische Frau im allgemeinen zu einem gedankenlosen, dem Manne ergebenen Geschöpfe gemacht, das der Gefühle nicht fähig war und nur den Sensationen nachjagte, um darin das Vergessen zu finden.

Der Heroismus, der Mut, der Edelsinn der russischen Frau sind ein instinktiver Protest gegen ihren Sklavenzustand, das rechtlose Gesellschafts- und Staatsleben.

Jetzt, wo sie während der Sowjetregierung die Rechte eines Menschen und Bürgers erhalten hat, ist sie aus dem Rahmen ihres Familienlebens gerissen, mitsamt dem Manne zu schwerer Arbeit gezwungen in den Strudel hineingeworfen, in welchem die Männer die Achtung vor dem Weibe immer mehr verlieren und sie allmählich zu einer sozialisierten Frau werden lassen.

Das Dekret über die Sozialisierung des Weibes, das die Sowjetregierung nicht veröffentlichte, ist von selbst ins Leben, das die Sowjets geschaffen haben, getreten. Die Frau, der Familie, der moralischen Obhut des Vaters, Mannes oder Bruders beraubt, ist gezwungen, ihre Kinder, da sie keine Mittel und Zeit hat, sie selbst zu erziehen, in die Kindererziehungsanstalt der III. Internationale zu geben, wird allmählich über die veraltete Lehre der Moral enttäuscht, verliert auch die Achtung vor der Frauenwürde, unterwirft sich den Vorschriften des unveröffentlichten Dekrets, dessen Bestehen die ganze Welt empörte und in Aufruhr versetzte. Die Welt weiß aber nicht, daß dieses Dekret in der vollsten Genauigkeit praktisch in das russische Leben eingeführt war.

Auf dem Lande wiederum sehen wir ein fürchterliches Benehmen der betrunkenen oder halbwilden Männer ihren Frauen gegenüber, wobei die abscheulichsten Schimpfworte, Schlägereien, die manchmal tödlich verlaufen, an der Tagesordnung sind. So sieht das Leben der bäuerlichen Frau in Rußland aus!

Die Kinder verlieren dabei jede Achtung vor der Mutter, wollen ihre moralische Würde und Übermacht nicht anerkennen und erwachsen, pflegen sie die Mutter zu beschimpfen und manchmal zu schlagen, so wie sie es vom Vater, vom Oberhaupt der Familie und ihrem Herrn, während des ganzen Lebens gesehen haben.

Man muß noch bemerken, daß nirgends ein so großer Zwiespalt zwischen Kindern und Eltern besteht, wie es in Rußland der Fall ist. Geschieht es in intelligenten Kreisen, so läßt sich diese Erscheinung durch den Fortschritt des Wissens, durch die intellektuelle Entwicklung, durch die Veränderung in der Lebensauffassung erklären, auf dem Lande aber gibt es nur eine einzige Erklärung, und zwar den Verfall der Moral bei der neuen Generation.

Als ich im zaristischen und dann in Sowjetrußland lebte, hatte ich manche Gelegenheit, diesen moralischen Verfall unter der Land- und Arbeiterjugend zu beobachten.

Keine Worte stehen mir zur Verfügung, um dieses fürchterliche, verbrecherische Leben dieser Jugend, voll niedrigen Schmutzes, welches für die russische und die ganze Menschheit so gefährlich ist, zu beschreiben, dieser Jugend, die einmal die jetzige Generation in Gesellschaft und Staatsleben vertreten wird.

Die russische Regierung hat sich nie Mühe gegeben, in die Tiefe der Volksmassen einzudringen. Fast wie eine Anekdote mutet es an, wenn man den Artikel des bekannten russischen Publizisten Kondurischkin liest, der im Jahre 1917 sensationelle Nachrichten über die Zustände in den Dörfern und Siedlungen im europäischen Rußland und Sibirien brachte, wo man bis dahin noch keinen Vertreter der Regierung, ebenso wenig wie der Kirche gesehen hatte.

So geschah es denn, daß aus diesen Dörfern und Siedlungen uralter Aberglauben, Vorurteile, Verhexungen bei den im allgemeinen unwissenden und zu Mystizismus neigenden Volksmassen rasch an Verbreitung gewannen und sich festsetzten, damit den Anschein mittelalterlicher, elementarer Romantik mit ihren primitiven unchristlichen und unkulturellen Formen erweckend.

Wie können wir sonst solche Ereignisse verstehen, an die ich mich genau aus meinen Jugendjahren erinnere?

Im kleinen Städtchen Borowitsch im Nowgoroder Gouvernement lebte ein alter Mann, Pietia mit Namen, von Geburt ein Idiot, mit einer religiösen Manie behaftet. Dieser alte, magere Greis pflegte Sommer und Winter in einem alten schmutzigen Leinenanzug herumzugehen, ohne Schuhe und ohne Hut, und stundenlang vor jeder Kirche hin und her zu wandern, sich vor jedem heiligen Bilde zu bekreuzigen, dabei irgend welche spaßhafte Liedchen singend und mit ein paar Holzstücken, die er sich in die langen, verwirrten Haare am Kopf und in den Bart hineingesteckt hatte, spielend.

Scharen von Buben und Mädchen folgten ihm immer, zupften an seinem Barte und an den Kleidern, bewarfen ihn mit Steinen und lachten ihn aus. Pietia lief den Kindern davon und belustigte sie noch mehr durch seine hohen Sprünge, sie damit zu immer größeren, manchmal zu boshaften und grausamen Spässen veranlassend.

Eines Tages lief Pietia, um seinen jungen Quälgeistern zu entkommen, aus der Stadt und verbarg sich in einem großen Heuschober, aus welchem er Laute eines heulenden Hundes von sich gab. Da die Kinder Pietia zum Verlassen des Heuschobers nicht zwingen konnten, sind sie eines nach dem anderen in die Mitte des Heuschobers hineingekrochen. Auf diesen Augenblick hatte der Wahnsinnige gewartet. Nach kurzer Zeit brannte das Heu samt Pietia und den Kindern lichterloh.

Die Regierung ließ diese krankhaften Typen, die unter dem Namen von „Gottesmenschen“ bekannt und von frommen Bürgern und Bauern geachtet, von den Kindern aber gequält wurden, frei herumlaufen, anstatt ihnen ein Obdach in speziellen Anstalten zu geben.

Die an Epilepsie und Hysterie erkrankten Frauen, die sogenannten „Klikuschen“, erfreuen sich als Geschöpfe Gottes in den halb intelligenten Kreisen eines besonders hohen Ansehens. Während ihrer Attacken, wobei sie sich in Krämpfen winden, abwechselnd schreiend oder lachend, fluchend oder weinend, werden durch besonders Eingeweihte Prophezeiungen und Voraussagungen auf Grund ihrer Worte gemacht. Diese Klikuschen haben auch manchmal bei den Zaren einen politischen Einfluß ausgeübt und einige davon, aus allen Ecken und Enden des Imperiums gebracht, haben keine unbedeutende Rolle in Zarskoje-Selo gespielt in den Appartements der mystisch gesinnten Zarin Alexandra, der hessischen Prinzessin. Auch während der Sowjetregierung ist es nicht anders geworden, denn die Epileptiker, die hysterischen Leute und verschiedene Klikuschen haben das Recht der Rache nicht nur den Kindern gegenüber, sondern auch gegen die Bourgeoisie ausüben dürfen, wenn sie an die Spitze der rächenden Institution der Tschereswytschajka, die „Tscheka“ genannt, gekommen waren. Diese Epileptiker und Hysteriker sind von Frauen geboren worden, die täglich von ihren betrunkenen Männern halbtot geschlagen wurden, oder von solchen, die während ihres ganzen Daseins über ihr verlorenes Leben gejammert haben, ohne irgend welche Arbeit zu verrichten und ohne einen realen Ausgang aus diesen ihnen verhaßten Lebensverhältnissen suchend.

Die bekannten russischen Psychiater und Psychologen, wie Bechtierew, Mierzejewski, Karpinski, Wedenski, haben offen ihre Meinung ausgesprochen, daß die bedrohliche Menge der anormalen Menschen in Rußland nur die Folge des anormalen Lebens der Frauen und Mütter ist.

In Sowjetrußland erreichte die Anzahl der an verschiedenen Psychosen Erkrankten die Höhe von 4,8 Millionen, eine Erscheinung, die Terror und Daseinsnot in diesem freiesten aller Lande hervorgerufen.

4,8 Millionen Menschen! Ein nicht kleiner Staat von Psychotikern in Europa.

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