Schwärmerei der Liebe
Wo über Gräber die Zipresse trauert,
Weilt oft von trauriger Beruhigung,
Und unbekannten Ahnungen durchschauert
Mit nassem Auge die Erinnerung.
Wallt der Verlaßne in den Aetherhain
Der bessern Welt dem fernen Freund entgegen
Und findet ihn in heil’gem Dämmerschein.
Wie glücklich der, dem jenes Auferstehens
Wie glücklich! wenn der Traum des Wiedersehens
Um ihn den lichten Seraphsfittig schwingt!
Uns wird es nicht, jetzt da wir bebend scheiden
Geliebter, dieser schönen Hoffnung Glück.
Und schüchtern floh er ihren Strahlenblick.
Wenn um das hohe, starkgefühlte Leben,
Das Göttliche, das uns im Innern glüht,
Sich einst auch neue, schön’re Formen weben,
Was ist dem Geist zu neuem Sein gebohren,
Dann, was hienieden ihn zum Gott entzückt?
Mit jedem Sinn gieng eine Welt verlohren,
Und seine schönsten Blüthen sind zerknikt.
Das holde Saitenspiel in unsrer Brust,
Wo aller Lebensfreuden Keime schliefen;
Wir bleiben keiner, keiner uns bewußt!
In welches Labyrinth bin ich verschlungen?
Mir dieses Leben furchtbar aufgedrungen?
O! Liebe! löse du den langen Streit!
Ja, ich empfand, als ich mit süßem Beben
Der Liebe Glut aus deinen Blicken sog,
Mit Götterkraft durch meine Seele flog,
Als sich zuerst mit schwindelndem Entzücken
Mein trunkner Geist um deine Seele schlang,
Daß – namenlos durch dich mich zu beglücken,
Getrennt von dir – was kann die Welt mir geben,
Das meiner Seele heißes Sehnen stillt?
Was soll mir jetzt das liebesleere Leben,
Wo nirgends Ruh für meine Sehnsucht quillt?
Von Harmonie nicht mehr gewekt, verdirbt,
Und was mit Aetherglut den Geist durchglühte,
Von deinem Geist verlassen, fruchtlos stirbt,
Wo sich der Freude zarte Rosen bleichen
Die Phantasien traurig von mir weichen,
Und ach! entseelt die Wirklichkeit mir bleibt.
Und doch – das Lüftchen, das mich kühlet, küßte
Vielleicht den Seufzer von der Lippe dir,
Vielleicht ein liebefeuchter Blick von dir.
Ich flöh’ die Welt, verlernte dich zu lieben,
Dein süßes Bild entwich auf ewig mir?
Und so entsagt ich meinen bessern Trieben,
Nein! böt’ ein Gott mit freundlichem Erbarmen
Aus Lethens Fluthen eine Schaale mir,
Ich nähm’ die Schaale nicht aus seinen Armen
Und lebte ewig meinem Schmerz und dir!
Der Nähe süße Nahrung uns versiegt,
Und dann aus tiefer, hoffnungsloser Ferne,
Im öden Raum der trunkne Blick versiegt,
Wenn nun die Zeit, von Hoffnung nicht erheitert
Und jeder Augenblick die Kluft erweitert,
Die grausend zwischen Geist und Geist sich drängt,
Wirst du auch dann die süßen Qualen theilen,
Von zarten Phantasieen eingewiegt,
Wenn zwischen uns, ach! Raum und Zeit nun liegt?
Wird dann das Glück von unsern schönern Tagen
Dein höchstes Ideal auf ewig seyn? –
Ich ahne, Selmar, deine sanften Klagen,
Nein klage nicht! – Wenn neue Freuden winken,
Wenn dir die Hoffnung frische Kränze flicht,
So laß mein Bild in stillen Schlummer sinken
- Auch solche Opfer scheut die Liebe nicht!
Dein Herz von fremden Trieben glühen sehn,
Und wie ein Stral, der in der Luft verflieget,
In deiner Seele ewig untergehn.
Doch Selmar, nein! - Kann Liebe untergehen,
Kann Harmonie wie Frühlingshauch verwehen,
Und wird dein Ideal dir wieder neu?
Die Lieb’ ist ewig! ihren Harmonieen
Folgt treu die ganze bildende Natur,
So folg’ ich ewig ihrer Rosenspur.
Nie wird der hohe Einklang untergehen,
Der uns vereint. – Ich will, an dich gebannt,
Mich als Planet um deine Sonne drehen,
Im Wetterstral mich dir entgegen stürzen,
Als Blume dir die Gattenblume seyn,
Im Blüthenduft mit dir die Lüfte würzen,
Und gaukelnd mich mit dir als Vogel freun.
Vermählt uns ewig heilge Sympathie!
In Sternentanz und im Gesang der Wogen
Weht nur Ein Geist, der Liebe Harmonie!