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Schlaf und Traum (Die Gartenlaube 1869/16)

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Textdaten
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Autor: Plesch, Ewald Hecker
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Titel: Schlaf und Traum
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aus: Die Gartenlaube, Heft 16, S. 255
Herausgeber: Ernst Keil
Auflage:
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Erscheinungsdatum: 1869
Verlag: Verlag von Ernst Keil
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Erscheinungsort: Leipzig
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Originalherkunft:
Quelle: Scans bei Commons
Kurzbeschreibung: Tötung eines Mannes während des Schlafwandelns
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Bearbeitungsstand
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[255] Schlaf und Traum. In Nr. 9 der Gartenlaube lese ich in dem vortrefflichen Aufsatze über Schlaf und Traum von Ewald Hecker das Beispiel eines Verbrechens im Traume. Dabei erinnere ich mich aus der Zeit von 1841 bis 1843, während welcher ich als Referendar beim Ober-Landesgericht zu Naumburg referirte, aus Criminalacten eines ähnlichen Beispiels, welches damals großes Aufsehen erregte. Zwei Gutsbesitzer, Vater und Sohn, die Namen sind mir entfallen, bewirthschaften gemeinschaftlich ein Gut. Sie schlafen in einem Zimmer im obern Stock, dessen Ausgang auf einen schmalen Gang mündet, an dessen anderm Ende sich ein Appartement befindet. Von letzterem aus waren wiederholt Einbrüche versucht worden. Eines Abends kommen Vater und Sohn von der Jagd. Während des Abendbrods, welches sie mit der Familie einnehmen, wird über die Einbruchsversuche gesprochen, und Vater und Sohn nehmen auf Anrathen des erstern, als sie sich nach ihrem Schlafzimmer begeben, aus diesem Grunde geladene Gewehre mit. Etwa eine Stunde später werden die übrigen Hausbewohner durch einen Schuß geweckt und finden den Sohn in dem oben beschriebenen Gange im Hemde bei dem verscheidenden Vater knieen, das abgeschossene Gewehr aber in der Thür des Schlafzimmers liegen. Der Sohn hat den Vater erschossen.

Derselbe giebt bei seiner Vernehmung an: Er habe geträumt, daß am entgegengesetzten Ende des Ganges eingebrochen werde. Erst habe er im Traume das Geräusch des Einbrechens gehört, dann die gegenüberstehende Thür sich öffnen und den Dieb auf das Schlafzimmer zukommen sehen. Von einem Schusse sei er erwacht und habe, als er zur Besinnung gekommen, aufrecht im Bette sitzend bemerkt, daß er das Gewehr, welches er am Abend neben sein Bett gelehnt, in der Hand hatte. Er sei nun auf den Gang geeilt und habe dort seinen Vater am Boden liegend und verscheidend gefunden. Die Vernehmung des Getödteten war nicht mehr möglich gewesen. Es muß aber zur Vervollständigung des Herganges wohl angenommen werden, daß der Vater in der Nacht aufgestanden, daß das dadurch verursachte Geräusch in Verbindung mit dem Gespräch am Abend beim Sohne den Traum erweckt, daß eingebrochen werde; daß er dann auch im Traume das Geräusch des Oeffnens der am Ende des Ganges liegenden Thür gehört, sich im Bette aufgerichtet, durch die vom Vater offen gelassene Stubenthür diesen vom halbfinstern Gange her zurückkommen gesehen und dann immer noch im Traume oder Schlaftrunke das neben dem Bett stehende Gewehr ergriffen und geschossen habe. Dahin sprach sich auch das sehr umfangreiche, wenn ich nicht irre, in Hitzig’s Annalen abgedruckte Gutachten der Sachverständigen aus, dessen Resultat auf „Verübung der That im bewußtlosen Schlaftrunk“ lautete. Für die Annahme einer Absicht des Sohnes sprach weder das Verhältniß zwischen Vater und Sohn, welches das innigste war, noch irgend ein anderer Grund. Der Unglückliche wurde freigesprochen. Plesch, Justizrath.     




Die Annalen der gerichtlichen Medicin werfen eine große Reihe von strafbaren Handlungen auf, die im Zustande der Schlaftrunkenheit begangen wurden. Der vorstehend mitgetheilte Fall (über den Dr. Suckow in Henke’s Zeitschrift 1851 berichtet) gehört sicherlich zu den interessantesten. Der Zusammenhang zwischen der That und ihren in den äußeren Verhältnissen liegenden Motiven ist hier ziemlich klar. Die Phantasie des Sohnes war offenbar durch die am Abend geführten Gespräche über Diebseinbrüche in einen erregten Zustand versetzt und es wurden dahin bezügliche Vorstellungen aus dem wachen Zustande mit in das Traumleben hinübergenommen. Das Knarren der Thür gab nun, wie leicht erklärlich, dem Traume eine bestimmtere Gestaltung und weckte gleichzeitig den Schläfer zu einem Zustande von Schlaftrunkenheit, in dem er noch ganz umfangen von den Traumvorstellungen sein Gewehr ergriff und es blindlings nach der Richtung der Thür abschoß. Daß er den Vater traf, war ein besonderer unglücklicher Zufall. Während seiner Haft im Untersuchungsgefängniß wurde am Inculpaten einmal ein ähnlicher Zustand von ängstlichem Aufschrecken aus dem Schlafe beobachtet. Bemerkenswerth ist ferner, daß ein Bruder des Angeklagten an Schwindel, Beängstigungen und ängstlichen Träumen vielfach litt, so daß es sich hier wohl um die erbliche Anlage einer nervösen und gerade zum Zustand der Schlaftrunkenheit besonders disponirten Constitution handelt. – Als sehr auffallend will ich schließlich noch anführen, daß Fälle von Schlaftrunkenheit bisher überhaupt nur bei Personen männlichen Geschlechts beobachtet worden sind. Ein auch nur einigermaßen plausibler Grund läßt sich dafür kaum angeben. Dr. Hecker.